Hagen-Mitte. Das Kinderwunschzentrum am Volkspark ist ein Ort, an dem für viele Paare lange Leidenszeiten enden. Die Erfolgsquote ist des Zentrums macht Mut.

Da war diese eine Party in einem Freundeskreis, von der Dr. Birgit Lühr erzählt. Vier Paare, drei davon hatten zuletzt Kinder bekommen – das vierte nicht. Als die Männer alle ein paar Bier intus haben, will einer einen freundschaftlich-frotzelnden Spruch machen und sagt zu dem kinderlosen Freund: „Wann ist es eigentlich bei euch mal so weit? Oder soll ich mich mal um deine Frau kümmern?“ Ein Tiefschlag, der den ohnehin leidenden Mann nur noch tiefer in eine persönliche Krise stürzte. Ihm und seiner Frau wollte sich der jahrelange Kinderwunsch einfach nicht erfüllen.

Szenen wie eben beschrieben kennt Dr. Birgit Lühr zuhauf. Sie ist, wenn man so will, zum Glück in vielen dieser Fälle das Ende einer langen Leidenskette. Lühr ist die Leiterin des Hagener Kinderwunschzentrums „Freyja“, das vor vier Jahren am Volkspark eröffnet wurde. Lühr, die hier in der fünften Etage des Gebäudes, in dem auch die Deutsche Bank beheimatet ist, ein Wagnis einging, wurde extrem überrascht. „Der Standort läuft sehr gut“, freut sich Lühr. „Ich bin überrascht, wie gut das Kinderwunschzentrum hier angenommen wird.“

Dr. Birgit Lühr ist die Leiterin des Kinderwunschzentrums in Hagen.
Dr. Birgit Lühr ist die Leiterin des Kinderwunschzentrums in Hagen. © WP

Das hat mehrere Gründe. Hier sind die Patienten nicht nur eine Nummer und müssen in einem überfüllten Wartezimmer geduldig darauf warten, dass sie endlich aufgerufen werden, Lühr nimmt sich viel Zeit für ihre Patienten und betreut die Paare während der gesamten Kinderwunschzeit. Jedes Paar wird individuell beraten und erhält eine maßgeschneiderte Behandlungsstrategie.

Bislang nur eine reine Privat-Praxis

Leider ist das Zentrum bislang nur eine reine Privat-Praxis. Das ist eigentlich nicht in Lührs Sinne, aber es gibt derzeit keine Genehmigung für eine Kassen-Zulassung trotz wiederholter Bemühungen. Laut den Krankenkassen ist ein Kinderwunschzentrum mit Kassen-Zulassung im Umkreis von 80 Kilometern ausreichend, obwohl Hagen am Rand eines Ballungsgebietes liegt und in Großstädten durchaus auch mehrere Kinderwunschzentren zugelassen werden. Dennoch erhalten viele Paare Bezuschussungen aus dem NRW-Fond, wenn sie in Hagen die Kinderwunschbehandlung durchführen lassen. Bei gesetzlich versicherten Patienten würden in einem dafür zugelassenen Zentrum meist auch nur die Hälfte der Kosten von den Kassen übernommen.

Dr. Birgit Lühr und ihr Team haben eine hohe Erfolgsquote. Die Zahlen, die in Hagen erreicht werden, machen Mut. All jenen, die glauben, dass sie doch keine Kinder mehr kriegen können. „80 Prozent der Paare, die zu uns kommen, werden innerhalb von drei Behandlungsrunden schwanger“, sagt Lühr. Sehr vereinfacht könnte man sagen, dass bei der Behandlung Eizellen entnommen, befruchtet und wieder eingesetzt werden. Aber so einfach ist das nicht. Denn wer durch die Tür des Kinderwunschzentrums kommt, erfährt noch andere, wichtige Dinge über sich, deren Veränderung der Schlüssel zum Kindertraum sein können.

Ernährungstechnischer Teufelskreis stoppt die Fortpflanzung

„Es gibt mehrere Faktoren, die ausschlaggebend sind“, sagt Lühr. Umweltbelastungen durch Pestizide oder Antibiotika beispielsweise. Oder eine schlechte Ernährungsweise. „Obwohl wir in einer Überflussgesellschaft leben, haben viele Menschen starke Mangelerscheinungen“, sagt Birgit Lühr. Ein Beispiel sei das Thema Fleischkonsum. In Deutschland gibt es Studien zufolge über sieben Millionen Vegetarier. Der Frauen-Anteil darunter liegt bei 70 Prozent.

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Ein wesentlicher Treiber der Reproduktion des Menschen seien Proteine, sagt Lühr. Und die seien in Fleisch natürlich zuhauf vorhanden. Das Problem allerdings an dem handelsüblichen Fleisch, was der Großteil der Bevölkerung esse, sei der hohe Anteil an Antibiotika, meint Lühr. Es werde also Fleisch gegessen, dass gar kein richtiges Fleisch mehr sei. Ein ernährungstechnischer Teufelskreis, der sich auf die Fähigkeit, Kinder zu kriegen, auswirke. Dazu kommen Faktoren wie Stress-Level oder die Arbeits-und Alltagsbelastung.

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Oft sind es kleine Stellschrauben, an denen man drehen kann

Zehn bis 15 Prozent der Paare, so sagt Birgit Lühr, hätten einen unerfüllten Kinderwunsch. Teilweise verbergen sich hinter den einzelnen Fällen lange Leidenszeiten. Eine Frau wurde zuletzt mit 36 Jahren schwanger, nachdem sie genau das mit ihrem Partner elf Jahre vergeblich versucht hatte. Jetzt ist das gemeinsame Kind auf der Welt, nachdem das Paar den Gang in das Kinderwunschzentrum in Hagen angetreten hatte. „Es sind oft kleine Stellschrauben, an denen man drehen kann. Das ist von Fall zu Fall sehr verschieden und deswegen kann man nicht pauschal von nur einer Behandlungsmethode sprechen“, sagt Birgit Lühr.

Das Bild zeigt einen mit flüssigem Stickstoff gefüllten Behälter, der zum Einfrieren von Eizellen benutzt wird. d
Das Bild zeigt einen mit flüssigem Stickstoff gefüllten Behälter, der zum Einfrieren von Eizellen benutzt wird. d © dpa | Martti Kainulainen

Zyklusmonitoring, Insemination, Eizellenbefruchtung im Reagenzglas, Einfrieren von Eizellen, Spermienextraktionen oder klassische Samenspenden – das ist nur ein Auszug des Portfolios des Kinderwunschzentrums Hagen und zeigt wie vielseitig das Thema ist.

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Wer wirklich Hilfe benötige, finde den Weg in das Zentrum, das den Namen „Freyja“ trägt. Angelehnt an die nordische Wanengöttin der Liebe. „Die hoch spezialisierte Technik hat ihren Preis, das weiß ich“, sagt Birgit Lühr. Die Entwicklung sei umso schöner, weil das Zentrum letztlich auch ein Wunsch aus der Hagener Bevölkerung heraus gewesen sei.