Hagen. Die Wahl für das Parlament der Industrie- und Handelskammer in Hagen steht an. Die Bürgerenergie-Genossenschaft kandidiert. Exoten oder mehr?
Schaut man auf ein paar Kennzahlen, dann erscheint die Kandidatur nicht unbedingt verwunderlich: 4,6 Millionen Euro sind in den vergangenen neun Jahren investiert worden. Das Unternehmen hat 340 Anteilseigner und 105 Anlagen. Mit dieser Größe kann man für die Vollversammlung der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) kandidieren, deren Wahl derzeit läuft. Doch die Kandidatur von Rolf Weber ist dennoch ungewöhnlich.
Denn der 64-Jährige tritt für die Bürger-Energie-Genossenschaft (BEG 58), die eben jene 105 Anlagen auf Dächern von öffentlichen Gebäuden, Häusern von Wohnungsunternehmen und der Halle des Hasper Heimat- und Brauchtumverein installiert hat. Der 64-jährige Informatiker, der bei Nixdorf und Signal Iduna gearbeitet hat, will seine Ideen und Ideale einer nachhaltigen Energieerzeugung- und Wirtschaftsweise in das Gremium der SIHK einbringen, wenn er denn gewählt wird: „Die SIHK bewegt sich auf diesem Feld schon – mehr als andere Industrie- und Handelskammern. Aber sie bewegt sich zu wenig. Und da macht es Sinn, dass einer mitredet, der sich seit 25 Jahren mit dem Thema beschäftigt.“
Keine einfache Wahl
Die Wahl dürfte nicht einfach werden. Er tritt in dem vielschichtigen Verfahren in der Wahlgruppe „Sonstige Dienstleister einschließlich Vermögensverwaltungs- und Beteiligungsgesellschaften“ im Bezirk der Stadt Hagen an. Sechs Plätze sind aus dieser Gruppe für die Vollv
ersammlung zu vergeben, es gibt aber elf Kandidaten, neben Weber sind es Henning Kreke (Douglas) für die Kreke-Holding, Mc-Donalds-Franchisenehmer Wilfried Haas, Steuerberater Michael Hösterey für die Breitbandgenossenschaft Hagen, Marita Isken vom Hotel Restaurant Dresel, Michael Scheibe-Jochheim von Wohlbehagen, Immobilienfachmann Lars Strodmeyer, Unternehmer Dietmar Buxhoidt, Unternehmensberaterin Annette Eschment, Thomas Gebehenne (Werbeagentur Ideenpool) und Wirtschaftsprüfer Dr. Ahmet Yilmaz.
Ist er hier der Exot? „Ich bin ein realistischer Idealist“, sagt Ralf Weber. „Ich schaue hin und suche Lösungen. Das ist auch das, was man als Informatiker macht.“ Und wenn er hinschaue, dann sehe er dramatische Veränderungen. Etwa, dass Feuerwehr und THW immer öfter wegen klimabedingter Naturereignisse ausrücken müssten. Dass Bayer Leverkusen aufgrund der Dürre und des Rhein-Niedrigwassers im vergangenen Sommer 50 Millionen Euro Schaden erlitten habe. „Und dass der Borkenkäfer solch einen Schaden anrichten kann“, ergänzt Dr. Christian Kingreen, sein Mitstreiter in der Bürger-Energiegenossenschaft.
Ob es tatsächlich was wird mit dem Sitz in der Vollversammlung? Weber selbst vermag es nicht einzuschätzen, Kingreen ist skeptisch. Doch schon die Kandidatur soll ein Zeichen setzen, und sollte er doch erfolgreich sein, will er reden: „Wir aus unseren unterschiedlichen Blasen – wie etwa Ökologie-Bewegte und produzierende Wirtschaft – müssen uns austauschen.“ Aber er will auch Druck ausüben für sein Thema: „Mit der Klimakatastrophe kann man nicht verhandeln, sie macht keine Kompromisse. Wir müssen handeln.“
Zertifizierung wichtig
So würde er zum Beispiel die Idee einer Nachhaltigkeitszertifizierung einbringen, bei der Unternehmen je nach Bewertung Vorrang bei öffentlichen Aufträgen bekommen oder Steuernachlässe gewährt werden könnten. Eine solche Zertifizierung durchläuft die Bürger-Energiegenossenschaft (BEG) schon selbst: von 100 möglichen Punkten sind bislang 55 erreicht.
Die Beharrlichkeit der BEG will er sich als Vorbild nehmen: Trotz der Verschlechterung der gesetzlichen Rahmenbedingungen habe man immer weiter gemacht, die Zahl der Anlagen erhöht und könne immerhin eine Rendite von drei Prozent erzielen.
Die Genossenschaft will auch weiter wachsen, sieht das Potenzial für mehr Anlagen.
Und zumindest im Blick hat man auch das Thema E-Car-Sharing. Am kommenden Freitag ist die Mitgliederversammlung, dann wird ein Experte über das Thema reden.
Interessierte können zur Versammlung kommen
Die BEG setzt vor allen Dingen auf Flächen auf Gebäuden in Hand von Kommunen und Wohnungsgesellschaften. Dachnnutzungsverträge wurden bislang abgeschlossen mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis, den Städten Bochum, Gevelsberg, Hagen, Hattingen, Herdecke, Sprockhövel, Wetter und Witten sowie den Wohnungsunternehmen Die Voerder, EN-Wohnen, Schwelmer &Soziale, HGW (Hagen), HWG (Hattingen) und HGWG (Herdecke).
Die Generalversammlung findet am Freitag, 29. Juni, um 17 Uhr in der Werner-Richard-Schule, Sonnenstein 4 in Herdecke statt. Interessierte können ohne Anmeldung vorbei schauen.