Hagen. Steffen Barth sieht seine Zunft auf den Intensivstationen jetzt gefragt. Der tödliche Corona-Verlauf könne durch Physiotherapie gestoppt werden.
Nehmen die Physiotherapeuten eine Schlüsselrolle in der Therapie von Corona-Infizierten ein? Wenn es nach dem Hagener Physiotherapeuten Steffen Barth geht, dann ja. „Physiotherapeuten können helfen und dazu beitragen, Entzündungssymptome mit zu verringern“, sagt der Hagener.
Durch Atemtechniken, die alle Physiotherapeuten in ihrer Ausbildung lernen, sollten Patienten in der Akutphase unterstützt und ihr Leben gerettet werden, findet Barth. Das tödliche Verkleben der Lunge könne so auf alternativem Wege verhindert werden.
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In Deutschland einen Namen im Bereich der Wundheilung gemacht
Steffen Barth, der sich in Deutschland unter anderem in der Wundheilung mit dem von ihm entwickelten „Sanotape“ und durch die Behandlung zahlreicher Spitzensportler einen Namen gemacht hat, verweist auf pathologische Ergebnisse, die bei einer Lungen-OP in Asien zum Vorschein gekommen seien. „Ein Patient, der Metastasen in der Lunge hatte, war vorher schon mit Corona infiziert. Man konnte feststellen, dass schon am Anfang der Inkubationszeit Schleim und Störungen in den Atemwegen vorhanden gewesen sein mussten“, sagt Barth.
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Für ihn ist klar: Diese Ödeme können physiotherapeutisch behandelt werden wie es auch bei Mukoviszidose-Patienten getan wird. Im Fachdeutsch: Eine Lungenfibrose soll verhindert werden. „Für mich ist klar, dass die Physiotherapeuten auf die Intensivstationen gehen sollten, um bei den Betroffenen Atemtherapien anzuwenden“, sagt Barth. Äußerlich könne der Therapeut außerdem darauf einwirken, dass Schleim und Sekrete gelöst werden, indem während bestimmter Atemübungen mit der Hohlhand vorsichtig der Brustkorb abgeklopft wird. Inhalation, effektiveres Husten und Brustkorb-Mobilisation könnten dazu beitragen, dass Entzündungssymptome verringert werden.
Barth: „Bei Corona-Infektionen sprechen wir von Lungenstrukturveränderungen. Und auf die haben wir Therapeuten durchaus positiven Einfluss.“ Wie gut diese Atemtherapien anschlagen, würde man unter anderem bei der Behandlung von Mukoviszidose-Patienten sehen, wobei ebenfalls durch physiotherapeutischen Einsatz die Verschleimung der Lunge verlangsamt wird. „Man kann auf diese Weise Lungenentzündungen vorbeugen. Wir stimulieren damit unter anderem den sogenannten Vagus-Nerv. Das ist der größte Nerv des Parasympathikus (Teil des vegetativen Nervensystems), der mitunter die Tätigkeit fast aller innerer Organe reguliert“, erklärt Barth.
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In Akutphase sollten Physiotherapeuten konservativ behandeln
„Die Physiotherapeuten müssen in die Corona-Behandlung mit eingebunden werden, damit das Verkleben der Lunge in der Akutphase konservativ verhindert wird. Die Lage in den Kliniken könnte ja schon bald viel schlimmer sein und wir haben allein in Hagen viele gut ausgebildete Physiotherapeuten, die das können.“
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Das würde den Therapeuten Karten spielen. Landesweit halten sich viele zur Corona-Risikogruppe gehörenden Patienten von den Physio-Praxen fern. Die sogenannten Heilmittelerbringer haben schwere Umsatzverluste zu verzeichnen. Und noch ist nicht klar, ob sie von der Bundesregierung durch ein Rettungspaket abgedeckt werden. Die Heilmittelbereiche leiden seit Jahren unter geringen Vergütungssätzen. Als Teil des Gesundheitssystems sind sie zwar systemrelevant – doch fehlende Überweisungen, ausbleibende staatliche Hilfen und vor allem die Verunsicherung der Patienten bedrohen ihre Existenz.