Wehringhausen. . Der Tunesier, der in Hagen versucht haben soll, einen Mann zu erschießen, hat viele Verfahren hinter sich. Doch keines wiegt bislang schwer genug

Diesmal geht es um versuchten Totschlag. Es ist der bislang härteste Vorwurf gegen einen Tunesier (33), der es in den vergangenen 18 Jahren auf 15 Anklagen brachte. Und gerade dieser Umstand, über den die WP berichtet hatte, sorgt für heftige Diskussionen: Warum ist der Mann, der versucht haben soll, in der Augustastraße einen 37-Jährigen niederzuschießen, angesichts der Vorbelastungen nicht abgeschoben worden? Offensichtlich hat das die Rechtslage bis dahin nicht hergegeben. Doch jetzt könnte es eng für den Mann werden, der nach dem Ausländerrecht bislang eine „Niederlassungserlaubnis hatte. So jedenfalls die Bewertung eines Strafrechtlers.

Der Fall

Er soll am 12. Juli, mittags um 12.42 Uhr auf der Augustastraße in Wehringhausen mehrfach versucht haben, mit einer scharfen Pistole (Kaliber 7,65) einen Kontrahenten zu erschießen. Jedoch klemmte die Waffe. Staatsanwalt Nils Warmbold nennt es „eine Fehlfunktion“, die dem Gegner offenbar das Leben rettete.

Der Iraner (37), dem die verhinderten Schüsse galten (ein Anwärter des Rockerclubs Bandidos), griff zum Messer, rammte es dem vermeintlichen Angreifer in den Bauch. Der kam schwer verletzt ins Allgemeine Krankenhaus und befindet sich nun im geschlossenen Justizkrankenhaus Fröndenberg.

Der Strafrechtler

Auf der einen Seite hat der 33-Jährige nach WP-Informationen eine Niederlassungserlaubnis. Die ist gemäß dem Ausländerrecht unbefristet und berechtigt zur Erwerbstätigkeit in Deutschland. Um diese zu erhalten, muss man in der Regel seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und weitere Voraussetzungen erfüllen: zum Beispiel seinen Lebensunterhalt eigenständig sichern.

Auf der anderen Seite liegt der Redaktion eine vierseitige „Auskunft aus dem Bundeszentralregister“ vor: Der erste Eintrag, da war der Tunesier 15 Jahre, lautet auf „räuberische Erpressung“. Verurteilt wurde er in den Folgejahren noch viermal vom Amtsgericht Hagen, von den Amtsgerichten in Gelsenkirchen, in Dortmund und in Neuss. Doch eine höhere Freiheitsstrafe, die eine Ausweisung gesetzlich gerechtfertigt hätte, war nicht darunter.

Strafrechts-Professor Osman Isfen.
Strafrechts-Professor Osman Isfen. © privat

„Nach dem Aufenthaltsgesetz, das seit 2016 bereits viermal in diesem Punkt verschärft wurde, müsste dafür grundsätzlich eine rechtskräftige Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorliegen“, erklärt Strafrechts-Professor Osman Isfen von der Fernuniversität Hagen. „Wenn es sich aber um Straftaten unter anderem gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit handelt, reicht schon eine Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis aus. Dann wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer.“

Bei den misslungenen Schüssen in der Augustastraße könnte das der Fall sein. Versuchter Totschlag wird in der Regel mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren geahndet. Prof. Osman Isfen: „Sollte sich der jetzige Vorwurf bestätigen, würde es nach der gegenwärtigen Rechtslage sehr eng für den Beschuldigten“.

Weitere Verfahren

Der Fall aus der Auguststraße ist nicht der einzige, mit dem der 33-Jährige aktuell die Justiz beschäftigt. Im September stehen zunächst noch drei weitere Verfahren an: Bei einer Kontrolle am Bodel­schwinghplatz hatten Polizisten Haschisch, Marihuana und Amphetamine in seiner Umhängetasche entdeckt . Bei einer anderen in der Minervastraße waren es Hasch, Marihuana und Kokain.

>>>HINTERGRUND Verteidiger Dr. Christof W. Miseré. Foto: Michael Kleinrensing

  • Dr. Christof Miseré hat angekündigt, die Verteidigung des 33-jährigen Tunesiers im möglichen Schwurgerichtsverfahren zu übernehmen, wenn es zu einer Anklage wegen versuchten Totschlags kommen sollte.
  • Der Kölner Anwalt verteidigte auch den Mann, der der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker in den Hals stach. In Hagen kennt man Miseré als Verteidiger von Nuhsan C. – alias Gangster-Rapper „Jigzaw“, dessen Berufung im August ansteht.