Hagen. Ein Rentner soll in Hagen die Leiche seiner Nachbarin im Keller verscharrt haben. Die Staatsanwaltschaft schweigt. Eine Spurensuche.

Es ist der derzeit geheimnisvollste Tötungsfall in Hagen: Nichts darf nach außen dringen. Nur so viel ist bisher bekannt: Ein Rentner (75) soll die Leiche seiner Nachbarin (59) im Keller verscharrt haben. Was verheimlicht der mutmaßliche Täter? Warum schweigt der Staatsanwalt? Die Spurensuche beginnt am Tatort in Delstern.

20. Mai, der Mittwoch vor Vatertag. An der Delsterner Straße, vor dem braun-beigen Mehrfamilienhaus mit Jugendstil-Dekor rauschen nacheinander Feuerwehr und Polizei mit Blaulicht an: fünf Streifenwagen, zwei Kradfahrer, Kripobeamte im silbernen Ford, ein Löschfahrzeug sowie ein Rettungswagen und der Notarzt, die zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr ausrichten können. Im Keller des Hauses liegt eine tote Frau.

1,20 Meter breites Grab im Keller ausgehoben

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Um 16.42 Uhr sind die Einsatzkräfte alarmiert worden. Zuvor war ein Anruf bei der Polizei eingegangen. Der 75-jährige Hausverwalter, der gemeinsam mit seiner Ehefrau (71) in der dritten Etage wohnt und mittlerweile unter dringendem Tatverdacht steht, hatte selbst den Notruf gewählt. Er wird nach Auffinden der Leiche festgenommen und um 17.17 Uhr im Streifenwagen weggebracht.

Nacheinander treffen die Beamten der Mordkommission, die sich inzwischen „MK Estrich“ nennt, sowie Spezialisten der Spurensicherung am Tatort ein. Von der Haustür aus rechts führt ein Treppenabgang mit Holzstufen und niedriger Deckenhöhe runter in den Keller. Was selbst die erfahrenen Ermittler erschaudern lässt: In einem nicht mehr genutzten Abstellraum ist unter dem dünnen Estrichboden eine Art Grab ausgehoben worden. Rechteckig, 1,20 Meter breit und etwa 50 Zentimeter tief.

Staatsanwaltschaft sagt nichts zur Todesursache

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Darin liegt die tote Nachbarin, die äußere Verletzungen aufweist, nahezu vollständig abgedeckt mit Erdschutt. Bereitgelegte Zementsäcke lassen die Ermittler vermuten, dass die Leiche einbetoniert werden sollte. In seiner ersten Vernehmung gibt der beschuldigte Rentner an, dass er am Tag zuvor mit seiner Nachbarin in Streit geraten sei: „Im Zuge der Streitigkeiten sei diese zu Tode gekommen“, so Polizeisprecher Tino Schäfer.

Um 23.10 Uhr, nach Abschluss der kriminaltechnischen Untersuchungen, bringt der Bestatter die Leiche vom Tatort zur Gerichtsmedizin. Der aktuell ermittelnde Staatsanwalt, Nils Warmbold, will sich zur festgestellten Todesursache aus ermittlungstaktischen Gründen bislang nicht äußern: „Das ist Täterwissen.“ Und der Rentner, der seit 23 Tagen in Untersuchungshaft sitzt, schweigt nunmehr eisern. Gegen ihn ist ein Haftbefehl wegen Totschlags erlassen worden. Die Getötete wurde inzwischen nach Ostwestfalen, wo Angehörige leben, überführt und dort bestattet. In welchem Verhältnis standen der mutmaßliche Täter und das Opfer? Sicher ist: Sie wohnten in dem Haus nur zwei Etagen auseinander.

Mutmaßlicher Täter ist Hausverwalter

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Bei dem Opfer handelt es sich um eine alleinstehende Sozialarbeiterin mit Tätigkeitsschwerpunkt in der Flüchtlingshilfe. Derweil ist der Tatverdächtige ein gemütlicher Rentnertyp mit dünner Drahtbrille und heruntergezogenem weißen Schnäuzer. In seiner Freizeit geht er angeln.

In dem Haus, in dem die Tat stattfand, war der 75-Jährige zuständig für die Verwaltung der Eigentumswohnungen. Von sieben Parteien der Eigentümergemeinschaft tragen drei den gleichen Nachnamen. Sie gehören zum familiären Umfeld des mutmaßlichen Täters. Keiner von ihnen will mit uns sprechen.

Seit Jahren Streit unter den Nachbarn

Bis in den Abend des 20. Mai sichert die Kripo Spuren in Delstern. Der Leichenwagen steht vor der Tür des Mehrfamilienhauses in Hagen.
Bis in den Abend des 20. Mai sichert die Kripo Spuren in Delstern. Der Leichenwagen steht vor der Tür des Mehrfamilienhauses in Hagen. © Alex Talash

Fest steht allerdings: Die Getötete lag mit dem Hausverwalter und der Eigentümergemeinschaft seit Jahren im Clinch. „Sie wurde von den Hausbewohnern regelrecht tyrannisiert, fühlte sich dort nicht mehr wohl. Alle waren gegen sie“, berichtet eine enge Freundin, die aus Angst ungenannt bleiben möchte. Unsere Recherchen bestätigen, dass unter den Bewohnern der Haussegen schief hing. Schon dreimal wurde vor dem Amtsgericht prozessiert.

„Zwei Verfahren sind bereits abgeschlossen, eines ist noch anhängig“, weiß Amtsgerichtssprecher Christian Dembowski. „Mal ging es um die Entfernung einer Hecke, mal um falsche Abrechnungen.“ Geklagt und Recht bekommen hatte jeweils die 59-Jährige. Waren die Auseinandersetzungen im Haus und die verlorenen Prozesse womöglich das Tatmotiv? Steckt hier der Schlüssel zu dem Gewaltverbrechen? Die Ermittler der „MK Estrich“ haben die Hausbewohner bereits als Zeugen vernommen. Der Verteidiger des Rentners, Lutz Mollenkott, will dazu nichts sagen: „Ich werde mich an Verschwörungstheorien nicht beteiligen.“