Hohenlimburg/Lennetal. Wie geht es den großen Hagener Stahlunternehmen an der Lenne in der Corona-Krise und den vielen Arbeitern, die daran hängen. Ein Report.
Ein wesentlicher Wirtschaftsmotor dieser Stadt sind immer noch ihre mächtigen Stahlunternehmen. Auch wenn Hagen längst nicht mehr die Stadt der Gießereien ist und sich mehr und mehr zu einer Dienstleistungsstadt entwickelt, sind immer noch zahlreiche Weltmarktführer der Bandstahl- oder Kaltwalzindustrie im Lennetal bis nach Hohenlimburg ansässig. Sie alle treffen die Auswirkungen der Corona-Krise – um im Bild zu bleiben – wie ein stahlharter Hammer. Ein Report entlang der Lenne. Wie geht es unseren Stahlunternehmen und den Hunderten Arbeitern und ihren Familien, die daran hängen?
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Thyssen Krupp
Über 1000 Menschen arbeiten in Hohenlimburg für die „ThyssenKrupp Federn und Stabilisatoren GmbH“ und die „Thyssenkrupp Hohenlimburg GmbH“, wo warmgewalztes Hohenlimburger Mittelband produziert wird. „Angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen in Folge der Corona-Krise passen wir unsere gesamte Produktionskette an“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage. Dies beinhalte die Hochofen, die Weiterverarbeitungsstufen und schließe auch Thyssen Krupp Hohenlimburg mit ein. Als Unternehmen mit vielen Kunden aus der Automobil- bzw. der automobilnahen Zulieferindustrie sei man direkt von den Stillständen der großen europäischen Hersteller betroffen. Abhängig von der weiteren Entwicklung seien zusätzliche Produktionskürzungen möglich. „Parallel zu diesen Maßnahmen sind wir auch in Hohenlimburg in Kurzarbeit gegangen“, so eine Sprecherin.
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Risse + Wilke
Das Unternehmen Risse und Wilke produziert rund die Hälfte seiner Produkte für den Automotive-Sektor. Schon früh hat der Kaltbandhersteller versucht, die sinkende Nachfrage in geordnete Bahnen zu lenken. „Wir haben alle unsere Kunden angeschrieben und im Vorfeld nach verbindlichen Bestellungen für April gefragt“, sagt Geschäftsführer Jörg Lohölter. „Ausgehend von den eingegangenen Bestellungen fertigen wir jetzt.“ Statt drei Schichten fahre die Firma derzeit nur eine Schicht. Im Produktionsbetrieb und im Angestelltenbereich seien zwei Drittel in Kurzarbeit. „Dieses wichtige Mittel nutzen wir auch weiter“, betont Lohölter besonders die Flexibilität, die sich durch die Maßnahme biete – denn die Mitarbeiter befänden sich in Bereitschaft. „Wenn ein Auftrag kommt, sind wir in der Lage, morgen auch wieder drei Schichten zu fahren“, sagt Lohölter. Kündigungen von Mitarbeitern sieht die Firma nicht vor.
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Bandstahl Schulte
„So schonend, wie möglich und wirksam wie nötig“, beschreibt Geschäftsführer Michael Schulte das Vorgehen seines rund 130 Mitarbeiter großen Unternehmens in der Krise. „Eingeleitete Maßnahmen fokussieren sich auf die Senkung von Kosten in unserem Haus. So werden Bestellungen für Vormaterial storniert, Kosten für Betriebsmittel reduziert und Projekte verschoben. Auch die Maßnahme der Kurzarbeit können wir in der aktuellen Situation nicht vermeiden“, so Schulte.
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„Gleichwohl wissen wir auch, dass es in vielen Branchen etwas dauern wird, bis alle Wertschöpfungsketten wieder vollständig funktional sind“, so Schulte. Einen minimalen Vorteil habe das Unternehmen. Nur zu knapp 50 Prozent sei man vom Automotive-Sektor abhängig. Bandstahl Schulte liefert darüber hinaus beispielsweise Beschläge für Möbel, Türen oder Fenster aus oder in die Bau- oder Elektroindustrie.
