Hagen. Ihr Berufs-Traum scheitert. Und zwar in Windeseile und aller Öffentlichkeit. Wie Sabrina Paul aus Hagen sich wieder aufrappelt und anderen hilft.

Das Scheitern kommt nicht langsam und in aller Stille, sondern schnell und öffentlich. Binnen weniger Tage ist Sabrina Paul klar, dass ihr großer Traum ein Trugschluss ist. Und dass er platzt, bekommt eine große Öffentlichkeit quasi live via Facebook mit. Doch die 28-jährige Hagenerin rappelt sich auf, gewinnt neue Kraft aus dem Scheitern und macht das Mutmachen heute quasi zu ihrem Beruf.

Als Coach hilft sie Menschen, sich auf ihre Stärken zu besinnen. Eine Entwicklung wie in einem Zeitraffer, denn was Sabrina Paul in den vergangenen Jahren beruflich erlebt hat, passt bei anderen in Jahrzehnte. „Ich bereue es nicht, auch wenn es hart war. Denn wenn ich es nicht getan hätte, wenn ich nicht versucht hätte, in Mallorca Fuß zu fassen, dann hätte ich immer diesem Traum nachgehangen. Jetzt weiß ich, was ich will und was mir wirklich wichtig ist“, sagt Sabrina Paul.

Fitness und gesundes Leben – das ist ihr großes Thema

Die heute 28-Jährige ist in Hohenlimburg aufgewachsen, nach der Schule absolviert sie eine Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin und Social-Media-Managerin. Doch schnell wird ihr klar, dass sie beruflich etwas anderes machen will. „Die Themen Fitness, gesunder Lebensstil und Abnehmen haben mich auch persönlich sehr interessiert“, sagte Sabrina Paul. „Und ich wollte das auch an andere Leute weitergeben.“

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Es wird der erste berufliche Wechsel. In Dortmund macht sie eine Ausbildung zur Fitnesstrainerin, arbeitet dort in einem Studio. Schnell wächst jedoch der Ehrgeiz in ihr. „Ich wollte ein Studio leiten.“ In Iserlohn geht dieser Traum schnell in Erfüllung, mit 24 Jahren steht sie einem 24-köpfigen Team vor. „Ich musste mich durchbeißen, es war nicht so, dass mich das Team unbedingt gewollt hat. Aber ich habe es geschafft“, sagt Sabrina Paul.

Das kann nicht alles sein: Der Sprung in die Selbstständigkeit

Nach zwei Jahren lässt sie aber den Vertrag auslaufen, wieder sagt ihr eine innere Stimme, dass das noch nicht alles sein kann. Sie wagt den Sprung in die Selbstständigkeit, bietet Kurse als Outdoor-Fitnesstrainerin an, auch junge Mütter mit ihren Babys gehören zur Zielgruppe: Zum Angebot gehören etwa im Fritz-Steinhoff-Park spezielle Sportkurse, bei denen Kind und Kinderwagen mit einbezogen werden. „Ich habe mein Gespartes eingesetzt, auch einen Gründungszuschuss bekommen, eigentlich lief das sehr gut.“

Personal Training und  Coaching – das sind heute die großen Themen von Sabrina Paul.
Personal Training und Coaching – das sind heute die großen Themen von Sabrina Paul. © WP | Michael Kleinrensing

Und Sabrina Paul nutzt auch hier schon das, was sie in ihrer ersten Ausbildung gelernt hat: Sie schafft Öffentlichkeit. Nicht nur, dass die Westfalenpost schon damals über sie berichtet. Sie fährt auch eine offensive Kampagne über Facebook, gewinnt so Kunden. Was sie macht, das findet öffentlich statt.

Und so erfährt eine breite Masse auch, dass sie sich recht schnell wieder beruflich verändern will. Ausschlaggebend ist eine Vertretung, die ihr angeboten wird. Sie soll bei einer Yoga-Reise auf Mallorca für den Leiter einspringen. „Die Reise hat mich so begeistert. Die Idee, eine Woche lang die Menschen aus ihrem Alltag zu holen, zu sich selbst zu kommen, und den Horizont zu erweitern. Das war mein Ding.“

