Eilpe. . Seit 1999, als Armut in Hagen sichtbarer wurde, Jahren gibt es die Kleiderkammer in Eilpe. Doch es kommen auch Leute aus der Mittelschicht.

Es ist 14 Uhr und der Flur füllt sich. Aus anfangs vier Frauen werden schnell zwei Dutzend, außerdem warten ein paar Kinder und Männer vor dem Eingang zur Kleiderkammer. Jeden ersten Montag im Monat ist das Bild ein ähnliches. „Zwischen 40 und 50 Leute kommen, um hier für kleines Geld Garderobe zu kaufen“, sagt Renate Feist, die seit knapp 14 Jahren beim „Tag der offenen Kleiderkammer“ mithilft. Die Menschen, die hierher kämen, könne man nicht über einen Kamm scheren, sagt Renate Feist, „die meisten sind sicherlich finanziell sehr schlecht gestellt, doch es kommen auch Leute aus der Mittelschicht. Sie wollen einfach mal durch die Regale und über die Tische schauen und sehen die Kleiderkammer als Art Second-Hand-Laden an.“

Früher mehr ältere Leute

Früher seien mehr ältere Leute, die schon ewig im Viertel gelebt hätten, gekommen, heute sei der Anteil der Gäste mit Migrationshintergrund um ein Vielfaches höher. Besonders Frauen aus Südosteuropa nutzen die Möglichkeit, günstig an Jacken, Hosen oder Pullover für sich und ihre Familien zu kommen. „Wir heißen jeden Gast willkommen, begegnen jedem Menschen mit Respekt“, betont Marita Kunz. Die Eilperin hilft ehrenamtlich seit fast 20 Jahren in der Kleiderkammer mit und ergänzt: „Und wir duzen Leute, die wir nicht kennen, auch nicht einfach.“

1999 – also vor 20 Jahren – wurde die Armut in Deutschland und auch in Hagen spürbar sichtbarer. „Damals haben wir uns entschlossen, im Gemeindehaus eine Kleiderkammer samt Klön-Café einzurichten“, blickt Michael Dahme, Pfarrer der ev.-luth. Gemeinde in Eilpe, zurück.

„Wühlen macht Spaß“

Schnell sei man sich einig darüber gewesen, die Kleidung nicht zu verschenken, sondern gegen einen kleinen Obolus abzugeben. „Wir wollen schließlich die Würde der Menschen achten und ihnen nicht das Gefühl vermitteln, sie seien Almosenempfänger“, sagt Michael Dahme.

Pfarrer Michael Dahme 
Pfarrer Michael Dahme  © Yvonne Hinz

Um Punkt 14.30 Uhr wird die Tür zur Kleiderkammer aufgeschlossen und die Menschen strömen hinein. Die sortierten Stapel an T-Shirts, Pullover und Hemden werden durchwühlt, der Tisch mit Schuhen ist nach fünf Minuten durcheinander, anprobierte Jacken liegen plötzlich irgendwo. „Das ist nicht schlimm. Wir räumen nachher wieder auf“, sagt Lieselotte Ellner. „Das Wühlen macht den Leuten Spaß, das Wühlen gehört einfach dazu. Es ist doch verständlich, dass unsere Gäste die Kleidung von uns nicht zugeteilt bekommen möchten, sondern sie eigenständig aussuchen wollen“, sagt die ehrenamtliche Helferin, die seit fast fünf Jahren im Gemeindehaus In der Welle 36 mithilft.

Zehn feste Helfer

Allerdings ist sich das Helferinnen-Team, das aus zehn Frauen besteht, in einem Punkt einig: Das Schachern, das in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, mag es gar nicht. „Ein Pullover kostet zwischen einem und zwei Euro – da lassen wir doch nicht noch mit uns handeln“, schüttelt Lieselotte Ellner resolut den Kopf. „Übrigens kaufen wir hier selbst auch schon mal ein Teil, das uns gefällt, ein. Und bezahlen natürlich auch dafür“, ergänzt Renate Feist.

Unverschämt und dreist finden es die Helferinnen, dass einige Leute ihnen schimmelige, völlig mit Matsch beschmierte Schuhe oder stinkende, durchlöcherte Garderobe „spenden“. „Das ist manchmal schon traurig, was wir bekommen“, sagt Renate Feist, „diesen Müll können wir nicht mal nach Bethel weitergeben“. Zum Hintergrund: Garderobe, die nicht für die Kleiderkammer geeignet ist, wird einmal pro Monat von einem Fahrzeug, das zur Bethel-Verwertungsstelle in Bielefeld fährt, abgeholt. „Alles kommt in einen Reißwolf und wird zu Putzlappen verarbeitet“, so die Helferinnen.

Küsterin nimmt Kleidung an

Wie die Annahme der Kleidung in Eilpe läuft? Jeden Mittwoch kann Garderobe im Vorflur des Gemeindehauses deponiert werden, die Küsterin nimmt die Kleidung an. Jeden zweiten Freitag im Monat rücken die Gemeindefrauen für jeweils vier Stunden an, kontrollieren und sortieren die Spenden.

Eine Winterjacke für  vier bis fünf Euro

Die Kleiderkammer im Gemeindehaus In der Welle 36 öffnet jeden ersten Montag im Monat von 14.30 bis 16.30 Uhr.

Die Spenden werden nach Damen-, Herren- und Kindergarderobe sowie nach Bettwäsche sortiert.

Ein Pullover kostet ein bis zwei Euro, eine Winterjacke vier bis fünf Euro, ein Paar Schuhe zwei Euro.

Eine nicht selten körperlich anstrengende Arbeit – Stoffe in Säcken sind schwer und die engagierten Frauen sind zwischen 60 und 85 Jahre alt.

Nächstenliebe und Fürsorge

Wenn an jedem ersten Montag dann die Kleiderkammer öffnet, schreiben die Frauen Nächstenliebe und Fürsorge groß, sie brauchen aber auch Geduld und Durchsetzungsvermögen. „Doch es macht Spaß, zu helfen. Wir sind ein gutes Team“, sagt Marita Kunz.

Das sieht auch Peter, 61, so. Der in Haspe lebende Mann kommt seit 18 Jahren in die Eilper Kleiderkammer. Und ist froh, dass es Einrichtungen wie diese und das soziale Möbelhaus Werkhof gibt. Einen kleinen Betrag für die Garderobe zu zahlen, findet Peter richtig: „Arm sein heißt ja nicht, dass man gar nichts hat. Man kann sich nur vieles nicht leisten.“