Zurstraße. Dieser Gottesdienst ist außergewöhnlich: In der Dorfkirche Zurstraße in Breckerfeld feiern Kindergartenkinder und Behinderte gemeinsam.

Die Sonne lässt an diesem heißen Tag ihr helles Licht durch das bunte Fenster fallen. Sie scheint an diesem Tag auf all die Menschen, die sich in der kleinen Dorfkirche in Zurstraße zu einem ganz besonderen Gottesdienst versammelt haben. Sie scheint vom Himmel herab auch auf Gisela, die in ihrem Rollstuhl sitzt und die die ganze Zeit den Liedern und den Worten von Gunter Urban gelauscht hat. Der Pfarrer hat vom Mut erzählt und davon, dass Gott bei den Menschen ist. Ihren Mut nimmt Gisela zusammen und sagt dann so laut, dass es jeder in dem kleinen Gotteshaus hören kann: „Ich war so lange auf dem Mops. Ich danke Gott, dass ich wieder laufen kann.“

Gisela, Anja, Dirk – sie alle arbeiten in den Homborner Werkstätten. Und sie alle sind hier, um mit den Schulkindern, die nach den Sommerferien nicht mehr den Evangelischen Kindergarten Zwergenwald besuchen, diesen Bethel-Gottesdienst zu feiern. So, wie es schon seit zehn Jahren eine liebgewonnene Tradition ist.

Ein bisschen selbst gemachter Wind gegen die Hitze

Werkstatt Homborn hat viel Kunden

Die Homborner Werkstatt versteht sich als Werkstatt für behinderte Men­schen als „moderner Dienstleistungsbetrieb für berufliche Rehabilitation“.

Menschen mit Behinderungen, die nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, wird hier unabhängig von Grad und Schwere der Behinderung eine berufliche und soziale Rehabilitation geboten.

Gleichzeitig ist die Homborner Werkstatt Dienstleister und Pro­duk­tions­un­ter­neh­men für zahlreiche Kunden und Auftraggeber aus Industrie, Handwerk, Handel sowie für Partner der öffentlichen Hand.

In der Homborner Werkstatt arbeiten zurzeit 150 Menschen – darunter Menschen, die an Epilepsie leiden und Menschen mit erworbenen Hirnschäden.

„Es wird Sahnetorte geben – es lohnt sich also zu bleiben“, sagt Ulrike Wippermann, Mitarbeiterin der Werkstatt, zu Beginn. Und: „Wenn es euch zu heiß ist, dann macht euch einfach ein bisschen Wind.“ Dann singen die Kindergartenkinder „Einfach spitze, dass du da bist“, strecken ihre Daumen vor und tanzen. Dirk strahlt.

Es ist diese besondere Verbindung, die diesen besonderen, diesen einzigartigen Gottesdienst ausmacht. Kindergartenkinder und Menschen mit Behinderung feiern, singen und beten gemeinsam. Zu einem Gott, der – wie Gunter Urban ihnen erklärt – Mut machen will. Der nicht möchte, dass Menschen Angst haben müssen. Erst recht nicht, wenn für sie – wie für die Schulkinder – ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

Mutmacher-Steine für die Schulkinder aus dem Zwergenwald

Tanz im Gottesdienst: Organisatorin Ulrike Wippermann fasst Pfarrer Gunter Urban an den Händen.
Tanz im Gottesdienst: Organisatorin Ulrike Wippermann fasst Pfarrer Gunter Urban an den Händen. © WP | Michael Kleinrensing

Damit die Kinder diese wichtige Botschaft nicht vergessen, haben die Behinderten in der Werkstatt Mutmacher-Steine vorbereitet, die sie im Gottesdienst übergeben. Steine, die in die Tornister gehören und die die Schulkinder herausnehmen und fest in der Hand drücken können, wenn sie in ihrem neuen Lebensabschnitt der Mut einmal verlassen sollte.

Es sind Gesten wie diese, die die Bedeutung des Bethel-Gottesdienstes zeigen: „Er ist in einer ganz besonderen Weise integrativ“, sagt Gunter Urban, „er verknüpft gemeindliche und diakonische Arbeit miteinander. Diejenigen, die ihn gestalten, sehen sich als Brückenbauer.“

Gemeinsam mit einem Team bereitet Ulrike Wippermann die besonderen Gottesdienste, die einmal im Monat stattfinden, vor. Sie und die Anderen bauen eine Brücke – auch mitten hinein in die St.-Jakobus-Gemeinde. „Der Gottesdienst ist ja für alle offen“, so Urban weiter, „immer wieder bringen Kindergartenkinder ihre Eltern oder Großeltern mit.“

Gottesdienst als Anlaufpunkt für Menschen mit Behinderung

Herein spaziert: Zum Bethel-Gottesdienst in der Dorfkirche Zurstraße ist die ganze Gemeinde eingeladen.
Herein spaziert: Zum Bethel-Gottesdienst in der Dorfkirche Zurstraße ist die ganze Gemeinde eingeladen. © WP | Michael Kleinrensing

Und so wird ein Gottesdienst zu einem festen Anlaufpunkt. Für Teile einer Gemeinde und für Menschen mit Behinderung, die früher zu großen Teilen in Zurstraße gelebt haben, heute aber in allen möglichen Orten und Stadtteilen in kleinen Wohngruppen untergebracht sind. „Viele setzen sich extra in den Bus, weil sie unbedingt am Gottesdienst teilnehmen wollen“, sagt Ulrike Wippermann. „Sie erleben hier wunderbare Momente der Gemeinsamkeit. Für sie ist es wichtig, dass auch sie diese Feier mitgestalten können.“

Dirk will ihn auch mitgestalten, diesen besonderen Gottesdienst. Also geht er nach vorne, stellt sich zum Pfarrer hinter den geschmückten Altar und bringt doch keine Wort hervor. Vielleicht hat ihn der Mut in diesem Moment verlassen. Vielleicht hätte auch er einen dieser Steine gebraucht.