Iserlohn/Hagen. Elf Menschen sterben durch rechten Terror in Hanau. In den Shisha-Bars der Region herrschen Trauer und Wut, aber auch eine Art Trotz.

An der Wand hängen Fernseher, auf denen Kaminfeuer lodert. Dünne Leuchtstofflampen an der Wand und unter der Decke tauchen den Raum abwechselnd in violettes, grünes, gelbes Licht. Rap-Musik schallt aus den Boxen, die Sitzbänke sind mit silbernem Stoff überzogen. Die Shisha-Bar nahe der Iserlohner Innenstadt öffnet am Donnerstagnachmittag. Wie sonst auch. Alles wie immer. Nur das Deutschland drumherum ist ein anderes nach dem Terror-Akt in den Shisha-Bars von Hanau , der elf Menschenleben kostete.

Freunde und Familie in der Shisha-Bar

„Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, ob es gefährlich ist oder nicht, hierher zu fahren“, sagt Zeki, dünner Bart, schwarze Brille, freundliches Lächeln. Er ist Mitarbeiter, hat den Laden gerade aufgeschlossen. Zeki ist in Iserlohn geboren, hat albanische Wurzeln. Den Laden besuchten viele Freunde und Familie, „viele Kanaken, wie ich“, sagt er und lacht. Die Gäste kämen vornehmlich am Abend, um gemeinsam zu essen, zu trinken. Cocktails gibt‘s auch, zumindest die, die ohne Alkohol sind. Hanau sei Hanau. „So etwas passiert hier in Iserlohn nicht.“

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In Hanau werden die Menschen das gleiche gedacht haben. Das ist ja offenbar der perfide Plan des rechten Terrors: Mit barbarischen Akten wie jenem in Hessen in die Köpfe der Menschen zu gelangen und Angst zu verbreiten. Oder zumindest Unsicherheit. „Die Terroristen kriegen uns nicht unter“, sagt Zeki.

„Es hätte genauso gut uns treffen können“

Bekir kommt rein. Ein Bär von einem Mann. Stammgast. Er setzt sich neben die Tür, die Wasserpfeife wird gereicht, Geschmacksrichtung: Traube, Limette, Minze. Bekir ist Türke. „Es ist schei...e, was passiert ist“, sagt er und atmet den dichten weißen Rauch in die Luft. „Es hätte genauso gut uns treffen können. Kann gut sein, dass solche Taten uns Ausländer verängstigen sollen. Aber wenn es danach geht, ist man ja nirgendwo mehr sicher. Dann darfst du ja gar nicht mehr rausgehen.“

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Die Art, wie er das sagt, lässt keinen Zweifel, dass er das für absurd hält. Und dass er Deutschland trotz der drei rechtsextremen Anschläge in den vergangenen neun Monaten für das gleiche Land hält wie immer. Zumindest das Deutschland vor seiner Tür, in dem alle mit allen auskommen, wie er sagt: Türken, Russen, Deutsche, Albaner. Er denkt gar nicht daran, irgendwas zu ändern. „Ich gehe auch weiterhin in die Moschee und bete dort.“

Die Shisha-Bar als Wurzel der Ausländerkriminalität?

Sein Café wird Marten Marcus die nächsten Tage mit einem „ungemütlichen Gefühl“ betreten, sagt der 25-jährige gebürtige Iraker, der Betreiber der Wittener „Daud Lounge“ ist. Die Bluttat sei ein „unglaublich trauriges Massaker“ – aber auch der Höhepunkt von wachsenden Ressentiments, die er als Shisha-Café-Inhaber zunehmend spüre. „Eine ganze Branche wird immer mehr durch den Dreck gezogen,“ sagt er. „Und das befördert den Rassismus.“

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Die „Daud Lounge“ ist immer wieder auch Ziel der landesweiten Großrazzien, die zur Kernstrategie von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Kampf gegen Clan-Kriminalität gehören. Zuletzt wurde Marcus Ende 2019 überrascht. „Die stürmen mit über 50 Männern hier rein, brüllen uns an – und gehen mit leeren Händen raus“, sagt er. Marcus nennt die Einsätze „unverhältnismäßig“ – und glaubt, dass durch sie vor allem eines gestärkt werde: das „Klischee“ der Shisha-Bar als Wurzel der Ausländerkriminalität. „Viele Leute setzten die Bars nur mit Clans, Schwarzarbeit und Geldwäsche in Verbindung. Bei uns gibt es nicht mal Alkohol und keine Spielautomaten.“

Hoher Ausländeranteil

Emil Tagiyer ist Betreiber der Shisha-Bar „El Dorado“ im Oberhausener Zentrum. „Ich bin schockiert“, sagt der junge Mann über die Tat von Hanau. Nicht ausmalen will er sich, was jemand wie Tobias R. in der Oberhausener Altstadt hätte ausrichten können. „Hier liegen die meisten Shisha-Bars nebeneinander, der Ausländeranteil ist sehr hoch – viele Rumänen, Bulgaren, Araber.“ In den Shisha-Bars würden sie alle zusammenkommen – für einen Rechtsradikalen „das perfekte Ziel“.