Hagen. Zwei von zehn Mitgliedern des Kollegiums der Grundschule Hagen-Eckesey sind männlich: ein Phänomen angesichts der Frauen-Dominanz in diesem Beruf.
Der Anteil der Männer unter den Grundschullehrern in Hagen ist ausgesprochen gering. Waren im Schuljahr 2013/14 noch 7,8 Prozent aller Pauker männlich, sind es inzwischen 5,6 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Nur 26 der 468 Grundschullehrer in Hagen sind Männer.
Dennoch kann diese Entwicklung nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Lehrerberuf an Grundschulen in der Vergangenheit immer mehr zu einer Frauendomäne geworden ist. Deshalb ist es auch außergewöhnlich, wenn an einer relativ kleinen Grundschule wie der Gebrüder-Grimm-Schule in Eckesey zwei von zehn Mitgliedern des Kollegiums (und damit 20 Prozent) männlich sind: Johannes Doroschewski (34) und Nils Deweer (33) üben ihren Beruf mit solcher Begeisterung aus, dass sie sich eine andere Tätigkeit gar nicht vorstellen mögen: „Ich wollte immer mit Kindern arbeiten“, so Doroschewski: „Aber Kinder im Kindergartenalter sind mir zu jung, und als Teenager sind sie zu alt. Ich möchte nicht an einer weiterführenden Schule Lehrer sein. Die Grundschule passt genau zu mir.“
Auf die herkömmlichen Geschlechterrollen wollen sich die beiden Pädagogen nicht festlegen lassen, im Gegenteil: „Zwischen Lehrern und Lehrerinnen gibt es keine nennenswerten Unterschiede“, sagt Deweer: „Zumindest an unserer Schule ist das so. Wir ergänzen uns gegenseitig. Typisch Mann oder typisch Frau – das gibt es hier nicht.“
Umwerfende Resonanz
Die Motivation für ihren Beruf speist sich vor allem aus der Begeisterungsfähigkeit, die Kinder im Grundschulalter auszeichnet. Wenn man an ihre Interessen anknüpfe und Aufgaben im Unterricht mit Fragestellungen aus dem persönlichen Umfeld der Kinder verbinde, dann erfahre man als Lehrer eine geradezu umwerfende Resonanz. „Es ist entscheidend, die kindliche Lebenswirklichkeit in den Unterricht zu transportieren“, sagt Deweer: „Wenn das gelingt, kann man sich als Lehrer immer mehr zurücknehmen, weil die Kinder anfangen selbstständiger zu arbeiten.“
Auch interessant
Sein Kollege nennt ein Beispiel aus dem Mathematikunterricht, in dem er Rechenaufgaben zum Abwasserverbrauch gestellt habe: „Da war es mucksmäuschenstill in der Klasse, weil die Kinder wissen wollten, wohin das Wasser eigentlich verschwindet.“
Auch wenn das Geschlecht eines Lehrers unerheblich sei und es einzig auf die pädagogischen Qualitäten und Inhalte ankomme, so plädieren Doroschewski und Deweer doch dafür, mehr Männer für den Lehrberuf an Grundschulen zu gewinnen. Ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen sei wichtig, um den Kindern – vor allem jenen Kindern, die allein bei ihrer Mutter aufwachsen – zu zeigen, dass es auch ein männliches Leit- bzw. Gegenbild gebe.
Wachsendes Aufgabenspektrum
Warum so wenig Männer an Grundschulen tätig sind, kann auch die Hagener Schulrätin Dagmar Speckmann nur vermuten: „Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, dass es an der Bezahlung liegt.“ An den weiterführenden Schulen verdienten Lehrer mehr als an der Grundschule. Vom fachlichen Standpunkt aus und was die Qualität angehe sei es unerheblich, ob Frauen oder Männer unterrichteten.
Auch interessant
Doch wäre ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter sowohl für die Kinder als auch für das Kollegium wünschenswert, so Frau Speckmann. Angesichts des ständig wachsenden Aufgabenspektrums der Pädagogen, welches Inklusion, Integration und vieles mehr umfasse, wünsche sie sich eine höhere Wertschätzung für den Lehrerberuf: „Das könnte dann sicherlich dazu beitragen, dass mehr Männer diesen Beruf ergreifen.“ Auch die Schulrätin ist überzeugt davon, dass vor allem die Kinder allein erziehender Mütter unbedingt ein männliches Gegenbild kennenlernen sollten.
Ungleichgewicht
Gegenwärtig sind 442 Frauen und 26 Männer an den Hagener Grundschulen tätig.
Sie unterrichten als Grundschullehrer, als Lehrer für Sonderpädagogik, als sozialpädagogische Fachkräfte in der Schuleingangsphase sowie als Lehrer für herkunftssprachlichen Unterricht.
An der Grundschule Henry van de Velde sind derzeit sieben Männer als Klassenlehrer (4), Fachlehrer (2) sowie als studentische Aushilfslehrer (1) tätig.
Bisweilen spüre man schon, dass man für manche Schüler eine Art Vater-Ersatz sei, bestätigen Doroschewski und Deweer. Noch wichtiger ist ihnen jedoch, dass sie den Kindern nicht nur als Autoritäts-, sondern vor allem als Vertrauensperson gegenübertreten: „Denn ohne Vertrauen kommt man mit Kindern erst gar nicht ins Gespräch.“