Hagen. . Mit modernster Technik bekommt ein 5500 Jahre alter Schädel aus der Blätterhöhle ein Gesicht. Künftig wird er in Hagen präsentiert.
Gut ernährt, eigentlich gesund, aber doch laktoseintolerant. Und: Diese Frau ist in Wirklichkeit ein Mann. Einer, von dem sich die Wissenschaftler jetzt ein ziemlich genaues Bild machen können. Weil der professionelle 3-D-Visualisierer Lukas Fischer einem Schädel, der vor gut 5600 Jahren in der Blätterhöhle deponiert und vor rund zwölf Jahren gefunden worden ist, ein Gesicht gegeben hat.
„Das“, so sagt Dr. Jörg Orschiedt, der von Beginn an die Ausgrabungen an der Blätterhöhle in Hagen leitet, „ist die erste virtuelle Rekonstruktion eines Jäger-Sammlers aus der späten Mittelsteinzeit.“ Die nächste wissenschaftliche Sensation „Made in Hagen“.
Forscher halten Mann lange für Frau
Dass die Forscher lange Jahre davon ausgingen, dass dieser Schädel einer Frau gehörte, dass eine Rechtsmedizinerin davon einst ein weibliches Modell fertigte, das mit ein bisschen Fantasie zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit der neuen Computeranimation hat – das ist (jüngere) Geschichte.
Die allerdings verläuft rasant. Weil zum einen die Höhlenforscher um Dr. Jörg Orschiedt in der Blätterhöhle und auf dem Vorplatz permanent neue Funde zu Tage bringen, weil sich aber auch – wie in diesem Fall – wissenschaftliche Methoden und Möglichkeiten in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt haben. So lassen sich auch zu älteren Funden neue Erkenntnisse gewinnen.
Verschiedene Gruppen leben nebeneinander
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„Wir wissen jetzt beispielsweise, dass unser Mann sich vor allem von Fisch ernährt und keine Milch vertragen hat“, sagt Dr. Jörg Orschiedt. „Er war ein Jäger und Sammler, der aber auch die DNA von sesshaften Ackerbauern in sich trägt. Das zeigt, dass diese verschiedenen Gruppen hier nicht nur nebeneinander existiert haben, sondern sich auch durchmischt haben.“ Eine steinzeitliche Integration inklusive Liebesleben.
Lukas Fischer ist der Mann, der dem Steinzeitmann quasi in die virtuelle Neuzeit gebeamt hat. Mit Methoden, wie sie auch in der Forensik angewendet werden, mit Wissen, das sich beispielsweise aus markanten Punkten auf der Schädelfläche ergibt und mit Annahmen, die auf Forschungsergebnissen beruhen.
Jäger mit dunkler Haut und blauen Augen
„
So ist man lange Zeit davon ausgegangen, dass die Menschen in dieser Gegend eine helle Haut hatten“, sagt Orschiedt, „heute wissen wir: Sie war dunkel gefärbt. Die meisten hatten wohl wie unser Mann blaue Augen.“ Ob der junge Mann, der nicht voll ausgewachsen war und im Alter zwischen 17 und 22 Jahren wohl ohne Gewalteinwirkung verstorben ist, allerdings wie auf dem animierten Bild einen Bart und lange Haare hatte, könne man nicht sagen. „Aber wir haben hier ein Phantombild, mit dessen Hilfe man ihn mit Sicherheit wiedererkennen könnte“, sagt Orschiedt.
Das Bild ist mehr als ein Bild. Es ist ein Bewegtbild, ein kleiner Film, in dem ersichtlich wird, wie die Überreste eines Schädels ergänzt werden und sich daraus schließlich ein Gesicht ergibt.
Film im Museum für Ur- und Frühgeschichte zu sehen
Präsentiert werden soll dieser Film, den die Stadt Hagen in Auftrag gegeben hat und an dessen Finanzierung und Realisierung der Landschaftsverband Westfalen-Lippe Anteil hat, zusammen mit dem Schädel und vielen anderen Fundstücken in einem eigenen Raum im Museum für Ur- und Frühgeschichte im Wasserschloss Werdringen. „Das ist genau der richtig Rahmen“, sagt Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Wissenschaft, Museen und Archive bei der Stadt Hagen. Im April soll der Raum fertig sein.