Hagen. . Sie reisten in Kriegsgebiete, sie organisieren Demos vor Ort. Der Verein Hagener Friedenszeichen macht sich in Hagen für den Frieden stark.
Dieses Symbol, eingelassen in das Pflaster der Innenstadt, jetzt leuchtet es zaubergleich bei Einbruch der Dunkelheit. Es leuchtet am Ende eines Konflikts. Aber mit der Politik, die die Kerzen, die Aktivisten am Friedenszeichen in der Hohenzollernstraße allabendlich aufstellten, störten, haben die Mitglieder des Vereins Hagener Friedenszeichen ihren Frieden längst gemacht. Wie unwichtig erscheint dieser Konflikt auch im Vergleich zu jenen, mit denen sie sich sonst beschäftigen.
Das Symbol verbindet diese Menschen, die vor 28 Jahren beim Einmarsch von US-Truppen im Irak zueinander gefunden haben, die im Januar 1991 tausende Menschen zu Demonstrationen auf die Hagener Straßen gebracht haben und noch heute Aktionen für den Frieden planen. „Jeder von uns hat eine eigene Geschichte“, sagt Netti Müller-Gross, „jeder hat Erfahrungen mit Krieg gemacht. Das Friedenszeichen hält uns zusammen.“
Als menschliches Schutzschild im Golfkrieg
Vielleicht ist sie eine Art Vorkämpferin, eine, die sich Zeit ihres Lebens selbst nicht geschont hat. Als junge Frau kam sie aus den Niederlanden. „Es hat mich immer interessiert, andere Sichtweisen einzunehmen“, sagt sie, „ich bin 1952 als junge Frau per Anhalter nach Deutschland gereist. Ich wollte wissen, wie es sich unter den verhassten Deutschen lebt.“
Mit ihrer liebenswerten aber bestimmten Art, mit ihrer Standhaftigkeit, steht diese schmächtige Frau für die Friedensbewegung in Hagen: Als die Hasper Hütte geschlossen war und die Bundeswehr auf dem Gelände der Walzstraße in Kückelhausen ein Übungsgelände einrichten wollte, klagte sie als Anwohnerin dagegen und gewann. Als im Golfkrieg US-Raketen auf Bagdad niedergingen, machte sie sich zu einem menschlichen Schutzschild und reiste in den Irak. Auch im Jugoslawien-Krieg war sie an der Seite jener, die vor den Bomben zitterten. „Ich habe mit Flüchtlingen in einer Turnhalle gesessen“, sagt sie, „meine Freundin hat gesagt: Bete, jetzt fallen die Bomben.“
Mahnwache in eiskalter Januar-Nacht
Auch Gertrud Nehls fühlt sich hingezogen zum Friedenzeichen und zum Allerwelthaus, das zum Zentrum für die Bewegung wurde. Damals, im Winter 1991, trotze sie in der Nacht vom 15. auf den 16. Januar der Kälte. Gemeinsam mit anderen hielt sie eine Mahnwache für den Frieden vor dem Hagener Rathaus, als die Amerikaner den Irak angriffen. Am nächsten Morgen zog sie mit hunderten Schülern, die für den Frieden streikten, durch die Innenstadt. Tags darauf waren es tausende.
Noch mit 77 Jahren – vor zwei Jahren – stritt sie für ihre Überzeugung. Weil sie nicht wollte, dass ein Teil der Steuern, die sie zahlte, für den Etat der Bundeswehr verwendet wird, klagte sie vor Gericht. Sie erschien ohne Anwalt, verlor und bedankte sich beim Richter dafür, dass sie Gehör gefunden habe.
Friedens-Aktivisten: Jugend heute besser als ihr Ruf
Netti Müller-Gross, Gertrud Nehls und all die anderen der ersten Stunde. Menschen, die – bis auf die Ausnahme René Röspel – die 70 Jahre überschritten haben. Was fehlt: der Nachwuchs. „Mit Ostermärschen spricht man Jugendliche heute nicht mehr an“, sagt Christian Kingreen, der selbst drei Kriege erlebt und in Vietnam und Westafrika als junger Mediziner gearbeitet hat, „aber eine große Mehrheit ist gegen kriegerische Auseinandersetzung. Darauf kann man bauen.“
So sieht das auch René Röspel, der sich als Jüngster seit der ersten Stunde einbringt, seit 1998 für die SPD im Bundestag sitzt und bei Entscheidungen über Bundeswehreinsätze immer wieder gegen seine Fraktion gestimmt hat: „Frieden ist für uns normal geworden. Das ist auch gut so. Aber die Jugendlichen heute sind besser, kritischer, engagierter als ihr Ruf.“