Hagen. Das Friedenskomitee Hagen lädt für Donnerstag im Volkspark zu einer Kundgebung gegen Rassismus. Der Initiator erklärt die Hintergründe.

Zu einer Kundgebung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Rassismus ruft das Friedenskomitee Hagen kurzfristig für den heutigen Donnerstag, 17 Uhr, vor der Konzertmuschel im Volkspark auf. Hintergrund ist der rassistisch motivierte Anschlag auf eine Shisha-Bar sowie einen Kiosk in Hanau, bei dem zehn Menschen von einem rechtsradikalen Täter erschossen wurden. Über den Anschlag, über die jüngsten Drohung gegenüber einer Hasper Moschee sowie über die Demonstration sprach unsere Zeitung mit dem Hagener Lüfti Salman (34), Lehrer an der Gesamtschule Iserlohn und Mit-Initiator der Kundgebung.

Einladung an Hagener

Lüfti Salman, Sinan Akbaba, Ercan Atay sowie Sükrü Budak, Vorsitzender des Integrationsrats der Stadt, haben im Namen des Friedenskomitee für den heutigen Donnerstag, 27. Februar, 17 Uhr, zu einer Kundgebung gegen Rassismus im Volkspark eingeladen. Alle Hagener, die sich der demokratischen Grundordnung verpflichtet fühlen, sind eingeladen, daran teilzunehmen.

Sie selbst haben ja selbst einen Migrationshintergrund. Auf welche besondere Art bewegt Sie der Anschlag von Hanau?

Eines vielleicht vorab: Meine Eltern stammen aus der Türkei. Ich selbst bin in Hagen geboren, bin hier aufgewachsen. Ich finde das Land, in dem ich lebe, sehr schön. Die Pluralität macht Deutschland aus. Ich fühle mich nicht als Migrant. Ich bin Mitglied dieser Gesellschaft – so wie wir alle es sind. Und dieser Anschlag ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft, auf unsere Demokratie, nicht nur auf Menschen mit Migrationshintergrund. So sehe ich das.


Großeinsatz- Bombendrohung gegen Hagener Moschee

file799g9a72oldpevu11pre
file799g99o5t9dh5l31qbx
file799g987wczo15efrt1sf5
file799g97p9s49vqby11ke2
file799g978mcb7rzueslfx
file799g96pxx9v1h693o1ke2
file799g9646womdbyx81tc0
file799dxvmudy8gxqrwm2d
file799dxr6d3wg146gotnnn
1/9

Warum haben Sie sich gemeinsam mit anderen entschlossen, diese Demonstration anzumelden?

Was da in Hanau passiert ist, solche Anschläge – das kann man nicht schweigend hinnehmen. Damit würden wir den Tätern den Raum geben, den sie sich erhoffen. Ich will nicht länger einfach nur zuschauen. Ich will etwas erreichen, will ein Bewusstsein wecken dafür, dass Attentäter nicht nur Migranten, sondern unsere Gesellschaft angreifen. Deshalb gehe ich auf die Straße.


Sie unterrichten in Iserlohn. Warum haben Sie zu der Veranstaltung in Hagen eingeladen?

Ich lebe mit meiner Frau und meiner Tochter in Hagen. Es war mir ein Anliegen, hier vor Ort etwas zu tun. Teilweise nehme ich eine Ohnmacht wahr. Das mag auch daran liegen, dass einzelne Organisationen nicht so gut miteinander können. Da war es mir wichtig, ein Zeichen zu setzen.


Auch interessant

Hat da auch die Drohung einer rechtsradikalen Organisation gegen eine Moschee in Haspe vor einigen Tagen eine Rolle gespielt?

Natürlich habe ich mich auch damit beschäftigt. Aber genauso große Sorge bereiten mir Kommentare, die Menschen auch unter Zeitungsartikeln in den sozialen Netzwerken posten. Was da im vermeintlichen Schutz der Anonymität geäußert wird, geht weit über die Grenze dessen hinaus, was man einfach so tolerieren kann. Und ich denke, dass dort Menschen aktiv sind, die sich im direkten Gespräch mir gegenüber ganz anders äußern würden.


Auch interessant

Macht Ihnen das Angst?

Es hat eine Zeit gegeben, da habe ich schon überlegt: Will ich das noch? Will ich das weiter aushalten? Ich hatte Angebote von Schulen im Ausland, hätte Deutschland verlassen können. Aber das ist meine Heimat. Eigentlich fühle ich mich hier doch wohl. Davonlaufen ist keine Alternative für mich. Aber ich will auch nicht warten, bis der Reichstag ein zweites Mal brennt. Das darf nie wieder passieren.


Erleben Sie denn selbst Diskriminierung und Rassismus?

In meiner Jugend, während meiner Schulzeit immer wieder. Ich möchte aber nicht, dass meine Tochter, die ja in dritter Generation hier lebt, so etwas noch ertragen muss.


Auch interessant

Geben Sie doch mal ein Beispiel...

Es gibt ja sehr bewusste, aber auch unbewusste Diskriminierung. Vielleicht verdeutlicht das diese Anekdote: Mit meiner Tochter waren meine Frau, die blonde Haare hat, und ich zur Schuleingangsuntersuchung. Ich habe das Geschehen eigentlich nur verfolgt, meine Frau mit der Ärztin gesprochen. Am Ende der Untersuchung guckt mich die Ärztin mit großen Augen an, spricht betont deutlich und fragt: Können Sie Deutsch? Haben Sie alles verstanden? Nun ja: Ich bin hier geboren, hier aufgewachsen, spreche fließend Deutsch, habe Germanistik studiert – aber Menschen beurteilen mich immer noch aufgrund meines Aussehens.


Welche Rolle spielen Rassismus und Diskriminierung bei Ihnen an der Schule?

Ich bin bei der Bezirksregierung Düsseldorf Moderator für das EU-Programm Erasmus plus, ich engagiere mich politisch, bin im Vorstand der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Iserlohn, habe Preise gewonnen für meine Integrationsarbeit. Das Diversitätsbewusstsein meiner Schüler im Unterricht zu schärfen – das ist mir ein großes Anliegen.