Das lange gärende Gefühl: Ich will raus aus Hagen

Dazu kommt dieses schon lange in ihr gärende Gefühl: Ich will raus aus Hagen, aus der Stadt und dem Umfeld, in dem ich all die Jahre gelebt habe. „Ich hatte diesen Traum in mir, im Süden zu leben.“ Und obwohl die Geschäfte hier in Hagen gut laufen, die Kurse gut ausgebucht sind, beschließt sie Anfang 2018, völlig neu auf Mallorca anzufangen. „Ich habe meine Wohnung gekündigt, ich habe fast mein gesamtes Hab und Gut inklusive meines Autos verkauft. Was ich noch hatte, passte in fünf bis sechs Umzugskartons.“

Via Facebook lässt sie auch hier all die, die sie kennen, an den neuen Plänen teilhaben. Auch in der WP berichtet sie im Interview von ihrem großen Traum: der Selbstständigkeit auf der Mittelmeerinsel. Mit großem Elan geht sie die Sache an, doch dann vor Ort auf Mallorca holt sie die Realität schnell ein. Es ist nicht nur unbedingt das Haus, das sie sich mit einem anderen Trainer teilt, der andere Vorstellungen von Ordentlichkeit hat. Es sind nicht nur die Schwierigkeiten, dort auf Mallorca einen dauerhaften Kundenstamm aufzubauen. Sabrina Paul ist es ja gewohnt, sich durchzubeißen.

Die innere Stimme sagt plötzlich etwas ganz anderes

„Fuck up Night“: Junger Unternehmer und das Scheitern

Sabrina Paul redet auch öffentlich über den Wert des Scheiterns. Etwa bei der „Fuck up Night“, die die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer veranstaltet. Junge Unternehmer, die mit ihrer Idee gescheitert sind, die einmal gefallen, aber wieder aufgestanden sind, machen anderen Mut. „Ich habe mir schon die Frage gestellt: Ist das klug, so von deinem Fall vor einer größeren Menge zu sprechen“, sagt Sabrina Paul. „Aber ich habe schnell gemerkt, dass die Reaktionen sehr gut sind.“

Es ist vielmehr die innere Stimme, die sagt: „Sabrina, geh zurück.“„Ich habe gemerkt, dass ich doch ein ganz anderer Mensch bin, als ich gedacht habe. Mir haben sofort meine Familie und meine Freunde gefehlt, und auch mein berufliches Netzwerk. Bis dahin hatte ich die ganze Zeit Fernweh, ich wollte weg aus Hagen. Jetzt hatte ich das erste Mal das Gefühl von Heimweh.“

Es dauert nicht Wochen oder Monate, bis Sabrina Paul erkennt, dass sie wieder nach Hause will, es dauert nur Tage, bis sie sich sicher ist. Aber sie hat doch diesen Traum vom Leben und Arbeiten im Süden mit einer breiten Öffentlichkeit geteilt. Wie wird diese reagieren?

Zurück in Deutschland will sie sich nur verkriechen

„Ich habe auch dieses Scheitern ganz offen kommuniziert“, sagte Sabrina Paul. Aber gut geht es ihr damit nicht. „Zurück in Deutschland wollte ich mich erst einmal nur verkriechen. Ich hatte nichts, meine gesamten Ersparnisse waren weg, ich musste wieder bei meinen Eltern einziehen. Das war schon ein Tiefpunkt für mich. Ich war so klein mit Hut, hatte so wenig Selbstbewusstsein.“

Die öffentliche Sabrina Paul nimmt sich eine Auszeit. „Ich wollte mich erst wieder zeigen, wenn es mir besser geht.“ Sie nutzt diese tiefe Ebene, in der sie sich befindet, um sich die Frage zu stellen: Was kannst du überhaupt? Was willst du überhaupt? Und sie besinnt sich auf das, was sie eigentlich bei anderen immer erreicht hat: sie zu begeistern und zu motivieren.

Neuer Anlauf als Personal Coach

Als Personal Coach nimmt sie einen neuen Anlauf. „Zu meinen Kunden gehören oft Führungskräfte aus Unternehmen. Mit ihnen rede ich, mache ich auch Outdoor-Training und versuche dabei, sie in ihren Stärken zu kräftigen.“ Sie hat inzwischen ihre eigenen Praxisräume an der Bergstraße. Der Kundenstamm wächst. Sabrina Paul fühlt, dass sie angekommen ist. Das Scheitern, auch das öffentliche, gehört zu Sabrina Pauls Leben. Und sie ist sicher: es hat sie stärker gemacht.