Hohenlimburg. . Was die „Volksdroge“ ist und warum Sucht eine „demokratische Erkrankung“ ist, erklärt Dr. Bodo Lieb, Chefarzt am Suchtbehandlungszentrum Elsey.
Dr. Bodo Lieb gehört seit fünf Jahren zum Leitungsteam am Suchtbehandlungszentrum Elsey. Die Klinik gilt als Institution bei der Behandlung von Suchtkrankheiten. Im Interview spricht Lieb über den aktuellen Suchtbericht und den geplanten Umbau des Zentrums, der von Land und Bund mit 15 Millionen Euro gefördert wird.
Laut Suchtbericht 2019 bleibt das Thema Alkoholsucht in Deutschland dominant. Wie begegnet das Suchtbehandlungszentrum Elsey diesem Thema?
Lieb: Alkohol ist unsere „Volksdroge“. In Elsey haben wir neben zwei Stationen für Depressionen und Ängste vier Stationen für Suchtkranke, wovon sich allein zwei Stationen in erster Linie um Menschen mit Alkoholproblemen kümmern. Eine davon ist zum Beispiel die sogenannte „AQUA-Station“ – das steht für „Alterspezifische QUalifizierte Akutbehandlung“, wo Menschen in der zweiten Lebenshälfte, also ab etwa 60 Jahren, behandelt werden. Gerade in dieser Altersgruppe leiden viele Menschen unter den Folgen ihrer Alkoholabhängigkeit.
Ganz klar der Strand-Typ
Welches Lied ging Ihnen zuletzt nicht mehr aus dem Kopf? Welches Lied ging Ihnen zuletzt nicht mehr aus dem Kopf? Ich mag Rap, Hip Hop und World-Music mit Botschaften und nicht zu flachen Texten. Zuletzt ging mir ein 2018er-Song von Angélique Kidjo nicht aus dem Kopf „Born under punches“, ein Talking-Heads Remake.
Der Superhelden-Film „Avengers“ läuft im Kino: Welchen Superheld finden Sie klasse?Ich bin eigentlich kein großer Fan von „Superhelden“, vielleicht weil ich „Teamplayer“ bin und „Einzelkämpfer“ in der Realität häufig zum Scheitern verurteilt sind. Aber wenn Sie schon fragen: Vielleicht gefällt mir ja die Geschichte von „Iron Man“, weil sie das biblische „Vom Saulus zum Paulus“-Thema aufnimmt. Ein Thema, das zeigt, dass man sein Leben auch spät noch radikal zum Guten ändern kann. Eine Hoffnungsbotschaft, die auch psychotherapeutisch wichtig ist.
Urlaub lieber in den Bergen oder am Strand? Ganz klar: Strand. Meine Frau, unsere Kinder und ich sind eindeutige „Flachlandtiroler“ und lieben alles, was mit Sonne und Wasser zu tun hat.
Es sind also größtenteils die Älteren, die alkoholabhängig sind?
Nein, Suchterkrankungen sind allgemein „demokratische“ Erkrankungen, sie finden sich in allen Altersstufen, Bildungs- und Gesellschaftsschichten. Nur die Präferenz für ein Suchtmittel ist altersspezifisch: Cannabis und Amphetamine sind etwa „klassische“ Drogen der Heranwachsenden, Ältere werden in der Regel eher von „konservativen“ Suchtmitteln wie Alkohol und Beruhigungsmedikamenten abhängig. Aber: Auf der Alterssuchtstation behandeln wir unabhängig von der Substanz. Dort gibt es auch Menschen, die von illegalen Drogen abhängig sind, auch das gibt es im höheren Lebensalter. Die Erfahrungen auf unserer „AQUA-Station“ zeigen: Wenn Menschen gleichen Alters behandelt werden, ist die Art der Abhängigkeit eher nebensächlich, die typischen Altersthemen wie Einsamkeit, körperliche Gebrechen oder Verlust von nahen Angehörigen bestimmen die Therapie und tragen stark zur Identitätsbildung innerhalb der Patientengruppe teil. Wenn nur Ältere zusammensitzen, können sie Probleme aus ihrer eigenen Lebenswelt viel besser einbringen als in altersgemischten Gruppen
Laut einschlägiger Bewertungsportale sind Patienten mit der medizinischen Behandlung zufrieden. Bei der Ausstattung bekommt die Klinik dagegen nur zwei von sechs Sternen.
Achtung: Da sind zum Teil noch mehrere Jahre alte Bewertungen dabei. Es sind zwischenzeitlich schon einigen Renovierungen erfolgt. Aber Sie sprechen trotzdem einen wichtigen Punkt an. Unsere Ausstattung ist, wie in den meisten anderen Krankenhäusern auch, in einigen Belangen nicht mehr zeitgemäß. Glücklicherweise haben wir ja jetzt vom Land mehrere Millionen Investitionsmittel zugesprochen bekommen.
Seit 2014 ist Dr. Lieb in Elsey
Bodo Lieb ist geboren 1972 in Krefeld und aufgewachsen in Alfeld (Leine). Das Medizinstudium hat er von 1991 bis 1998 in Hannover absolviert. Von 1999 bis 2004 war er Assistenzarzt in der Neurologie im Friederikenstift Hannover, danach Asisstenz- und Oberarzt an der Universitätspsychiatrie Essen.
Seit 2014 ist Dr. Bodo Lieb Chefarzt am Suchtbehandlungszentrum Elsey. Seit 2015 ist er zudem Suchtbeauftragter der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Bezirk Hagen.
Bund und Land investieren 15 Millionen Euro in das „Zentrum für seelische Gesundheit Elsey“. Das Geld soll dazu dienen, ein besonderes „medizinisch-architektonisches Konzept“ umzusetzen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Mein chefärztlicher Kollege Dr. Görtz und ich haben ein Konzept erstellt, wie die komplette Klinik in Elsey in ein modernes „Zentrum für seelische Gesundheit“ verwandelt werden kann. Dieses Konzept soll allen Belangen einer modernen, offenen Psychiatrie mit menschlichem Antlitz genügen. Wir nennen uns zwar jetzt schon so, sind aber aktuell vor Ort noch unvollständig, weil sich noch etwa ein Drittel der stationären psychiatrischen Betten im St. Johannes Hospital in Boele befindet. Und es besteht das langfristige Ziel, die dortige Psychiatrie – weitere vier Stationen – hierhin zu überführen.
Das Bauantragsverfahren ist bereits gestartet. Bis wann wird der komplette Umbau fertig sein?
Nach meinem aktuellen Kenntnisstand ist die Planung, dass wir 2023 komplett mit der Psychiatrie hier sind. Im kommenden Jahr geht es hoffentlich richtig los mit den Bauarbeiten und im besten Fall wandern die einzelnen Bereiche der Psychiatrie aus Boele dann ab 2020/21 sukzessive zu uns herüber. Das Ziel ist ein psychiatrisches Fachkrankenhaus mit dem Komplettangebot für alle Bereiche der seelischen Erkrankungen – wie Depressionen, Psychosen, Sucht und Demenz. Besonders letzteres, die „Geronto-Psychiatrie“, ist sicher die Psychiatrie der Zukunft. Denn die Menschen werden immer älter und sehr viele werden auch dement. http://15,22_Millionen_Euro_fürs_Hohenlimburger_Krankenhaus{esc#215484385}[news]