Hagen. Das zentrale Ziel ist offen: In den Vergleichsverhandlungen mit der Deutschen Umwelthilfe sind Diesel-Fahrverbote für Hagen noch nicht vom Tisch.
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Das drohende Szenario von Diesel-Fahrverboten in der Hagener Innenstadt scheint noch nicht abgewendet. Im Umfeld des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster wurde am Dienstagabend informell bekannt, dass es in den Vergleichsverhandlungen zum Hagener Luftreinhalteplan noch kein klares Ergebnis gebe. Ursprünglich saßen das Land NRW, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie die Stadt Hagen unter OVG-Moderation an einem Tisch, um das laufende Klageverfahren gegen die Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen (NO₂) auf dem Innenstadtring mit einem Vergleich abzuschließen. Da sämtliche Parteien zunächst Stillschweigen zu dem Verhandlungsergebnis vereinbarten, bleiben die konkreten Details des Austauschs bis zu einer offiziellen Mitteilung des Gerichts am 28. Februar offen.
Stadt bietet zwei Maßnahmenpakete
Im Vorfeld der Gespräche mit der DUH hatte die Stadt Hagen in Abstimmung mit der Bezirksregierung Arnsberg und dem Land im Rahmen eines Vergleichsentwurfs bereits zwei Akut-Maßnahmenpakete entwickelt, die bis zum Juli in den Luftreinhalteplan einfließen sollen. Ihr wesentliches Ziel ist es, dass der seit 2010 geforderte EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm/Kubikmeter (μg/m³) künftig auch am Graf-von-Galen-Ring sowie in der Finanzamtsschlucht eingehalten wird. Zuletzt wurden hier im Jahresmittel noch 45 μg/m³ gemessen.
„Wir müssen einen Weg finden, der Fahrverbote vermeidet. Dafür haben wir alles Notwendige auf den Weg gebracht“, hatte Oberbürgermeister Erik O. Schulz bereits im Vorfeld der Gespräche deutlich gemacht. „Das Ergebnis hat unmittelbare Auswirkungen für alle Menschen, die in Hagen leben und arbeiten.“ Sollten bei dem Vergleich dennoch Fahrverbote gefordert werden, wolle die Stadt es auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts ankommen lassen, steckte der Verwaltungschef die Schmerzgrenze der Stadt ab.
Neben den bereits eingefädelten Projekten im Rahmen der politisch längst beschlossenen Mobilitätswende für Hagen (siehe Infobox), möchte die Stadt durch weitere Eingriffe am Innenstadtring dafür sorgen, dass die Luftsituation in der City den gesetzlichen Vorgaben entspricht: „Bis Ende 2020 möchten wir die Grenzwerte unterschreiten – und zwar dauerhaft“, skizzierte Umweltdezernent Thomas Huyeng das Ziel. „Sperrungen sind das mildeste Mittel, um unter den 40er-Wert zu kommen“, bewertete Baudezernent Hennig Keune nach dem bereits verhängten Tempo-30-Limit die Vorschläge der Stadt. Ein wesentlicher Mosaikstein ist dabei bis März die Sperrung einer Linksabbiegerspur von der Heinitzstraße in Richtung Finanzamtsschlucht, die zweite bleibt offen. Parallel wird in Kürze die Bahnhofshinterfahrung eröffnet, die Arbeitsamtsrampe gesperrt sowie eine weitere Busspur in der Körnerstraße etabliert. Dadurch soll die Verkehrszahl am Bahnhof um etwa 11.200 sowie in der Finanzamtsschlucht um 7800 Fahrzeuge/Tag sinken.
Vielfältiges Maßnahmenpaket
Parallel zu den Einschnitten auf dem Innenstadtring verweist die Stadt Hagen in dem Vergleichsangebot an die Deutsche Umwelthilfe noch auf folgende Maßnahmen: Verkehrsabhängige Steuerung der Ampelanlagen durch weitere Digitalisierung, weitere Parkraumreduzierung in der City (außer für E-Fahrzeuge), Stärkung des Park & Ride-Angebotes, Ausbau des ÖPNV-Netzes sowie Umrüstung der Busflotte.
Außerdem sollen der Ausbau des Bike & Ride-Angebotes, die Umrüstung des kommunalen Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge, Ausbau der Ladeinfrastruktur (433 Ladepunkte bis 2030), Einführung von Elektro-Taxen, Aufbau eines Car-Sharing-Angebotes, systematische Erweiterung des Radwegenetzes und der Fahrradinfrastruktur, Etablierung eines City-Paketdienstsystems und die Fuhrparkumstellung beim Wirtschaftsbetrieb sowie beim Entsorgungsbetrieb vorangetrieben werden.
Weitere positive Effekte für die Luftqualität in der Innenstadt verspricht sich die Stadt zudem von der sogenannten „Schlaufenerschließung auf dem Innenstadtring“. In einer Machbarkeitsstudie, die in diesem Jahr auf den Weg gebracht wird, soll die Umsetzung und Sinnhaftigkeit überprüft werden. Eine Umsetzung kann frühestens im Jahr 2023 erfolgen, wenn die neue Marktbrücke steht. Die Gutachter des Masterplans Mobilität versprechen sich von einem zweispurigen Einbahnstraßen-Innenstadtring im Uhrzeigersinn ein Minus der Stickstoffdioxid-Werte an kritischen Messpunkten von mindestens 12 µg/m³.
Eine Spur weniger auf dem Ring
Eine weitere Sperrung auf dem Innenstadtring ist für das Jahr 2021 vorgesehen, wenn über zwei Jahre die Marktbrücke saniert, somit voll gesperrt wird und es absehbar zu einer Verdichtung des City-Verkehrs kommt. Um dennoch die Einhaltung der Grenzwerte nicht zu gefährden, werden für den Abschnitt zwischen Marktbrücke und Emilienplatz dann nur noch drei Fahrstreifen (zwei in Richtung Stadthalle, einer in Richtung Emilienplatz) freigegeben und somit ein weiteres Nadelöhr geschaffen. Im Gegenzug soll dann die zweite Linksabbiegerspur von der Heinitzstraße wieder freigegeben werden. Darüber hinaus soll ab 2022/23 die Bahnhofstraße für den Fahrradverkehr umgebaut werden. Dazu soll auf einer Seite der Parkstreifen zugunsten eines Radweges verschwinden.
Ob all diese Maßnahmen ausreichend greifen, so sieht es der Vergleichsentwurf vor, wird bei kontinuierlichen Luftwertkontrollen dokumentiert, deren Ergebnisse auch an die DUH weitergeleitet werden. Liegt Hagen im Sommer 2021 noch immer über den NO₂-Limits, würde – so das Angebot der Stadt – noch ein zweites Maßnahmenpaket greifen. Dieses sieht dann sogar vor, den Graf-von-Galen-Ring von vier auf zwei Spuren zu reduzieren. Außerdem könnte der Verkehrsfluss in die Finanzamtsschlucht durch restriktive Ampelschaltungen und eine erneute Sperrung einer Linksabbiegerspur aus der Heinitzstraße noch weiter ausgedünnt werden.