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Bandstahlservice Hagen
„Wir haben die Produktionszeiten den veränderten Marktbedingungen auch angepasst“, sagt Geschäftsführer Michael Leber. Die Produktionsschichten würden aus aus Sicherheitsgründen zeitversetzt arbeiten. Leber: „Branchen die nicht zur Automotive-Zulieferindustrie kundenseitig bei uns gehören, haben stabile Absatzzahlen.“
Kurzarbeit sei auch hier ein angedachtes Instrument und auch beantragt, aber greife noch nicht. „Persönlich glaube ich, dass wir ein sehr schwieriges zweites Halbjahr 2020 bekommen werden. Es gilt generell, das Jahr 2020 zunächst zu retten“, so Leber.
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Bilstein
Das von der Tonnage her zweitgrößte Kaltwalzunternehmen der Welt, die in Hohenlimburg ansässige Bilstein Group, hat seine Produktion in den Werken I (im Weinhof) und II (Oeger Straße) an der Lenne angesichts der Corona-Krise heruntergefahren. Aus der Unternehmenszentrale heißt es, dass ein Großteil der 800 in Hohenlimburg beschäftigten Mitarbeiter davon betroffen sei. Kurzarbeit sei das Mittel, um den Schaden für das Unternehmen und die Mitarbeiter zu begrenzen. Das zu Bilstein gehörende Unternehmen Hugo Vogelsang sei nicht betroffen. Der Versand bleibt weiter besetzt. Bilstein ist in hohem Maße abhängig von der Automotive-Industrie.
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Martin & Weissgerber Kaltband
Eine sinkende Nachfrage gibt es beim Kaltbandhersteller Martin & Weissgerber (32 Mitarbeiter) bislang nicht. Das Unternehmen aus der Nahmer produziert zum Großteil für die Elektrotechnik, Gebäudebau und andere Bereiche. Dort sei der Bedarf weiter hoch, sagt Geschäftsführer Karl-Martin Schulte. „Wir haben bisher keine Kurzarbeit und fahren zurzeit noch Voll-Last.“
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Nur zwölf Prozent des Umsatzes kommen aus dem Automobilsektor – und auch hier wurden bisher kaum Aufträge gestrichen, sondern eher auf die nächsten Monate verschoben.
„Wir fühlen uns jetzt noch ziemlich sicher“, sagt Schulte, „aber ich bin davon überzeugt, dass es gesamtwirtschaftlich eine deutliche Verschlechterung geben wird, die auch wir spüren werden. Eigentlich müssten wir bei der jetzigen Auftragslage neue Mitarbeiter einstellen, aber das machen wir nicht.“ Zudem würden Verträge von Leihkräften vielleicht nicht verlängert. Er glaube, dass sich die allgemeine Lage erst zum Frühjahr 2021 bessern könnte.
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CD Wälzholz
„Wir spüren den wirtschaftlichen Einbruch. Die unternehmerischen Aussichten sind für die kommenden Wochen stark eingetrübt. Uns hilft, dass unser Betrieb in China wieder anläuft und Brasilien und die USA bis vor kurzem stabil waren“, erklärt Hans-Toni Junius, Geschäftsführer des Kaltwalzunternehmens C.D. Wälzholz. „Wir rechnen mit dem April als schlechtestem Monat des Jahres. Im Moment bauen unsere Beschäftigten ihre Arbeitszeitkonten ab. Wir haben aus China für Deutschland gelernt, haben die Schichten auseinandergezogen. Es gibt jetzt dazwischen eine Stunde Abstand. Die Absprachen finden per Zettel oder Mail statt.“
Siegfried Boecker
Bereits Ende Januar hatte das Kaltwalzunternehmen die Produktion in Elsey eingestellt und Insolvenz angemeldet. „Schon seit Jahren ist die Kaltwalzproduktion am Standort in Elsey nicht mehr wirtschaftlich gewesen“, sagte Geschäftsführer Siegfried Böcker im Januar. Die Belegschaft traf die Nachricht wie ein Schock. Die Corona-Pandemie hatte darauf keinen Einfluss.
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