Hagen. . 2018 kehrten 678 Menschen in Hagen der katholischen und der evangelischen Kirche den Rücken. So viele waren es bisher nur 2014. Das hat Folgen.

Die Zahl der Kirchenaustritte war 2018 in Hagen so hoch wie fast noch nie. 354 Menschen kehrten der evangelischen, 324 der katholischen Kirche den Rücken. Nur im Jahr 2014 war die Zahl höher, damals registrierte das zuständige Amtsgericht Hagen insgesamt 916 Austritte.

Für Norbert Bathen, Dechant der katholischen Kirche, kommt diese Entwicklung nicht überraschend. Sicherlich habe der Missbrauchsskandal entscheidend dazu beigetragen, dass im vergangenen Jahr so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten seien.

Bedeutungsverlust von Religion

Gleichwohl verzeichneten die beiden großen Kirchen schon seit Jahrzehnten einen Abwärtstrend, der mit einem Bedeutungsverlust von Religion in der Gesellschaft und beim Einzelnen einhergehe. „Mein persönliche Meinung: Es ist auch keine Umkehr in Sicht, sondern dieser Trend wird sich fortsetzen. Das macht mich betroffen, aber ich muss damit leben, seit ich in der Kirche aktiv bin.“

Die Kirchengemeinden in Hagen und die Zahl ihrer Mitglieder.
Die Kirchengemeinden in Hagen und die Zahl ihrer Mitglieder. © Manuela Nossutta / Grafik

Die hohe Zahl der Kirchenaustritte, der Priestermangel und die abnehmende Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement in den Gemeinden führen zu organisatorischen Veränderungen in den Kirchen. So wird es in der evangelischen Kirchengemeinde Haspe künftig nur noch drei Pfarrbezirke geben, im Hagener Norden wurden die katholischen Pfarreien St. Antonius in Kabel und Christ König in Boelerheide aufgelöst und der Pfarrei St. Johannes Boele angegliedert (lesen Sie dazu unseren Artikel auf Lokalseite 4). Möglicherweise wird es zukünftig zu weiteren Verschmelzungen kommen.

Demografische Entwicklung

Die evangelische Kirche erklärt die sinkenden Mitgliederzahlen ein Stück weit auch mit der demografischen Entwicklung. „Menschen, die ganz selbstverständlich ihr Leben lang zur Kirche gehört haben, versterben“, so Pfarrer Henning Waskönig, stellvertretender Superintendent im Kirchenkreis Hagen: „Und es werden nicht im gleichen Maße Kinder geboren, die dann auch getauft werden.“ Kirchenzugehörigkeit werde nicht fraglos vererbt, sondern kritisch hinterfragt.

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Die Gründe dafür, dass manche Menschen der Kirche den Rücken kehrten, seien unterschiedlich. Vielleicht seien sie enttäuscht worden, hätten sich geärgert oder wollten ihr Geld anders einsetzen, so Waskönig: „Für uns als Kirche stellt sich die Frage: Wie kann es gelingen, dass Menschen entdecken, dass die Mitgliedschaft in der Kirche sinnvoll für sie selbst und für andere ist? Und die Antwort auf diese Frage muss Konsequenzen für das kirchliche Leben haben, das ja mehr ist als der sonntägliche Gottesdienst.“

Ökumenische Zusammenarbeit

Zentral bleibt auch der kirchliche Auftrag, Sorge für die Menschen zu tragen. Das geschehe tagtäglich in der Alten- und Krankenpflege, im Engagement für sozial Benachteiligte oder Geflüchtete, in der ökumenischen Beratungsstelle ZeitRaum: „Es ist selbstverständlich, dass Kirche das tut. Aber wir dürfen es auch selbstbewusst kommunizieren, um den Menschen zu zeigen, was alles zur kirchlichen Arbeit gehört.“

Die Ökumene sei wichtig, betont Waskönig: „Bei sinkenden Gemeindegliederzahlen ist es vernünftig und sinnvoll, an der einen oder anderen Stelle eng zusammenzuarbeiten.“

Absage an Reformen

Dechant Norbert Bathen hält es für ausgeschlossen, dass die Umsetzung häufig geforderter Reformen wie die Zulassung der Priesterehe bzw. die Aufhebung des Zölibats bei den Katholiken eine Trendwende herbeiführen könnten. In der evangelischen Kirche seien diese Prämissen ja Realität: „Und den Protestanten geht es nicht besser als uns.“

Nicht innerkirchliches Handeln, sondern nur außerkirchliche Ereignisse könnten dazu führen, dass die Religion gegenüber Säkularisierung und Individualisierung wieder mehr Bedeutung erlange: „Was für Ereignisse das sein sollten, weiß ich aber nicht.“