Hagen. Ihre Tochter ist schwerstbehindert, doch jetzt muss Annette Lorenz selbst am Herzen behandelt werden. Die Kasse verweigerte die Kostenübernahme.

Das Leben von Annette Lorenz (48) aus Helfe spitzt sich gerade dramatisch zu. Am Dienstag muss sie sich im Boeler Johannes-Hospital einer Herzkatheteruntersuchung unterziehen und mindestens eine Nacht in der Klinik bleiben. Wohin aber in dieser Zeit mit ihrer schwerstbehinderten Tochter Monja (11), die ohne ihre Mutter nicht sein kann? „Ich kann sie ja nicht alleine lassen“, so die Mutter.

Doch so einfach ist das nicht. Zwar ist die Pflegekasse generell verpflichtet, eine Unterbringung in einer Kurzzeitpflege zu übernehmen. Doch für die Kosten, die Auf- und Abbau eines Spezialbettes verursachen, auf das Monja dringend angewiesen ist, wollte die Kasse zunächst nicht aufkommen, weil sie dazu auch nicht verpflichtet ist.

Das Mädchen Monja ist sowohl geistig als auch körperlich zu 100 Prozent behindert. Eine genaue Diagnose der tückischen Erkrankung haben die Ärzte nie stellen können; fest steht, dass ein angeborener Gendefekt an dem Leiden beteiligt ist. Annette Lorenz hat ihren Job aufgegeben, um sich rund um die Uhr um die hilflose Tochter kümmern zu können. „Mein Alltag dreht sich um das Kind“, sagt sie. Inzwischen besucht Monja tagsüber die Oberlin-Schule für schwerstbehinderte Kinder in Volmarstein.

Mutter kennt ihr Kind ganz genau

Das Mädchen leidet auch an Epilepsie. Zwar waren die Anfälle eine Zeitlang verschwunden, doch seit kurzem sind sie zurückgekehrt. Damit sie geborgen ist, benötigt Monja ein spezielles Bett, das 2,20 Meter lang und rund 1,50 Meter hoch ist. Bisweilen gelingt es ihr, sich an den Bettstangen hochzuziehen und auf den Knien zu verharren, doch dann lässt sie sich unkontrolliert fallen. Der überdimensionale Bettrahmen verhindert, dass sie aus dem Bett stürzt und sich schwer verletzt.

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Das Leben mit ihrer Tochter kostet die Mutter viel Kraft. Doch sie liebt ihr Kind und würde alles für es tun. Monja kann nicht sprechen, aber Laute ausstoßen, und an ihrer Mimik und Gestik kann die Mutter ihre Stimmung ablesen: „Dann weiß ich, ob sie fröhlich ist oder Schmerzen hat.“ Annette Lorenz hat noch drei weitere Kinder, die bereits erwachsen sind und auf eigenen Füßen stehen.

Stent oder Bypass

Jetzt aber ist die Mutter selbst erkrankt. Ein Arzt hat Arteriosklerose diagnostiziert, per Herzkatheter will man im Johannes-Hospital herausfinden, ob sie einen Stent oder gar einen Bypass benötigt. Als sie der Barmer Ersatzkasse von der bevorstehenden Untersuchung berichtete und darum bat, Monja mit in die Klinik nehmen zu dürfen, lehnte der Sachbearbeiter ab. Stattdessen habe er ihr eine Liste mit Adressen von Altenheimen und Hospizen in Hagen und Umgebung in die Hand gedrückt. „Ich sollte dort anrufen und mich nach einer Unterbringungsmöglichkeit für Monja erkundigen“, so die Mutter: „Alle Häuser haben jedoch abgelehnt.“

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In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an unsere Zeitung. Schließlich rückt der Untersuchungstermin unaufhaltsam näher, und wenn sie nicht behandelt wird, kann Annette Lorenz bald an einem Herzinfarkt sterben. Nachdem wir bei der Barmer angerufen hatten, erklärte sich die Krankenkasse zur Kostenübernahme für den Transport, Ab- und Aufbau von Monjas Pflegebett bereit. „Leider ist bei der Kommunikation mit Monjas Mutter einiges schiefgelaufen, das bedauern wir sehr“, teilte Barmer-Sprecherin Sara Rebein mit: „Unsere Mitarbeiter hätten Frau Lorenz näher über die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme informieren müssen. Dafür haben wir uns bei Frau Lorenz entschuldigt. Mit den betroffenen Mitarbeitern haben wir ebenfalls gesprochen.“

Kurzzeitpflege ist eine Antragsleistung

Bei der Kurzzeitpflege, wie jetzt in Monjas Fall, handelt es sich um eine Antragsleistung: Pflegekassen müssen den Aufenthalt im von der Pflegeperson gewählten Haus genehmigen.

Dadurch erfahren die Kassen, um es geht und wie die Ausstattung dort ist.

Monja kann also nun in die Kurzzeitpflege und wird in einer Einrichtung der Stiftung Volmarstein untergebracht. Nun steht der Herzkatheteruntersuchung von Annette Lorenz nichts mehr im Weg. Das, was mit ihrer Tochter passieren würde, wenn sie tatsächlich einen Herzinfarkt erleiden würde, will sie sich lieber gar nicht vorstellen.