Hagen/Neheim. Der Polizei Hagen ist ein Schlag gegen den illegalen Waffenhandel gelungen. Razzien bundesweit führten zu Festnahmen und zig Schusswaffen.

Die Hagener Polizei hat ihre Ermittlungen im Rockerkrieg ausgeweitet. Am Mittwochmorgen durchsuchte ein Großaufgebot von 130 Beamten insgesamt zwölf Immobilien in Dortmund, Lünen, Radevormwald, Menden, Duisburg, Remscheid und Wilhelmshaven, um den illegalen Waffenhandel zu bekämpfen. Neben Wohnungen wurden auch Werkstätten und eine Firma wegen des Verdachts des illegalen Waffenhandels durchsucht, zum Teil setzte die Polizei Spezialeinheiten ein. Mehrere Personen wurden vorläufig festgenommen, ein umfangreiches Arsenal an Waffen sichergestellt.

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Nach Auskunft des die Ermittlungen leitenden Staatsanwalts Schmelzer aus Arnsberg sind aus einer Waffenproduktionsfirma in Neheim mehrere Waffen verschwunden. Dies habe, unter Leitung der Dienststelle zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität des Hagener Polizeipräsidiums, zu umfangreichen Nachforschungen geführt, um den Zwischenhändlern und Endabnehmern der Waffen auf die Spur zu kommen.

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Der Hagener Rockerkrieg eskalierte

Auch im Hagener Rockerkrieg sollen einige der Waffen benutzt worden sein. Der Konflikt zwischen Bandidos und Freeway Riders in Hagen war in den vergangenen Jahren eskaliert und hatte zu blutigen Auseinandersetzungen geführt. Dabei kamen auch Schusswaffen zum Einsatz. Die meisten der am Mittwoch festgenommen Personen hätten mit dem Rockermilieu und den Geschehnissen in Hagen jedoch nichts zu tun, so Staatsanwalt Schmelzer.

Die Polizei zeigte die Waffen in Hagen.
Die Polizei zeigte die Waffen in Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

Die Polizei nannte am Mittwochnachmittag Details: So waren 2018 bei drei versuchten Tötungsdelikten in Hagen Waffen des Kalibers 22 als Tatwaffen verwendet worden, teilte die Polizei mit. „Bei Durchsuchungen im Dezember 2018 wurden beim Präsidenten und beim Vize-Präsidenten der Freeway Riders Hagen jeweils Pistolen der Marke Walther, Typ P 22, Kaliber 22, sichergestellt. Bei den Waffen fehlten die Seriennummer und die Beschusszeichen. Ermittlungen ergaben, dass die Waffe ausschließlich bei einem Waffenhersteller aus Arnsberg produziert wird“, berichtete die Polizei.

Polizei stellte bei Rockern bundesweit zahlreiche Waffen aus Arnsberg sicher

In der Folge habe die Polizei im vergangenen Jahre zahlreiche weitere Pistolen des gleichen Typs sichergestellt, unter anderem in Hagen, Lüdenscheid, Meschede, Bochum und Herne, davon mehrere im Rockmilieu. An allen der Pistolen hätten die in Deutschland vorgeschriebenen Beschuss- und Vertriebszeichen und die Waffennummer gefehlt, berichtete die Polizei am Mittwoch. „Da dieser Waffentyp ausschließlich bei der Firma in Arnsberg produziert wird, bestand der Verdacht, dass gegebenenfalls Mitarbeiter Waffen oder entsprechende Waffenteile vor der Endkontrolle und vor dem Anbringen der Beschusszeichen und Seriennummern Waffen aus der Firma entwendet und in Umlauf gebracht hatten“, vermutete die Polizei.

Damit sei auch Umarex in den Fokus der Ermittler gekommen, berichtete die Polizei. Im Spätsommer 2018 wurde gegen das Arnsberger Unternehmen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. In enger Absprache mit Umarex seien die dortigen Sicherheitsvorkehrungen „kontinuierlich optimiert“ worden, teilte die Polizei Hagen mit. Und es brachte die Ermittler voran.

Umarex-Mitarbeiter schmuggelte seit Jahren Waffen aus dem Betrieb

So wurde am 25. März diesen Jahres ein 47-jähriger aus Arnsberg gefasst, als er versucht hatte, einen Waffenlauf durch die Sicherheitskontrolle bei Umarex zu schleusen, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Es handelte sich um einen langjährigen Mitarbeiter des Unternehmens, der schließlich der Polizei zu einem Abnehmer der Waffen führte, der aus dem Märkischen Kreis kommt, berichtete die Polizei.

Bei dem 47-Jährigen selbst seien bei einer Durchsuchung zahlreiche Waffen und Waffenteile sichergestellt worden. Den Ermittlungen nach habe dieser Mitarbeiter mindestens seit 2016 mehrfach Waffenteile bei Umarex entwendet. Umarex selbst habe den Mitarbeiter inzwischen fristlos entlassen, teilte die Polizei mit.

Umarex: Ein- und Ausgangsschleusen wie an Flughäfen

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Geschäftsführer Eyck Pflaumer vom von Waffendiebstahl betroffenen Unternehmen Umarex in Neheim erklärte in einer ersten Erklärung gegenüber unserer Zeitung, „dass keine Waffen, sondern ‘nur’ Waffenteile aus dem Hause Umarex entwendet wurden“. Das „nur“ setzte er bewusst in Anführungszeichen, da es natürlich auch dies zu verhindern gilt.

Eyck Pflaumer kündigte eine Pressemitteilung seines Unternehmens zu dem Fall an, verwies aber zugleich darauf, dass Umarex in der Vergangenheit viel Arbeit in den Aufbau eines umfangreichen und aufwendigen Sicherheitssystem gesteckt habe. Dazu gehörten auch Ein- und Ausgangsschleusen wie an Flughäfen. „Seit Jahren wird in den Ausbau und die Optimierung des Sicherheitssystems investiert“, sagt Eyck Pflaumer. Er ist um Transparenz bemüht. Technische Details und nähere Informationen zur Sicherheitstechnik würden nach Absprache mit der Polizei aber nicht veröffentlicht.

Kette von Festnahmen durch die Polizei

Unterdessen gingen der Polizei weitere Verdächtige ins Netz: Ein 26-jähriger Deutsch-Kasache aus Menden wurde am 27. März festgenommen. Er soll unter anderem die Waffenteile aus Arnsberg zusammengesetzt haben und die Waffen weiterverkauft haben. Am 2. April folgte die Festnahme eines 54-jährigen Briten aus Dortmund; Spezialkräfte der Polizei fassten ihn während seines Urlaubsaufenthalts in der Eifel.

Der Brite habe in Unna eine illegale Waffenwerkstatt betrieben und dort unter anderem Dekowaffen zu scharfen Waffen umgebaut, teilte die Polizei mit. Im April wurde des weiteren ein 25-jähriger Deutsch-Kosovare sei schließlich, ebenfalls durch Spezialeinsatzkräfte, festgenommen worden: Bei ihm wurden zwei scharfe Schusswaffen sichergestellt, zudem etwa sieben Kilogramm Cannabis und etwa 50.000 Euro Bargeld. Ebenfalls im April wurden ein 26-jähriger Mendener und ein 25-jähriger Deutsch-Syrer aus Hagen und ein 26-jähriger Deutscher aus Hagen festgenommen, die alle drei als Abnehmer der genannten Schusswaffen ausfindig gemacht worden waren.

Über 100 Schusswaffen aus Umarex-Produktion sichergestellt

„Wie viele Waffen durch die Tatverdächtigen in Umlauf gebracht wurden kann bisher nicht beziffert werden“, sagt die Polizei. Bei dem festgenommen Umarex-Mitarbeiter seien Teile entdeckt worden, aus denen etwa 50 Pistolen hätten gebaut werden können. Weitere insgesamt 57 Schusswaffen seien bei Polizeiaktionen sichergestellt worden.

„Aktuell sind vier Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Haftbefehle gegen zwei weitere Tatverdächtige sind gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt“, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Insgesamt werde gegegen weitere 16 Tatverdächtige ermittelt.

15.000 Schuss Munition sicher gestellt - und 14 Kilo Amphetamine

Bei den Durchsuchungen an diesem Mittwoch haben die Polizei ihrer vorläufigen Bilanz nach Waffen und Munition in einer Größenordnung sicher gestellt, mit der sich ein umfangreiches Waffenlager bestücken ließe. Sichergestellt wurden etwa 15.000 Schuss Munition, etwa fünf Kilo Schwarzpulver, etwa 35 Kurzwaffen und diverse Kurzwaffenteile, darunter auch eine weitere Walther P22 ohne entsprechende Kennzeichnungen. Sichergestellt wurden zudem 29 Langwaffen, darunter zwei Scharfschützengewehre, zwei vollautomatische Schusswaffen, drei Handgranaten und diverse weitere Waffen, „die noch einer waffenrechtlichen Bewertungen unterzogen werden müssen“.

„Die Asservierungen der Gegenstände sowie die weiteren Ermittlungen dauern noch an“, teilte die Polizei mit. Es seien zudem 40 Schusswaffen durch Beamten eingezogen worden, die drei der Beschuldigten zwar legal besaßen, die jedoch „aufgrund von waffenrechtlichen Verstößen sichergestellt wurden“.

Auch nicht klein war ein weitere Fund der Polizei: In Lünen wurde in einer „konspirativ genutzten Garage“ ein Drogenlabor ausgehoben, in dessen Zusammenhang fünf Verdächtige vorläufig festgenommen wurden. In der Garage und einer Wohnungen seien unter anderem 14 Kilo Amphetamine entdeckt worden, mehrere Liter Amphetamin-Öl und mehrere Hundert Ecstasy-Pillen. Außerdem Substanzen zur Herstellung chemischer Drogen und - wie sollte es anders sein: „eine scharfe Pistole“. (mit dae)