Wehringhausen. . Beim blutigen Streit in der Augustastraße war er der Haupttäter: Doch der 33-Jährige spielte bereits in anderen Gerichtsprozessen eine Rolle.

Genau sechs Tage lang bewachten jeweils zwei Polizeibeamte das Patientenzimmer im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) rund um die Uhr. Dann erschien Amtsrichter Dr. Thorsten Opitz am Krankenbett des 33-Jährigen und verkündete ihm den Haftbefehl. Für den bärtigen Tunesier nichts Ungewöhnliches – hat er doch bereits viel Erfahrung im Umgang mit der Justiz.

Diebstahl, Drogenhandel, Widerstand gegen Polizeibeamte, gefährliche Körperverletzung. Eine bewegte Vergangenheit. Der Vorwurf, der jetzt gegen ihn erhoben wird, übertrifft jedoch alles: versuchter Totschlag.

Am Donnerstag, 12. Juli, soll der 33-Jährige mittags um 12.42 Uhr auf der Augustastraße in Wehringhausen mehrfach versucht haben, mit einer scharfen Pistole (Kaliber 7,65) einen Kontrahenten niederzustrecken. Jedoch klemmte die Waffe. Beim vergeblichen Durchladen flogen Projektilteile auf die Straße. Staatsanwalt Nils Warmbold (35) spricht von einer „Fehlfunktion“. Die Ladehemmung rettete seinen Gegner (37), dem kurzerhand noch der Pistolenknauf über den Kopf geschlagen wurde, wohl das Leben. Und brachte den mutmaßlichen Angreifer letztlich auf die Intensivstation.

Kontrahent ist Bandido-Anwärter

Denn der Mann, dem die verhinderten Schüsse galten, stieg wütend von seiner Harley Davidson (Typ Screamin’ Eagle) und wehrte sich: Er rammte dem 33-Jährigen ein Messer in den Bauch. Schwerverletzt kam der Tunesier in die Notaufnahme. Der Klingenangriff des Motorradfahrers, übrigens ein Anwärter des Rockerclubs „Bandidos“, dürfte für diesen kein juristisches Nachspiel haben: Seine Attacke wird vom Staatsanwalt als Notwehr eingestuft.

So konzentrieren sich die Ermittlungen auf den Tunesier, der sich, als Haftrichter Dr. Opitz an seinem Krankenbett steht, völlig erstaunt über den Vorwurf zeigt, auf jemanden geschossen zu haben. Der verbotene Umgang mit Pistolen dürfte ihm jedoch nicht allzu fremd sein: Schon im März 2014 wurde er vom Amtsgericht Dortmund wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt.

Bereits als 15-Jähriger stand der Tunesier erstmals vor dem Richter. Räuberische Erpressung, so der Vorwurf im Jahr 2000 vor dem Jugendgericht. Seitdem versteht es der 33-Jährige, die Justiz zu beschäftigen. In den vergangenen 18 Jahren brachte er es auf stolze 15 Anklagen. Im September stehen die nächsten drei Prozesse an.

Vorwurf: Entführung

Doch zweimal schlüpfte er erfolgreich durch die Maschen der Justiz. So war der Tunesier im November 2017 wegen schwerer räuberischer Erpressung und erpresserischen Menschenraubes angeklagt. Der Vorwurf vor dem Landgericht: Er und ein Mittäter hätten einen jungen Hagener (19) im Mai 2017 vom Aldi-Parkplatz in Wehringhausen in einen schwarzen Mercedes gezerrt und gekidnappt.

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Während der Fahrt nach Gevelsberg sollen eine Pistole und ein Messer eingesetzt worden sein, um 25 000 Euro Lösegeld zu erpressen. Für den 33-Jährigen, der seinerzeit vier Monate lang in Untersuchungshaft saß, wurden 30 000 Euro Kaution eingezahlt, dann kam er frei. Nachdem er auf eine Haftentschädigung verzichtet hatte, stellte die Kammer das Strafverfahren gegen ihn ein.

Ein weiteres Verfahren vor dem Landgericht endete für den 33-Jährigen im Dezember 2014 mit einem Freispruch. Damals war er beschuldigt worden, unter dem Namen „Mustafa“ einen Drogenabhängigen gezwungen zu haben, die Sparkasse am Wilhelmsplatz zu überfallen und ihm 5000 Euro aus der Beute zu überlassen. Doch das Gericht befand, er sei nicht „Mustafa“.

Am Dienstag wurde der 33-Jährige aus dem Allgemeinen Krankenhaus abgeführt und ins Justizkrankenhaus Fröndenberg gebracht. Dort müssen nun keine Polizeibeamten mehr vor seinem Zimmer ausharren.