Helfe. . Die Gesamtschule Helfe fördert ihre Schüler mit einem besonderen Modell: In den MINT-Fächern werden Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet.

Man könnte meinen, dass nach Geschlechtern getrennter Unterricht einer längst vergangenen Zeit angehört. Und doch sitzen Jungen und Mädchen aus dem fünften Jahrgang der Gesamtschule Helfe einmal pro Woche in verschiedenen Räumen – die Mädchen werden von einer Frau, die Jungen von einem Mann unterrichtet. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht“, berichten Anna Witte und Darius Wilczek-Niggemann.

Die beiden Lehrer sind natürlich nicht hoffnungslos rückwärts gewandt. Vielmehr steckt eine pädagogische Absicht hinter der getrenntgeschlechtlichen Schulstunde dienstags um 13 Uhr.

Unterschiedliche Herangehensweise

Bei den Fünftklässlern handelt es sich um Schüler, die eine besondere Begabung für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) besitzen. Und die Erfahrung lehre, so Wilczek-Niggemann, dass Jungen und Mädchen sich durch eine unterschiedliche Herangehensweise an Experimente und naturwissenschaftliche Phänomene auszeichneten. „Jungen probieren erstmals etwas aus, Mädchen dagegen beschäftigen sich zunächst theoretisch mit einem Thema.“

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Solche Veranlagungen können im gemeinsamen Unterricht dazu führen, dass die Mädchen beim Experimentieren zu kurz kommen. Durch den getrennten Unterricht könne gewährleistet werden, dass die Schülerinnen unbefangener an die gestellten Aufgaben herangingen. Letztlich solle so der Anteil der Mädchen, die sich in der weiteren Schullaufbahn für MINT-Fächer entscheiden, gesteigert werden. „Die technischen Berufe an Unis und Betrieben werden ja von Männern dominiert.“

Grundsätzlich gleichermaßen befähigt

Die MINT-Fünftklässler bleiben gern mal unter sich.
Die MINT-Fünftklässler bleiben gern mal unter sich. © Heuel

Grundsätzlich seien Mädchen und Jungen für Naturwissenschaften und Technik jedoch gleichermaßen begabt und befähigt, sagt Wilczek-Niggemann. Der Unterricht belege: „Die Herangehensweise mag unterschiedlich sein, die Ergebnisse sind identisch.“

Die Schüler bestätigen die Aussagen ihrer Lehrkräfte. „Es ist cool ohne Jungs, wir verstehen die Aufgaben besser und können besser lernen“, sagt Anjola Adewinnbi (11). Sobald Jungen im Klassenzimmer auftauchten, herrsche Unruhe, stimmt ihr Josefine Brenda (10) zu: „Und im Unterricht mag ich Ruhe. In der Freizeit natürlich nicht.“

Begabtenförderung

Bei den experimentierfreudigen Jungen hat man durchaus einen ähnlichen Blick auf die Angelegenheit: „Ohne die Mädchen gibt es viel weniger Streit“, sagt Quentin Kois (12), während er sich gerade mit der Polwechselwirkung und dem Erdmagnetfeld beschäftigt.

Mehr männliche Abiturienten in technischen Fächern

43,9 Prozent der Abiturientinnen wählten laut Statistischem Landesamt im Jahr 2018 Deutsch und 42,6 Prozent Englisch als Leistungskursfach. Männliche Abiturienten entschieden sich dagegen am häufigsten für Mathematik (42,4 Prozent) und Englisch (34,5 Prozent).

Neben Mathematik waren bei Jungen auch die anderen sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) als Abiturleistungskursfächer beliebter als bei Mädchen: So lag Physik bei den Jungen mit 9,7 Prozent auf Platz acht, bei den Mädchen mit 1,9 Prozent auf Platz 13. Chemie rangierte sowohl bei Jungen (5,6 Prozent) als auch bei Mädchen (2,9 Prozent) auf Platz zehn.

Für Informatik interessierten sich 2,3 Prozent der Jungen (Rang zwölf) und 0,3 Prozent der Mädchen (Rang 16).

In einem weiteren Sinne ist der getrennte MINT-Unterricht Begabtenförderung – ein wichtiges Element an einer Gesamtschule, die ja vor allem dafür bekannt ist, dass sie den schwächeren Schülern die notwendige Förderung angedeihen lässt.

Und am Ende von Klasse 5 hat es mit dem getrenntgeschlechtlichen Unterricht dann auch ein Ende – bis zum Abschluss ihrer Schullaufbahn sitzen Jungen und Mädchen auch in den MINT-Fächern gemeinsam im Klassenzimmer.