Hagen. Ein Hund, nicht ein Wolf hat am 2. Juni in Hagen-Selbecke ein Schaf gerissen. Trotzdem dürften die Räuber früher oder später hier auftauchen.
Auf einer Weide in der Selbecke wurde bereits am 2. Juni ein übel zugerichtetes, totes Schaf gefunden. Aufgrund der Verletzungen des Tieres kam der Verdacht auf, ein Wolf könnte der Übeltäter sein, schließlich hatte ein Hobbyfotograf ein solches Raubtier schon am 13. Mai auf einer Lichtung im Wald bei Meinerzhagen gesehen und fotografiert. Experten des Landesamtes für Umwelt und Verbraucherschutz hatten das Tier eindeutig als Wolf identifiziert.
Doch genetische Untersuchungen durch Experten des Forschungsinstituts Senckenberg in Gelnhausen erbrachten jetzt die Erkenntnis, dass das Schaf in der Selbecke nicht von einem Wolf, sondern von einem Haushund gerissen wurde. Trotzdem: „Früher oder später werden wir auch auf Hagener Gebiet einen Wolfsnachweis dokumentieren können“, sagt Ralf Scholz.
Kein Halt vor Stadtgrenzen
Der 52-jährige Friedhofsgärtner sitzt im Landesfachausschuss des Naturschutzbundes (Nabu) NRW und ist Luchs- und Wolfsberater des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Scholz sieht keinen vernünftigen Grund dafür, warum die Wölfe bei ihrer Rückkehr in den Westen einen Bogen um die Stadt Hagen machen sollten, zumal inzwischen feststeht, dass Anfang Juli abermals eines der grauen Tiere in Kierspe unterwegs war.
Es sei sehr wahrscheinlich, dass das Tier auch über Hagener Gebiet gestreift sei, schließlich liegt der Märkische Kreis unmittelbar an der Stadtgrenze: „Ein Wolf kann bis zu 70 Kilometer wandern in der Nacht. Sein Revier ist hunderte von Quadratkilometern groß. Und er macht natürlich nicht vor Kreis- oder Stadtgrenzen Halt.“
Als Wolfsbotschafter des Naturschutzbundes obliegt es Scholz, Verständnis für die Rückkehr des einst gefürchteten Raubtiers aufzubringen. Allerdings will er auch nicht vor den Schwierigkeiten, die mit dem Auftauchen dieser Wildart in dicht besiedelten Gegenden verbunden sind, einfach die Augen verschließen.
Problemwölfe „entnehmen“
Sogenannte Problemwölfe, die den vorgegebenen Herdenschutzzaun öfter überwinden sollten, könnten nach Rücksprache aller beteiligten Behörden „entnommen“ werden, sprich: abgeschossen werden, so Scholz: „Das ist aber kein Argument gegen die Rückkehr des Wolfs an sich. Im Gegenteil: Die Tiere bereichern unsere Natur und sind in der Regel absolut ungefährlich für Menschen. Der Wolf gehört zu uns. Er war immer da. Dann haben wir ihn ausgerottet.“
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Im Sauerland und in der Eifel war der Wolf noch bis ins 19. Jahrhundert heimisch. Im Wald übernehme er in etwa die Rolle der Müllabfuhr, da er vor allem alte und kranke Tiere zur Strecke bringe, so Scholz: „Seine Hauptnahrung ist Rehwild. Und davon haben wir hierzulande mehr als genug.“ Illusorisch sei es dagegen zu glauben, der Wolf könne die ausufernde Wildschweinpopulation in den Griff bekommen.
Konfliktpotenzial mit Landwirtschaft
Das größte Konfliktpotenzial sieht er bei den Landwirten, die um ihre Kühe und Schafe bangen. Schützen könne man Nutztiere nur durch geeignete Zäune, die stromführend sind und einen Untergrabungsschutz besitzen. „Diese Präventionsmaßnahmen kosten natürlich Zeit und Geld“, hat Scholz Verständnis für die Bedenken der Bauern: „Trotzdem kann die Lösung im Umkehrschluss nicht lauten, dass wir den Wolf hier nicht haben dürfen.“
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Denn dass Wölfe auf der Suche nach Nahrung oder einem Revier auch Hagener Gebiet durchkämmten, das werde zukünftig wohl häufiger vorkommen.