Hagen. Es gibt Hoffnung: Zehn Jahre nach der Eröffnung des Kunstquartiers steht das Gutachten zu den Baupannen endlich vor dem Abschluss.
Zehn Jahre nach der Eröffnung des Hagener Kunstquartiers im August 2009 zeichnet sich eine vage Chance ab, dass das seit mehr als 3100 Tagen laufende Beweissicherungsverfahren (Az.: 9 OH 20/10), in dessen Fokus vor allem das architektonische Unikat des Emil-Schumacher-Museums steht, sich pünktlich zum kleinen Jubiläum dem Ende zuneigen könnte.
Blauer Brief vom Gericht
Nachdem das federführende Sachverständigen-Büro von Dr. Ing. Stefan Wirth (Karlsruhe) Ende Juni zum wiederholten Male einen vereinbarten Termin für die Vorlage des Abschlussgutachtens ergebnislos hatte verstreichen lassen, hat das Landgericht Hagen als Herr des Verfahrens den Experten mit dem Hinweis auf die Eilbedürftigkeit in einem Blauen Brief schriftlich aufgefordert, endlich seine Expertise vorzulegen. Solange dies nicht geschehen ist, darf die energiefressende Technik des einst als umwelttechnologische Innovation gepriesenen Komplexes nicht nachgebessert werden. In einem Schreiben (10. Juli) hat Wirth dem Gericht jetzt zugesagt, dass das Gutachten, für dessen Fertigstellung die Stadt Hagen im April noch einmal Geld nachschießen musste, bis zum 23. August vorzulegen.
Auch interessant
„Die Stadt Hagen hat ein erhebliches Interesse an der Beendigung des Beweissicherungsverfahrens“, unterstreicht Hagens Rechtsdezernent Thomas Huyeng, dessen Geduldsfaden angesichts der permanent auflaufenden Mehrkosten für den Betrieb des Museumskomplexes ohnehin schon arg angespannt ist. „Ich gehe davon aus, dass das Verfahren allein schon aufgrund seiner Länge in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen wird.“ Die Liste der Baumängel umfasst etwa 250 Einzelpunkte, die wiederum von sieben verschiedenen Fachgutachtern betrachtet werden.
Auch interessant
Von Achtungserfolgen einzelner Expositionen abgesehen, hat das 26-Millionen-Euro-Objekt angesichts der immensen Folgekosten bislang vorzugsweise im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes als Pannen-Panoptikum für Schlagzeilen gesorgt. Schließlich liegen die Folgekosten, die der Politik bei der Entscheidungsfindung mit spektakulär günstigen 461.000 Euro schöngerechnet wurden, in der Realität eher bei 1,2 bis 1,5 Millionen Euro – also etwa 200 Prozent über den ursprünglichen Versprechungen. Exakte Zahlen will die Stadt angesichts der technischen Unwägbarkeiten nicht nennen.
Drei Millionen Extra-Investitionen
Sicher ist nur: Allein durch provisorische Maßnahmen, mit denen der laufende Museumsbetrieb gesichert wurde, sind beim Kämmerer bislang Extra-Investitionen von mehr als drei Millionen Euro aufgelaufen. Zuletzt musste das Erdreich unter der Bodenplatte des Museums gekühlt werden, weil die Geothermieanlage, die sich mit 81 Erdsonden 99 Meter tief ins Erdreich bohrt, zu überhitzen drohte. Doch grundlegende bauliche Veränderungen zur Beseitigung der offensichtlichen Mängel bleiben angesichts des Verfahrens weiterhin tabu.
Langwierige Gerichtsverfahren drohen
Erst mit Vorlage des jetzt offenkundig näherrückenden Schlussgutachtens zu dem Beweissicherungsverfahren, das nach Möglichkeit sämtliche Verantwortlichkeiten und Mängelbeseitigungsstrategien zu dem Pannen-Bau aufzeigen soll, möchte die Stadt Hagen entscheiden, welche juristischen Schritte sie daraus ableitet.
Theoretisch könnten sich zivilrechtliche Verfahren über mehrere Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof anschließen, die sich wiederum über mehrere Jahre hinziehen dürften. Verjährungsfristen drohen hier allerdings nicht, da seit Beginn des Beweissicherungsverfahrens im Dezember 2010 der Kalender quasi angehalten wurde.
Allerdings steht schon heute fest, dass die seinerzeit federführende Arbeitsgemeinschaft, die die gesamte Planung des Kunstquartier-Projektes ausgeführt hat, aufgrund eines Todesfalls sowie einer Insolvenz in der ursprünglichen Zusammensetzung haftungsrechtlich schon kaum mehr greifbar ist.
Stattdessen dominieren die technischen Absurditäten: Extra-Geräte für differenzierte Strommessungen, Baumarkt-Luftbefeuchter für das passende Raumklima als Ersatz für die verkeimte Klimatechnik und Wasserleitungen, Feuerwehr-Fehlalarme zuhauf aufgrund des Druckabfalls in den Sprinkleranlagen oder auch luftgekühlte Kältemaschinen, um eine Überhitzung der Klimatechnik zu verhindern. Das alles sorgte in den vergangenen Jahren nicht bloß für Spott und Kopfschütteln, sondern ist auch meilenweit vom in Aussicht gestellten Niedrigenergiestandard entfernt.
Mit dem jetzt möglichen Ende des Beweissicherungsverfahrens kann endlich damit begonnen werden, die einzelnen Mängel zu beseitigen. Wer dafür die Kosten trägt, bleibt Kernstück der noch anstehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen.