Hohenlimburg. Willi Strüwer leitet ein Pflegeheim in Hohenlimburg. Im Interview spricht er über die Corona-Vorsorge und Bonuszahlungen für Pflegekräfte
Für Willi Strüwer, Einrichtungsleiter vom Pflegeheim Wohlbehagen am Schlossberg, bedeutet die aktuelle Corona-Situation auch neue Herausforderungen für den täglichen Alltag in seiner Pflegeeinrichtung. Bisher ist kein Corona-Fall im Pflegeheim am Schlossberg aufgetreten. Wie sich das Team auf die aktuelle Situation einstellt und wie man eine bessere Bezahlung für Pflegekräfte realisieren könnte, erklärt Strüwer im Interview.
WP: Herr Strüwer, seit gut einer Woche herrscht ein generelles Besuchsverbot in allen Einrichtungen von Wohlbehagen. Geben Sie uns einen Einblick in die aktuelle Situation vor Ort?
Strüwer: Von Außen hinein kommen neben dem Personal nur externe Dienstleister, die für die pflegerische und medizinische Versorgung unabdingbar sind. Die, die Zutritt bekommen, werden sofort namentlich und telefonisch erfasst und sind an enge hygienische Verhaltensregeln gebunden, wie Mundschutz, Handschuhe und Hygieneregeln, bei Kontakt mit Bewohnern.
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Werden die Mitarbeiter auf Corona getestet?
Im Haus Wohlbehagen am Schlossberg arbeiten 90 Mitarbeiter, 5 Pflegeheime hat das Unternehmen in ganz Hagen mit ca. 450 Angestellten. Bei einer so großen Zahl an Mitarbeitern ist immer die Sorge da, das sich einer infiziert haben könnte. Das tückische an dem Virus ist ja gerade, dass sich die Symptome oftmals erst Tage nach der Infizierung ausprägen und die betroffene Person schon in der Zeit zuvor schon andere anstecken kann. Selbst wenn wir es wollten: Ein Durchtesten aller Mitarbeiter ist gar nicht möglich. Wir haben das große Problem, dass in Hagen nur eine begrenzte Zahl an Tests überhaupt durchgeführt werden können. Dies hat nichts mit dem Gesundheitsamt oder den Pflegeeinrichtungen zu tun, sondern mit der Auswertung und den Kapazitäten in den nötigen Laboren. Da diese Tests nur im begrenzten Rahmen stattfinden können, nehmen die Mitarbeiter bei Symptomen zunächst Kontakt mit dem Hausarzt und dem Gesundheitsamt auf. Danach wird entschieden, ob ein Test durchgeführt wird. Mittlerweile ist es so, dass Pflegeeinrichtungen hier von den Maßnahmen für das Personal in Krankenhäusern gleichgesetzt sind.
Was lässt sich am Vorgehen noch verbessern?
Für uns ist es mittelfristiges Ziel, auf schnellere Testverfahren hinzuwirken. In anderen Ländern ist man bereits weiter, etwa mit Schnell-Tests in den USA. Ungeklärt ist bisher, wie verlässlich diese Tests dann letztlich sind.
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Angesichts der aktuellen Situation wird die Forderung nach höheren Löhnen für Pflegekräfte wieder lauter. Schließen Sie sich da als Leiter einer Pflegeeinrichtung an?
In den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen reden wir davon, dass Personalschlüssel verbessert werden können und Pflegekräfte besser bezahlt werden. Die Einrichtungen würden gerne höhere Beträge zahlen. Aber es sind nicht die Pflegeeinrichtungen, die die Personalschlüssel festlegen. Ganz im Gegenteil sind es die Pflegeeinrichtungen, die versuchen, höhere Beträge mit den Pflegekassen und Landschaftsverbänden In jährlich stattfindenden Vergütungsvereinbarungen auszuhandeln und dann enttäuscht sind, wenn das nicht klappt. Da gibt es keinen finanziellen Spielraum – und erst recht gibt es keinen Spielraum, da wie in der Politik vorgeschlagen in dieser Größenordnung Bonuszahlungen zu machen.
Wir beklagen uns nicht. Mit dem, was derzeit möglich ist, kann man gute Arbeit machen. Aber das heißt nicht, dass die Arbeit nicht noch verbessert werden kann. Und dann geht es eben auch um Personalschlüssel und solche Dinge. Es ist festgelegt, wie viel Geld an das Personal und Sachausstattung geht. Da ist nicht eingeplant, dass man in besonderen Situation aufgrund von großen Gewinnen Bonuszahlungen machen kann. Hier kann es nur sein, dass wünschenswerte und berechtigte Bonuszahlungen für Kranken- und Pflegekräfte über Pflegekassen, Krankenkassen oder Steuergelder gezahlt werden.
Also Bonuszahlungen ja, aber nur aus Steuergeldern?
Wir sind ja keine privaten Großunternehmen wie Aldi oder Lidl - die riesige Milliardengewinne machen und dann auch die Möglichkeit haben, entsprechende Bonusbeträge an ihre Mitarbeiter zu bezahlen. Bei einer Bonus-Zahlung von 1500 Euro Bonus pro Mitarbeiter würde das im Falle von Pflegeeinrichtungen bedeuten, dass ein Träger, der fünf Pflegeheime hat, locker auf 500.000 Euro kommt. Aber die Krankenhäuser, Pflegeheime, Ambulanten Dienste sind finanziell auf Kante genäht. Von daher kann es nur so gehen, das Pflege- und Krankenkassen oder die Allgemeinheit über Steuern für die Beträge aufkommen. Aber gleichwohl sollte man gerade im Pflegebereich Bonuszahlungen in Betracht ziehen, um dem Personal auch monetär ein Zeichen der Wertschätzung für ihre Arbeit zukommen zu lassen. Wenn die Wertschätzung, die Mitarbeitern in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen und bei ambulanten Pflegediensten zurzeit erfahren über die verbalen Bekundungen hinausgehen und die Bereitschaft wächst, gerade über die Vergütungsvereinbarung diesen Personenkreis finanziell zu stützen, dann wäre das der Situation angemessen.
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Spüren Sie bei Angehörigen, dass der Respekt für die Arbeit in der Pflege da ist?
Wir haben viele Rückmeldungen von Angehörigen, die ihre Wertschätzung aussprechen für die Arbeit, die in den Einrichtungen geleistet wird. Das ist etwas anderes als Home-Office zuhause. Hier ist man hautnah dafür da, eine Haupt-Risikogruppe zu schützen und zu unterstützen und ich glaube, dieses Bewusstsein macht sich immer stärker breit. In dem Moment ist es logisch, dass höhere Verpflichtungen des Staates angemessen sind.
Sind die Gehälter in der Pflege deutlich zu niedrig?
Es ist nicht so, dass unser Personal am Hungertuch nagt. Aber wenn man das mit manchen Gehältern aus der Wirtschaft vergleicht, wäre es schon angemessen, dass man die Gehälter erhöht - und zwar langfristig, unabhängig von eine Epidemie-Lage wie jetzt.
Sollte sich in dem Zuge auch das Gesundheitssystem grundlegend verändern?
Deutschland hat ein gutes Gesundheitssystem. Wenn man sieht, was in Italien, Spanien und in England passiert, dass in Einrichtungen völlig unterversorgte und unbeachtete Personen vorgefunden werden - das ist bei uns unvorstellbar. Die Grundversorgung ist gut. Aber das Gesundheitssystem könnte besser aufgestellt sein, ganz eindeutig. Es muss darauf hinauslaufen, mehr Geld in das System zu bringen.