Elsey. .

Europaweit einzigartig ist dieses suchtmedizinische Angebot, das sich speziell den Bedürfnissen älterer Menschen verschrieben hat: „AQUA“ nennt sich die neue Station des Suchtbehandlungszentrums am Evangelischen Krankenhaus Elsey. Die Abkürzung steht dabei für „Altersspezifische QUalifizierte Akutbehandlung“.

Dort, auf der umgebauten und neustrukturierten Station 10, werden beispielsweise Senioren behandelt, denen aufgrund sozialer Vereinsamung oder nach dem Tod eines nahen Angehörigen die Kontrolle über ihren Alkoholkonsum entglitten ist. Auch Drogen- und Medikamentenabhängige höheren Alters werden hier therapiert. „Diese Patientengruppe ist vom Suchthilfesystem bislang vernachlässigt worden“, sagt Dr. Bodo Lieb, Chefarzt des Suchtbehandlungszentrums am Evangelischen Krankenhaus Elsey.

Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie hat die Einrichtung der Station maßgeblich vorangetrieben. „Früher hieß es lapidar, Suchtkranke sterben früh. Aber aufgrund des medizinischen Fortschritts erreichen nun auch Alkohol- und Drogenabhängige das Seniorenalter, die Medikamentenabhängigkeit ist ohnehin meist eine Suchterkrankung der zweiten Lebenshälfte“, sagt Dr. Lieb.

„Gleichzeitig finden Ältere ihre Bedürfnisse nach Ruhe und altersangepassten Therapieinhalten nicht auf einer normalen Suchtstation berücksichtigt, wenn dort gleichzeitig nicht selten laute und impulsive jüngere Patienten behandelt werden.

Auf der AQUA-Station finden ältere Suchtkranke ein Umfeld und ein erfahrenes Behandlungsteam vor, dem sie sich vertrauensvoll öffnen können.“

Das Therapieangebot wird offensichtlich gut nachgefragt: Von den 20 Behandlungsplätzen der „AQUA“-Station sind aktuell 18 belegt. „Wir behandeln die Suchterkrankung jedes Patienten individuell und ganzheitlich“, berichtet Dr. Lieb.

Im Mittelpunkt der Station 10 steht die sogenannte „qualifizierte Alkohol-, Medikamenten- und Drogenentzugsbehandlung“. Bei der „qualifizierten Entzugsbehandlung“ wird nicht nur der körperliche Entzug medizinisch begleitet. Fachübergreifend werden dem Betroffenen ergänzende pflegerische, psychotherapeutische, sozialdienstliche, ergo- und bewegungstherapeutische Hilfen geleistet und auch die Vermittlung in Anschlusstherapien organisiert. Je nach körperlichen Begleiterkrankungen der älteren Patienten können auch weitere internistische, orthopädische oder schmerztherapeutische Behandlungen durchgeführt werden. „Das ist der Vorteil des Abteilungsmixes im hiesigen Krankenhaus. So können wir bei Bedarf schnell die Expertise der Spezialisten, etwa aus der Inneren Abteilung von Dr. Dechêne und Dr. Soennecken oder aus der Chirurgie von Dr. Dehnst einholen.“

Meist dauert der Aufenthalt auf der „AQUA“-Station zwei bis drei Wochen. Nach einer Woche körperlichen Entzugs folgt dann gemeinsam mit dem Patienten eine gezielte Planung anschlusstherapeutischer Maßnahmen.

Erfahrene Sozialarbeiterin

„Neben der Vermittlung in Rehabilitationskliniken gehören häufig auch psychosoziale Hilfestellungen dazu“, berichtet Dr. Lieb. Im Team der Station 10 ist dahingehend eine erfahrene Sozialarbeiterin tätig, die den Patienten bei Anträgen für die weiteren Behandlungen oder auch in Pflege- und Rentenfragen tatkräftig unterstützt. „Das Therapieangebot der AQUA-Station wird gut nachgefragt und die Patientenrückmeldungen sind fast durchweg positiv“, ergänzt Dr. Lieb. Bedenken, die vor Einrichtung der Station aufkamen, hätten sich mittlerweile zerstreut: Etwa ob ältere Drogenkranke und ältere Alkoholabhängige, die teils aus sehr unterschiedlichen sozialen Schichten und Milieus stammen, gemeinsam therapiert werden können. „Das funktioniert weitgehend problemlos“, kann Dr. Lieb aus ersten Erfahrungen berichten. „Im Alter gleichen sich die Lebens- und Gedankenwelten soweit an, dass sich viele Anknüpfungspunkte ergeben, die eine Kontaktaufnahme zwischen den Patienten begünstigen. Daraus entsteht insgesamt eine sehr therapie- und genesungsförderliche Atmosphäre auf der Station.“ Schon 1983 hatte das Suchtbehandlungszentrum am Evangelischen Krankenhaus Elsey mit der Einrichtung der ersten qualifizierten Drogenentzugsstation in Nordrhein-Westfalen eine Vorreiter-Funktion. Nun ist nach Eröffnung einer Alkoholentzugsstation und einer Jugendlichenstation in den letzten Jahren mit der „AQUA“-Station eine weitere große Innovation hinzugekommen.

Auch das Interesse der Fachwelt sei gegeben, konnte Dr. Lieb nach Vorstellungen des Stationskonzeptes auf dem letztjährigen Deutschen Suchtkongress in Hamburg und dem Kongress der deutschen Gerontopsychiatrie in Essen bestätigen. Kommenden Mittwoch wird er die Station auch lokal auf einer Fachtagung im Hohenlimburger Schloss präsentieren.