Hagen. . Die Deutsche Umwelthilfe klagt gegen die schlechte Luftqualität in Hagen. Damit könnten nach einem Richterspruch Verbote für Dieselfahrer drohen.
Jetzt drohen auch den Dieselfahrern in Hagen Fahrverbote: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat am Montag beim Oberverwaltungsgericht in Münster Klagen für „Saubere Luft“ in Hagen, Bielefeld, Oberhausen und Wuppertal eingereicht. Damit befindet sich Hagen in bester Gesellschaft mit 33 weiteren Kommunen, davon allein 14 aus NRW.
In allen vier Städten wird der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) im Jahresmittel fortwährend erheblich überschritten. Ziel der Klagen ist die Einhaltung des bereits seit 2010 verbindlich geltenden NO2-Grenzwerts noch im Jahr 2019.
Das sagt die Deutsche Umwelthilfe
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, betont: „Der EU-Grenzwert dient dem Schutz unserer Gesundheit. Er steht nicht zur Debatte und gilt seit 2010. Doch die Landesregierung verweigert den Bürgern in Hagen die ihnen rechtlich zustehende saubere Luft.“ Daher sehe seine Organisation keine andere Möglichkeit als juristisch geltendes Recht durchzusetzen.
Gerichtsentscheidung schon 2019 möglich
Diesel-Pkw tragen nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe mit ihren Stickstoffdioxid-Ausstößen wesentlich zu mehr als 800.000 jährlichen Neuerkrankungen an Diabetes und Asthma sowie zu knapp 13.000 vorzeitigen Todesfällen bei.
Das Umweltbundesamt hatte zuletzt mit einer Studie verdeutlicht, dass bereits bei Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes mit 437.000 Neuerkrankungen an Diabetes Mellitus und 439.000 Asthmaerkrankungen zu rechnen ist.
Durch eine Änderung im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz 2017 ist für die Klagen für „Saubere Luft“ neuerdings direkt das Oberverwaltungsgericht zuständig. Durch diese Verweisung wird eine gerichtliche Instanz übersprungen, so dass Entscheidungen zur Änderung von Luftreinhalteplänen deutlich schneller fallen werden – im Fall Hagen voraussichtlich im Jahr 2019.
„Wir brauchen eine wirkliche Verkehrswende. Unsere Städte ersticken sonst am motorisierten Individualverkehr und an giftigen Dieselabgasen“, meint der Kläger. Offensichtlich seien gegen den Widerstand der Dieselkonzerne nur die Gerichte in Deutschland in der Lage, geltendes Recht und Gesetz durchzusetzen.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte zuletzt das Jahr 2019 als letztmöglichen Zeitpunkt zur Einhaltung des EU-weit gültigen Jahresmittelwerts von 40 µg/m³ höchstrichterlich festgelegt. Im Fall Hagen werden an den beiden Messstationen am Märkischen sowie am Graf-von-Galen-Ring aktuell jeweils 48 µg/m³ gemessen.
Das sagt die Hagener Politik
„Mit diesem Schritt, der nur folgerichtig ist, mussten wir rechnen. Die Deutsche Umwelthilfe pocht lediglich auf geltendes Recht und Gesetz“, stellt Grünen-Ratsherr Hans-Georg Panzer klar. Die Politik in Hagen sei bislang vor ernsthaften Diskussionen zu den Luftproblemen immer zurückgeschreckt.
„Tempo 30 in der Finanzamtsschlucht wäre ein richtiges Signal gewesen – das hätte immerhin eine Verbesserung von zwei bis drei Mikrogramm gebracht“, rechnet Panzer vor. Allerdings erwartet der Vorsitzende des Umweltausschusses keine Fahrverbote in Hagen: „Da gibt es ganz andere Kandidaten wie Düsseldorf oder Stuttgart.“ Sollte es dennoch dazu kommen, hänge der Fahrverbotsradius vom Urteil ab. „In meinen Augen wäre es unverhältnismäßig die gesamte Innenstadt für Dieselfahrzeuge zu sperren – aber das ist am Ende alles Spökenkiekerei.“
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Wenig überrascht zeigte sich gestern auch CDU-Fraktionschef Stephan Ramrath, hoffte aber gleichzeitig, dass Fahrverbote noch abgewendet werden können: „Mit dem Verwaltungsgericht Wiesbaden hat inzwischen erstmals ein Gericht auf eine außergerichtliche Einigung zwischen Land und DUH hingewirkt. Vielleicht gelingt das im Sinne der Verhältnismäßigkeit auch beim OVG Münster. Möglicherweise erkennt das OVG auch, welche negativen flächenhaften Folgen punktuelle Fahrverbote auf Hagens City auslösen würden.“
„Unsere Stadt und alle Diesel-Fahrer werden für die unverantwortliche Haltung der Autoindustrie bestraft“, ärgert sich derweil der umweltpolitische Sprecher der SPD, Werner König. „Mögliche Fahrverbote führen nur zu einer Verdrängung der Verkehre in die Wohngebiete. Die Luftreinhaltepläne für die Stadt Hagen, die bei der Bezirksregierung liegen, sehen die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs und den Ausbau von Park & Ride vor. Darauf drängt die SPD seit Jahren, doch umgesetzt hat die Verwaltung davon bislang nichts.“
Das sagt der Oberbürgermeister
Oberbürgermeister Erik O. Schulz reklamiert derweil für die Stadt, alles getan zu haben, was möglich war: „Wenn die Bahnhofshinterfahrung fertig ist, haben wir die kritischen Punkte im Stadtgebiet von vier auf einen Hotspot reduziert.“ Er sehe aktuell keine Schnellmaßnahme mehr, die realistisch möglich sei und wirken würde. „Jetzt muss der Druck der Bundesregierung auf die Autohersteller deutlich höher werden“, sieht der OB das Heft des Handelns in Berlin.