Hagen. Jetzt droht der Schuldenabbau in Hagen doch gut 100 Jahre zu dauern: Der Bund wird wohl nicht helfen, eine Milliarde Euro Altschulden zu tilgen.

Muss Hagen weiterhin mit einer Milliarde Euro Alt-Schulden allein klar kommen? Verpuffen gut zehn Jahre „Lobbyarbeit“ für Hilfe beim Abbau dieses Bergs weitgehend wirkungslos? Das befürchten Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz (parteilos) und Kämmerer Christoph Gerbersmann (CDU). Der Grund: Nach ihren Informationen wird Bundesinnen - und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch zwar ein Papier der Regierungskommission zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland vorstellen. Darin werden aber offensichtlich außer einer Beschreibung der Probleme keine konkreten Maßnahmen enthalten sein, wie Bund und Länder den hoch verschuldeten Städten in Westdeutschland helfen wollen. Die Kommission soll intern zerstritten sein. Betroffen sind etwa 70 Städte mit insgesamt neun Millionen Einwohnern.

Kämmerer: Enges Zeitfenster droht zuzuschlagen

Was den Hagener Kämmerer beunruhigt, ist das enge Zeitfenster, das nun aus seiner Sicht zuzuschlagen droht: „Wir haben die vielleicht historisch einmalige Chance, dass Bund und Länder durch die sprudelnden Steuereinnahmen und die Niedrigzinsphase helfen können“, so Christoph Gerbersmann. Und zwar, indem sie sich jetzt langfristig die günstigen Zinsen sichern, um den Kommunen zu helfen. „Wenn die wirtschaftliche Lage wieder schlechter ist, wird dies viel schwieriger.“ Mit solch einer Unterstützung sei es aber möglich, dass Hagen von seinem Altschuldenberg in 30 bis 40 Jahren herunter komme, um wieder mehr investieren zu können. Und nicht erst in gut 100 Jahren – so lange würde es wohl dauern, wenn es Hagen aus eigener Kraft schaffen muss.

Oberbürgermeister: Sind nicht jammernd aufgetreten

Der Oberbürgermeister hatte sich entscheidend mehr von der Regierungskommission, zu der auch Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) gehören, erhofft: „Ich hatte insbesondere nach unserem letzten Besuch in Berlin den Eindruck, dass das Problem erkannt worden ist“, so Erik O. Schulz. „Wir sind dort auch nicht jammernd aufgetreten, sondern konstruktiv und haben klar gemacht, dass auch wir als Kommunen unseren Teil leisten müssen, aber es allein nicht schaffen.“ Unter wissenschaftlicher Begleitung hatten die betroffenen Städte sogar ein eigenes Modell entwickelt. „Auf dem beharren wir aber nicht“, so Schulz. „Wir können auch über andere Modelle reden.“

Bund beschließt, Städte müssen zahlen

Hat der OB angesichts des Seehofer-Berichts die Hoffnung verloren, dass es noch Hilfe gibt? „Nein, hoffnungslos bin ich nicht. Aber ich formuliere ganz deutlich: Es muss sich noch etwas bewegen: Bei der Hilfe bei den Altschulden und auch bei der Unterstützung bei den Sozialkosten.“ Denn weiterhin, so sekundiert Kämmerer Gerbersmann, beschließe der Bund Dinge, die die Kommunen bezahlen müssten. Beispiel Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. „Der ist richtig und wichtig. Aber binnen zwölf Jahren sind für uns Mehrkosten von rund 9 Millionen Euro für etwas entstanden, was der Bund beschlossen hat.“ Die Kosten für Sozialhilfe seien von 2012 bis 2018 von 57 Millionen auf 90 Millionen Euro angestiegen. „Gegen solche Entwicklungen können wir nicht ansparen.“

Bierdeckel-Aktion in vielen Städten

Wie in Hagen haben am Montag bundesweit betroffene Städte eine Aktion gestartet, um in letzter Minute noch eine Kehrtwende in der intern wohl zerstrittenen Kommission der Bundesregierung hinzubekommen. An alle Abgeordneten in Bund und Ländern werden plakativ Bierdeckel verschickt. Die Botschaft darauf: „Wer bestellt bezahlt“. Auch für Politik gelte das Reinheitsgebot.