Hagen-Eilpe. Fünf Jungen aus Hagen dürfen nicht mehr bei ihren Eltern leben. Im Herzenskinderhaus haben sie ein neues Zuhause gefunden.
Im Herzenskinderhaus wird heute abend die Wohnzimmertür verschlossen. Fünf Jungen besuchen das Krippenspiel in der Kirche, dann gibt es, wie es sich an Heiligabend in vielen Familien gehört, ein einfaches, aber feierliches Essen: Würstchen mit Kartoffelsalat. Und dann dürfen sie endlich doch ins Wohnzimmer hinüberwechseln, wo unter dem Tannenbaum die Geschenke liegen. „Ich hoffe, dass das hier der zweitbeste Lebensort für die Kinder ist“, sagt Volker Dornheim (41).
Die Jungen sind keine Geschwister. Und es ist auch keine Familie, die im ehemaligen Pfarrhaus der katholischen Herz-Jesu-Gemeinde in Eilpe zusammenlebt. Die Jungs sind nicht freiwillig hier. Und es geht ihnen doch gut, sie fühlen sich wohl. „Herzenskinder“ werden sie von den sieben Mitarbeitern im Haus genannt. „Ich mag diese Bezeichnung, weil sie einfach schön ist“, sagt Erzieherin Jennifer Birke. Und weil sie das ausdrückt, was Hausleiter Volker Dornheim, der als feste Bezugsperson mit im Haus lebt, und die anderen Erwachsenen für die fünf Jungs empfinden. „Wir sind keine Familie. Die Familie sind Mama und Papa. Das ist so und das bleibt auch so. Aber wir leben hier wie eine Familie zusammen“, sagt Dornheim.
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Jugendamt hat Kinder aus Elternhäusern geholt
Zwei Jahre ist es jetzt her, dass der Theologe und Erzieher einen Trägerverein gegründet hat, der das Herzenskinderhaus in enger Anbindung an die Kirchengemeinde Herz Jesu eröffnet hat. Die Jungen können aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren Eltern wohnen, aus Gründen, zu denen die Jungs selbst nichts können. Das Jugendamt hat sie aus ihren Elternhäusern geholt und in die Obhut des Herzenskinderhauses gegeben. Damit sie bekommen, was jedes Kind braucht: Geborgenheit, Wärme, Zuneigung, Regeln, eine Alltagsstruktur.
Im ehemaligen Pfarrhaus untergebracht
Die Unterbringung der Kinder im Herzenskinderhaus wird vom Jugendamt finanziert.
Nach dem Weggang des ehemaligen Pfarrers Bernhard Meschke stand das Pfarrhaus drei Jahre lang leer. Dann wurde es für die Bedürfnisse des Herzenskinderhauses umgebaut. Der katholischen Gemeinde Herz Jesu war es wichtig, dass das unter Denkmalschutz stehende, 1909 errichtete Gebäude weiterhin im christlichen Sinne genutzt wird.
Volker Dornheim ist katholischer Diplom-Theologe sowie Ehe-, Familien- und Lebensberater.
Das Konzept des Herzenskinderhauses baut darauf, dass sich die Kinder im Laufe der Zeit einleben und geborgen fühlen und auch dann, wenn sie 18 Jahre alt werden und das Haus verlassen müssen, Freunde und Ansprechpartner gefunden haben und sich in der Gemeinde geborgen fühlen.
Dornheim und einige weitere Mitarbeiter kommen selbst aus der Jugendhilfe und haben in großen Einrichtungen und Heimen gearbeitet, in denen die idealistische Berufsvorstellung schnell Ernüchterung wich: „Manche Heime sind wie Durchlauferhitzer. Ständig werden neue Kinder aufgenommen, je größer die Einrichtung, desto stärker die Fluktuation“, beklagt Dornheim: „Ich nenne es den Wahnsinn des Alltags.“ Es gehe um Geld und um Heimplätze, die belegt werden müssten. Den Kindern dauerhaft Zuwendung und Aufmerksamkeit zu geben, sei unter diesen Umständen kaum möglich.
Normalität in Alltag der Kinder einkehren lassen
Dies war denn auch ein wichtiges Motiv für die Gründung des Herzenskinderhauses: Normalität im Alltag der Kinder einkehren zu lassen. Das Leben der Jungen orientiert sich an einem festen Rhythmus von Schule, Hausaufgaben, Sport, Musik und Freizeit. Auch die Abendrunde ist ein täglicher Anknüpfungspunkt, dann sitzen die Jungs mit Dornheim zusammen und erzählen von dem, was sie am Tag erlebt haben und was gut war und was schlecht. Sie sind keine Brüder, aber sie leben wie Brüder zusammen, und wenn sich im Leben ihrer Eltern nicht unerwartet etwas zum Guten wendet, das das Jugendamt dazu veranlassen könnte, ihnen die Rückkehr in ihre Familie zu ermöglichen, dann werden sie bis zur Volljährigkeit im Herzenskinderhaus zusammenleben.
„Lasset die Kinder zu mir kommen“, hat Jesus doch gesagt. Natürlich gebe es Tage, an denen einen der Jungs die Sehnsucht nach seiner Mutter ergreife, sagt Dornheim. Kein Kind wünsche sich freiwillig, von seiner Mama getrennt zu leben, dann müsse schon sehr viel passieren. Aber man könne ja trotzdem versuchen, den Kindern etwas von dem Druck und den Sorgen, die auf diesen kleinen Seelen lasten, zu nehmen und ihnen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen und ihre Unterbringung nicht als bloße Verwahrung zu gestalten.
Dann ist schon viel erreicht.