Hagen. Die Tempo-Regelung vor dem Blitzer in der Finanzamtsschlucht bleibt ein Rätsel. Experten können die Haltung der Stadt nicht nachvollziehen.
Rund um die Stadt Hagen und ihre Haltung, mit der Beschilderung vor dem Super-Blitzer in der Finanzamtsschlucht alles richtig gemacht zu haben, wird es zunehmend einsam. Nachdem die WP bereits in der Samstagsausgabe berichtet hatte, dass der namhafte Hagener Verkehrsrechtler Jörg Elsner die Positionierung der Tempo-30-Schilder zumindest für die Autofahrer, die vom Remberg kommen, als fehlerhaft einordnet, machte am Montag auch ein Hagener Fahrlehrer im WP-Gespräch deutlich, dass zumindest für die Rechtsabbieger aus der Rathausstraße auf dem Märkischen Ring Tempo 50 gelte. Rechtsdezernent Thomas Huyeng hat derweil für die Stadt entschieden, ein weiteres 30er-Schild auf dem Märkischen Ring montieren zu lassen, um letzte rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen.
Stadt Hagen nimmt keine Bescheide zurück
Die Stadt Hagen plant keineswegs, bereits verschickte Buß- und Verwarngeldbescheide wieder zurückzuziehen. Hier will man es seitens der Behörden darauf ankommen lassen, dass ertappte Sünder mit ihrem Einspruch vors Amtsgericht ziehen und dort am Ende ein Richter über die Situation urteilt.
Seit dem 18. September ist der Blitzer in Fahrtrichtung Emilienplatz scharfgeschaltet. Bereits in der ersten Woche wurden 4700 Verstöße registriert, darunter 73 Bußgeldverfahren (mehr als 55 Euro Strafe).
Inzwischen sind die Zahlen durchaus rückläufig, allerdings wurden angesichts des erheblichen Volumens an Tempoverstößen die Briefe an die Sünder der vergangenen vier Wochen noch gar nicht verschickt.
Das sagt der Fahrlehrer
„Es handelt sich um eine neue Straße und damit muss der Verkehrsteilnehmer davon ausgehen, dass wieder Tempo 50 gilt“, bringt der Eilper Fahrschullehrer Christian Raffelt auch seinen Schülern an der Einmündung Rathausstraße/Märkischer Ring bei. Schließlich handele es sich ja nicht um eine 30er-Zone.
Das sagt der Jurist
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Denn wer vom Remberg kommt, wird zwar 20 Meter vor der Einmündung auf den Innenstadtring mit einem Tempo-30-Schild konfrontiert. Doch dieses, so Elsner (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins), beziehe sich lediglich auf die Rathausstraße. Danach gelten, so erläutert der Jurist, nur jene Verkehrszeichen, die dem Verkehrsteilnehmer auf dem neuen Streckenabschnitt begegnen – ein 30er-Limit ist bis zum Blitzer nicht dabei. Damit dürften Tausende Buß- und Verwarngelder, die seit dem 18. September dort aufgelaufen sind, juristisch auf wackeligen Füßen stehen, weil somit auf dem Abschnitt zumindest für die Rechtsabbieger wieder 50 km/h gelten. Dabei ist davon auszugehen, dass im Zweifelsfall sämtliche Ertappten für sich in Anspruch nehmen werden, genau auf diesem Wege auf den Ring eingebogen zu sein.
Das sagt das Ordnungsamt
Das städtische Ordnungsamt bleibt derweil bei seiner Haltung: „Wir gehen davon aus, dass unsere Rechtsauslegung korrekt ist“, blickt Amtsleiter Thomas Lichtenberg gelassen auf mögliche Auseinandersetzungen vor Gericht. „Kreuzungen heben keine Begrenzungen auf“, argumentiert er, „es sei denn, es kommt eine klare Aufhebung“. Außerdem dürfe man Autofahrern auch gesunden Menschenverstand unterstellen: „Wenn man ein Tempo-30-Schild mit dem Hinweis ,Luftreinhaltung’ passiert, muss doch jedem klar sein, dass das nicht wenige Meter weiter an der nächsten Einmündung endet“, sagt Lichtenberg. „Mir fehlt die Fantasie, wie man als Rechtsabbieger davon ausgehen kann, dass das Tempolimit nicht weiter gilt.“ Parallel fragt die Stadt in einem Schreiben an die Bezirksregierung noch einmal ab, wie die Rechtsauslegung der Arnsberger Kommunalaufsicht aussieht.
Dennoch arbeite die Stadt jetzt „mit Hosenträger und Gürtel“, will Lichtenberg angesichts der Montage eines weiteren 30er-Limits auf dem Ring von dem Eingeständnis eines Irrtums nichts wissen. „Wir machen die Situation jetzt noch rechtssicherer, um letzte Unsicherheiten zu beseitigen.“ Wann der Wirtschaftsbetrieb Hagen zwischen der Einmündung Rathausstraße und dem Blitzer jetzt das Extra-Schild montiert, steht noch völlig in den Sternen.
Das sagt die Polizei
Die Hagener Polizei möchte zurzeit keine Einschätzung zu der kniffeligen und daher strittigen Beschilderung rund um die Finanzamtsschlucht abgeben: „Die rechtliche Würdigung dieser speziellen Verkehrssituation obliegt der Stadt Hagen“, sagt Polizeidirektor Hubert Luhmann, Leiter der Direktion Verkehr.
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Und Polizeisprecher Sebastian Hirschberg ergänzt: „Wir kommentieren die rechtliche Bewertung einer anderen, in diesem Fall originär zuständigen Behörde nicht. Wir würden uns aber über eine rasche Klärung der Rechtslage freuen.“
Das sagt die Politik
Derweil werden die Geschwindigkeitskontrollen in der Finanzamtsschlucht nach den Herbstferien auch zum Thema in der Hagener Politik. Die Fraktion Bürger für Hohenlimburg/Piraten erwartet in der nächsten Sitzung des Umweltausschusses (30. Oktober), der auch für Verkehrsfragen verantwortlich ist, von der Verwaltung Aufklärung über die rechtliche Situation und die möglichen Konsequenzen.