Hagen. Anders als die SPD plädiert die Ratsallianz aus CDU, FDP und Grünen in Sachen Schulentwicklung in Hagen für einen Erhalt der Ricarda-Huch-Schule.

Vor der Corona-Krise war der Streit um die künftige Schulentwicklung in Hagen voll entbrannt. Der von der Stadt beauftragte Bildungs-Gutachter Wolf Krämer-Mandeau hatte mit seinen Vorschlägen, das Ricarda-Huch-Gymnasium (RHG) zugunsten einer weiteren Gesamtschule aufzulösen, das Albrecht-Dürer-Gymnasium zu verlegen und die Sekundarschule am Remberg in eine Gesamtschule umzuwandeln, ein politisches Erdbeben ausgelöst. Dann kam der Virus, der Schulausschuss darf nicht mehr tagen – und die Debatte verschwand aus den Schlagzeilen.

Dabei sind sich die Vertreter aller im Rat vertretenen Fraktionen einig, dass die bildungspolitischen Weichen noch in diesem Jahr gestellt werden müssen – trotz Corona. „Um voranzukommen, benötigen wir eigentlich noch vor den Sommerferien Entscheidungen“, so Jochen Becker, Leiter des Fachbereichs Bildung bei der Stadt Hagen.

Zwölf neue Eingangsklassen

Vor allem die Entwicklung in den Grundschulen bereitet den Verantwortlichen Sorgen. So werden in diesem Sommer 1671 i-Männchen in Hagen erwartet. Sechs Jahre später, das ergeben die aktuellen Geburtenzahlen, dürften es 1944 Erstklässler sein – ein Anstieg von 273 Lernanfängern. Für diese Mädchen und Jungen müssen zwölf weitere Eingangsklassen gebildet werden, was dem Volumen von exakt vier weiteren dreizügigen Grundschulen in Hagen entspricht.

Auch interessant

Wo diese gebaut werden sollen, um rechtzeitig geöffnet werden zu können, muss jetzt entschieden werden. „Uns läuft die Zeit davon“, läutet auch SPD-Fraktionschef Claus Rudel die schulpolitische Alarmglocke.

Die Sozialdemokraten haben sich positioniert und dem Vorschlag des Gutachters nach Auflösung des Ricarda-Huch-Gymnasiums angeschlossen. In dem denkmalgeschützten Schulgebäude an der Volme soll stattdessen, unter Einbeziehung des benachbarten Berufskollegs Kaufmannsschule I, eine sechszügige Gesamtschule etabliert werden. Die Berufsschüler wiederum, so der SPD-Vorschlag, könnten im Schulzentrum Vorhalle, in der Commerzbank (Bahnhofstraße) oder im Telekom-Gebäude auf dem Höing untergebracht werden.

Allianz will RHG erhalten

Die Linke unterstützt diesen Vorschlag, doch die Allianz aus CDU, Grünen und FDP stemmt sich gegen derart tiefgreifende Veränderungen. So hält es Thomas Walter, schulpolitischer Sprecher der Union, für unverantwortlich, das RHG in eine Gesamtschule umzuwandeln: „Damit würde die Anzahl der Schulen in Hagen ja nicht gesteigert, wir hätten also nichts gewonnen.“ Und auch wenn die Anmeldezahlen derzeit im Keller seien, so würden sie mittelfristig auch wieder steigen: „Ich prophezeie, dass wir noch jedes Gymnasium brauchen werden in Hagen.“

Auch interessant

Vor allem aber hält Walter die Auflösung des Ricarda-Huch-Gymnasiums, auf dem er übrigens einst selbst sein Abitur abgelegt hat, aus psychologischen Gründen für deplatziert: „Die Umwandlung in eine Gesamtschule würde nur Unfrieden hervorrufen. Das haben wir doch schon beim Ernst-Meister-Gymnasium in Haspe gesehen. So etwas brauchen wir nicht noch einmal.“

Dennoch hält auch die CDU die Gründung einer weiteren städtischen Gesamtschule für notwendig. Walter könnte sich vorstellen, dass diese im Schulzentrum Wehringhausen eingerichtet wird und für die dort zurzeit residierende Freie evangelische Gesamtschule (FESH) ein neues Quartier gesucht wird.

Grüne drängen auf Sitzung

Auch Nicole Pfefferer von den Grünen könnte sich eine solche Lösung vorstellen. Der Schließung des RHG steht sie ebenfalls kritisch gegenüber, weil Hagen zukünftig alle vorhandenen Gymnasialplätze benötigen werde. Schwankungen bei den Anmeldezahlen habe es immer gegeben: „Vor zehn Jahren war das Fichte-Gymnasium an einem Tiefpunkt angelangt, heute ist es Hagens beliebteste Schule.“

Und obwohl die Zeit dränge, sei jetzt „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ das Gebot der Stunde. Die Entwicklung der Schullandschaft müsse unbedingt gemeinsam mit den betroffenen Eltern, Lehrern und Schülern diskutiert werden und nicht an der Öffentlichkeit vorbei: „Das gibt nur böses Blut.“

Frau Pfefferer hält es deshalb für unabdingbar, noch vor den Sommerferien eine Sitzung des Schulausschusses mit Rederecht für Besucher anzuberaumen: „Was Hagens Schulen aktuell brauchen, ist ein gutes, durch die Verwaltung geprüftes Fundament für weitere Planungen und keine Schnellschüsse, die auf Medienaufmerksamkeit gerichtet sind.“

Verwaltung hält sich bedeckt

Die FDP wiederum wirft der SPD vor, mit den Schulen in der Hagener Innenstadt Roulette zu spielen und einen Verschiebebahnhof anzuzetteln. „Gerade im Bereich der Gymnasialplätze zeigen die Zahlen und Prognosen deutlich, dass wir uns einen weiteren Kapazitätsabbau nicht leisten können“, so Katja Graf, die sich für schrittweise Lösungen einsetzt: „Wir bevorzugen Ansätze, die Schulschließungen vermeiden, z.B. durch eine zukünftige Nutzung des Schulzentrums Wehringhausen für die 4. Gesamtschule.“ Da die FESH ohnehin einen Neubau ins Auge fasse, müsse nur noch eine vertretbare Lösung für die Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule gefunden werden. Das Ricarda-Huch-Gymnasium, mit seinem sozialen Profil und den wichtigen Seiteneinsteigerklassen könne dann erhalten bleiben.

Die Stadtverwaltung hat sich noch nicht zu den unterschiedlichen Vorschlägen positioniert. Noch sei auch nicht klar, welche Schulthemen im Hauptausschuss und welche im Rat – den einzigen Gremien, die derzeit zusammentreten dürfen -- behandelt würden, so Fachbereichsleiter Jochen Becker.

Corona hin oder her – Hagen steht vor einem schulpolitisch heißen Sommer.