Hagen. Nachhaltigkeit, Mobilität und gesundes Leben. Warum wir in Hagen weiter genug Arbeitsplätze haben werden, wenn sich die Wirtschaft darum kümmert.

„So arbeitet Hagen“ – das war der Titel unserer großen Sommerserie, in der wir 42 verschiedene Menschen und ihre Berufe vorgestellt haben. „Wie arbeitet Hagen im Jahr 2030?“ – das ist zum Abschluss unserer Frage. Die Hagener Fernuni-Professorin Ulrike Baumöl kennt Antworten. Sie ist Leiterin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Informationsmanagement, und erkennt ein großes Potenzial in Hagen.

Hat die Wirtschaftswissenschaft schon eine Ahnung, wie die Arbeitswelt im Jahr 2030 aussehen wird?

Ulrike Baumöl Wir arbeiten an der Fernuni in einem vom Land NRW finanzierten Forschungscluster an Antworten. Wir schauen auf technische, aber genauso auf gesellschaftliche Entwicklungen. Die Digitalisierung ist dabei nicht ein rein technischer Prozess. Es geht vielmehr darum, Mega-Trends zu erkennen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Solche Mega-Trends, die Wirtschaft und Gesellschaft langfristig verändern werden, sind zum Beispiel die Themen Nachhaltigkeit, unsere Ansprüche an Mobilität und die Individualisierung, sprich: Wir wollen gesünder leben und wir wollen Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Aus diesen Mega-Trends folgen andere und neue Produkte und Dienstleistungen. Und daraus ergeben sich sich für Unternehmen auch die Fragen: Was müssen wir anbieten? Was wollen unsere Kunden? Und was bieten wir Mitarbeitern, damit sie sich wohlfühlen?

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Schauen wir auf Hagen: Hier sieht man sich oft als letzte richtige Industriestadt des Ruhrgebiets, weil es noch einen hohen Anteil an produzierendem Gewerbe gibt. Wird das in zehn Jahren eher ein Nachteil, weil der 3-D-Drucker diese Aufgaben übernommen hat?

Hagen hat sehr gute Chancen, wenn sich die Sichtweise erweitert, und die Unternehmen ganz genau schauen, was die Ansprüche der Gesellschaft künftig sind. Auch hier sind wieder die Stichwörter Individualisierung, Mobilität und Nachhaltigkeit als Mega-Trends wichtig. Es muss erkannt werden, was die Kunden wirklich wollen. Deshalb ist es wichtig, nicht zuerst an bestehende Stellen und Arbeitsplätze zu denken, sondern zu schauen, welche Kompetenzen in Zukunft wichtig sind, um genau die richtigen Produkte und Dienstleistungen zu erzeugen. Wie wollen wir leben? Und wie soll dies umgesetzt werden? Daraus ergibt sich dann auch, welche Arbeitsplätze wir benötigen.

Digitalisierung ist in aller Munde, aber

weiß das Gros der Betriebe tatsächlich schon, was dies bedeutet? Oder anders gefragt: Gibt es Bereiche in der Wirtschaft, im Handwerk oder im Dienstleistungssektor, die von der Digitalisierung „verschont“ bleiben?

Ich bin total davon überzeugt, dass es auch weiterhin viele Aufgaben geben wird, die nur der Mensch erfüllen kann. Dennoch bleibt bei vielen die große Angst, dass Menschen ihre Arbeit verlieren, weil Maschinen oder Roboter komplett die Arbeit übernehmen. Dabei zeigt die Geschichte, dass wir über alle Entwicklungen hinweg nicht weniger, sondern mehr arbeiten. Deshalb müssen wir uns auch im Zuge der Digitalisierung fragen: Was ist der Gesellschaft zuträglich? Welche Aufgaben sollen Maschinen und Roboter übernehmen und welche Chancen bietet hier die Digitalisierung? Aber welche Produkte und Dienstleistungen möchten wir auf der anderen Seite haben, die von Menschen erfüllt werden? Unsere bisherige Forschung hat schon gezeigt: Eine intelligentere Planung ist dabei sehr wichtig. Dann verliert der Roboter auch schnell seine Funktion als Schreckgespenst.

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Hagen hat eine hohe Zuwanderung von eher bildungsfernen EU-Bürgern aus Südosteuropa: Werden Sie 2030 eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben?

Für diese spezielle Frage bin ich nicht die Expertin, aber generell kann ich sagen: In jeder Gesellschaft gibt es Menschen, die Bildung wollen, aber auch Menschen, die sich Bildung eher verweigern. Der allergrößte Teil der Menschen will aber lernen. Und damit ist es unsere gesellschaftliche Aufgabe, die zu fördern und zu motivieren, die lernen wollen. Wir brauchen sie für die Zukunft der Arbeitswelt.

In Hagen gibt es viele Migranten mit guten Schulabschlüssen und Abitur. Auch angesichts des Fachkräftemangels: Setzt die Wirtschaft hier in Hagen tatsächlich schon auf Diversität?

So lange wir die Frage überhaupt noch stellen müssen, haben wir sicherlich das Problem der Integration noch nicht gelöst. Wie gesagt: Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft definieren, welche Produkte und Dienstleistungen wir wollen, und wo der Mensch tätig ist und wo die Maschine. Dann darf Alter, Geschlecht oder Herkunft eigentlich keine Rolle mehr spielen. Diversität wird ein wichtiger Bestandteil der künftigen Arbeitswelt sein, viele Unternehmen haben dies ja bereits bekannt. Viel wichtiger als Alter, Geschlecht oder Herkunft ist die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen.

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Hagen hat mit der Fernuni und der FH Südwestfalen zwei Hochschulen. Der Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wird immer wieder betont. Kann solch ein Austausch tatsächlich Arbeitsplätze sichern oder gar bringen?

Ich glaube, dass es in Hagen ein Riesenpotenzial gibt, dass Unternehmen mit den Hochschulen zusammen arbeiten zu können. Das geschieht heute schon vielfach. Viele Unternehmen könnten sich aber sicherlich noch mehr öffnen, das kostet Zeit, lohnt sich aber sehr, gerade weil es in Hagen sehr viele spannende Unternehmen gibt. Den Status Quo zu erhalten, wird nicht ausreichen. Das gewohnte Leben wird sich umstellen, daher müssen wir ergründen, was die Menschen wirklich wollen und gemeinsam ein Bild der Zukunft, eine Vision entwickeln.