Scheitern war ausdrücklich erlaubt. Aber sie scheiterten nicht, die zehn Förderschüler aus Hagen, die eine Fahrradtour bis zur Nordsee führte.

Es sei das schönste Erlebnis in seiner bisherigen Laufbahn als Lehrer gewesen, sagt Stefan Grade, Leiter der Förderschule Fritz Reuter in Boelerheide. Was ihn so begeistert hatte, war eine einwöchige Fahrradtour, die ihn mit Kollegin Jutta Holzweiler und zehn Schülern (alle zwischen 14 und 16) von Osnabrück an die Nordsee führte. „Vagabunden folgen dem Wind“, nannte sich die Gruppe, die ein ungeahntes Gemeinschaftsgefühl entwickelte, Durchhaltefähigkeiten zeigte und Organisationstalent bewies.

Die 210 Kilometer lange Radtour war Teil eines Herausforderungsprojektes, bei dem jeder Schüler mit Situationen konfrontiert werden sollte, die im alltäglichen Unterricht nicht vorkommen. Und vor solche Herausforderungen wurde die Gruppe des Öfteren gestellt – zum Beispiel beim Holzsammeln für das Lagerfeuer, wenn eines der Fahrräder eine Panne hatte oder bei einem nächtlichen Gewitter, bei dem die Schüler die Zelte vorsichtshalber verließen, um im Waschraum eines Campingplatzes auszuharren. „Solche Begebenheiten haben die Schüler nur noch mehr zusammengeschweißt“, berichtet Schulleiter Grade.

Ungeplante Aufenthalte

Die größte Herausforderung aber war es, abends eine Unterkunft zu finden. Denn das war Teil des Projektes, wie Grade erläuterte: „Die Schüler sollten ja Eigeninitiative entwickeln und zeigen, was in ihnen steckt.“

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Der erste ungeplante Aufenthalt führte die Gruppe zu einem Bauern, der gerade einen Zaun reparierte und den Schülern auf ihre Frage hin gestattete, die Zelte auf einem abgeernteten Feld aufzuschlagen. In der Nacht durften sie das Plumpsklo benutzen und am nächsten Morgen sogar mit dem Trecker mitfahren. „Außerdem hat uns der Mann seine Kühe und die Biogasanlage gezeigt“, sagt Nail Demir.

Auf einem Campingplatz.
Auf einem Campingplatz. © Reuter-Schule | Stefan Grade

Die darauffolgende Nacht verbrachte die Gruppe im Garten einer pensionierten Lehrerin in Varel. Dass es so viele nette, offene Menschen gibt, die ihnen Vertrauen entgegenbringen, sei für die Schüler eine überraschende Erfahrung gewesen, berichtet Grade: „Und sie haben ausgesprochen höflich reagiert und stets alles sauber hinterlassen.“

Über Stock und Stein

Die Fahrt führte über Stock und Stein, mal war es heiß, mal sanken die Temperaturen auf 15 Grad, und von Tag zu Tag wurde die Anstrengung spürbarer, ließen die Kräfte der Schüler etwas mehr nach. „Immer wieder wollte jemand aufgeben, aber dann hat er sich doch zusammengerissen und ist weitergefahren“, berichtet Alena Tutkou. Schließlich erreichten die Schüler Hooksiel im Wangerland, wo sie sich bei der Ankunft auf dem letzten Campingplatz ihrer Tour erschöpft zu Boden fallen ließen. Dennoch: „Ich würde am liebsten noch einmal eine solche Tour machen“, sagt Alena Tutkou stellvertretend für alle Mitschüler.

Wildniscamp mit Übernachtung im Wald

Die Fahrräder wurden den Schülern von Sponsoren zur Verfügung gestellt. An der Schule gibt es eine Mountain Bike AG.

Eine andere Projektgruppe der Fritz-Reuter-Schule begab sich in ein Wildniscamp incl. Übernachtung im Wald.

Die Fritz-Reuter-Schule wird von 220 Schülern besucht.

Die Zelte, mit denen sie am ersten Abend noch einige Mühe gehabt hatten, konnten die Jugendlichen am Ende im Schlaf aufbauen. Vor allem aber hatten sie Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit bewiesen. „Und das sind die Eigenschaften, mit denen sie ihr Arbeitsleben beginnen“, so Grade: „Sie haben auf dieser Tour erfahren, etwas wert zu sein.“ Dass sie sich in neuen Situationen zurechtgefunden haben, soll den Vagabunden zukünftig bei der Bewältigung privater und beruflicher Herausforderungen zugute kommen.