Hagen. Birgit Ganskow reicht es: Die Chefin des Tierschutzvereins Hagen zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Grund ist überbordende Kritik.

Die Vorsitzende des Hagener Tierschutzvereins, Birgit Ganskow, will vorerst keine Rettungsfahrten mehr unternehmen und zudem nicht mehr öffentlich in Erscheinung treten. Grund seien Anfeindungen und persönliche Verunglimpfungen am Telefon und in den sozialen Netzwerken, die sie nach eigener Aussage an den Rand des Zusammenbruchs getrieben hätten: „Ich und meine Kolleginnen werden systematisch fertig gemacht. Ich bin mit den Nerven am Ende und halte es einfach nicht mehr aus.“ Um zur Ruhe zu kommen und ihre innere Ausgeglichenheit wieder zu erlangen, werde sie sich deshalb aus der Öffentlichkeit zurückziehen, so Ganskow, die dem Tierschutz in Hagen seit Jahren ein Gesicht gegeben hat.

Sie vermisse zunehmend den Respekt vor der Arbeit der Tierschützer, erklärte die Vereinschefin. Offenbar sei vielen Leuten nicht bewusst, dass der Einsatz für Hunde, Katzen und andere Tiere auf ehrenamtlicher Basis geschehe: „Wir bekommen nicht einen Cent dafür. Im Gegenteil: Jeder fährt pro Jahr rund 5000 Kilometer für die Tiere. Auf eigene Kosten!“

Üble Beschimpfungen

Dennoch würden die Mitglieder aufs Übelste beschimpft. „Beweg deinen Hintern“, „Missbrauch an Tieren“, „Tierschutz mal wieder falsch verstanden“, „abartig“ oder „warten wohl auf die Vermittlungsgebühr“ würde ihnen zugerufen. Die meisten ihrer Mitarbeiterinnen und auch sie selbst hätten Beruf und Familie: „Und dann noch diese wahnsinnig aufreibende Arbeit für die Tiere. Das Telefon klingelt von morgens um sieben bis tief in die Nacht. Da erwarten wir einfach ein bisschen Respekt. Stattdessen kriegen wir Fußtritte verpasst.“

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Als Konsequenz daraus haben die engagierten Damen den Telefondienst eingestellt. Am Tierschutztelefon verweist eine Bandansage darauf, dass bis auf weiteres niemand persönlich zu erreichen sei. Das bedeutet, dass auch keine der Frauen mehr ins Auto springt und losbraust, um einem Tier zu helfen. Wer ein krankes oder in Not befindliches Tier gefunden hat, wird von der Bandansage auf andere Anlaufstellen, etwa das Tierheim, verwiesen. „Unter diesen Umständen steht es uns auch mal zu, Nein zu sagen. Wir haben auch noch ein eigenes Leben“, so Birgit Ganskow.

Proteste gegen Zirkus

Das Fass zum Überlaufen brachten u.a. Veröffentlichungen von Andreas Rau. Der Leiter der Aids-Hilfe-Beratungsstelle in Hagen hatte bei Facebook die Proteste der Tierschützer gegen den Zirkus Charles Knie, der im Juni auf dem Höing gastierte, als „militant“ und ohne „Rücksicht auf Menschen und Existenzen“ bezeichnet und auf Frau Ganskow bezogen davon gesprochen, „dass ein Fisch immer zuerst am Kopf stinkt“. Ganskow erklärte, Rau betreibe einen regelrechten Feldzug gegen sie und sei wie besessen davon, sie fertig zu machen: „Zu meiner Meinung, dass Tiere in einem Zirkus nichts zu suchen habe, stehe ich. Wenn jemand anderer Meinung ist, respektiere ich das. Aber Hetze und Beleidigungen: Das geht gar nicht.“

Tierheim und Tierschutzverein verschiedene Einrichtungen

Der Tierschutzverein Hagen wurde 1921 offiziell gegründet, ist ein eingetragener Verein und Mitglied im Deutschen Tierschutzbund und Landestierschutzverein NRW. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich.

Die Geschäftsstelle des Vereins befindet sich im städtischen Tierheim in Eilpe. Das Tierheim ist dem Umweltamt zugeordnet und kooperiert mit dem Tierschutzverein, ist diesem aber nicht unterstellt. Im Tierheim arbeiten hauptamtliche, städtische Mitarbeiter.

Der Tierschutzverein und das Tierheim unterhalten auch jeweils eigene Spendenkonten.

Andreas Rau erklärte, er habe niemanden verhetzt oder beleidigt. Zur Kritik in der Sache steht er aber, dem Zirkusbesitzer auf dem Höing sei mit unlauteren Methoden unterstellt worden, er würde Tiere aufs Übelste quälen: „Ich begrüße den Tierschutz, aber nicht solche Methoden. Und niemand von uns will Frau Ganskow schaden, aber auch Tierschützer sind nicht über Kritik erhaben. Andererseits kann ich nachvollziehen, dass ihre Nerven blank liegen angesichts all des Tierleids, mit dem sie täglich konfrontiert wird.“ Ein vorübergehender Rückzug aus der Öffentlichkeit sei daher vielleicht die beste Lösung. Seine Äußerungen hätten im Übrigen nichts mit seiner Arbeit in der Aids-Hilfe zu tun, sondern seien rein privat motiviert, so Rau.

Birgit Ganskow will jetzt erst einmal neue Kräfte sammeln. Sie habe auch erwogen, den Vorsitz im Tierschutzverein niederzulegen, sich dann aber doch entschlossen, das Amt vorerst weiterzuführen. Doch in der Öffentlichkeit wird man sie nicht mehr erleben.