Hagen. . Der Hagener Arbeitsagenturchef Marcus Weichert geht. Im Interview zum Abschied hinterlässt er noch einmal Spitzen gegen den Oberbürgermeister.

Seinen weiten Blick aus der 16. Etage des Hagener Arbeitsagentur-Hochhauses hat Marcus Wei­chert am Dienstag zum letzten Mal genossen. Es war nach fast genau drei Jahren sein letzter Bürotag als Chef der Hagener Arbeitsagentur. Er leitet nun die Arbeitsagentur Bergisch-Gladbach. Dort sitzt er künftig nur im sechsten Stock: „Ich kann aber in der Ferne den Kölner Dom sehen.“ Im Interview zieht Weichert, der mit seinen Wortmeldungen polarisiert hat, Bilanz.

Sie haben sich in Ihrer Zeit in Hagen auch öffentlich zu Themen geäußert, die nicht im engeren Sinne zur Aufgabe eines Behördenleiters gehören. Wollen Sie das im neuen Amt auch tun?

Marcus Weichert: Ja, natürlich. Denn das mache ich aus Überzeugung und Leidenschaft. Das hat mit Sicherheit nicht jedem gefallen. Aber wenn ich sehe, wie viele E-Mails ich auch aus Unternehmen erhalten habe, die mir schreiben, dass sie meinen Weggang bedauern, dann war das offensichtlich doch nicht so falsch.

Warum haben Sie sich denn geäußert – etwa zum Wirtschaftsstandort Hagen?

Nirgends steht doch geschrieben, dass Hagen so eine hohe Gewerbesteuer haben muss. Wenn eine wirtschaftliche Dynamik entsteht, dann steigen auch die Einnahmen. Und ich denke: Ein Oberbürgermeister müsste da so etwas wie der oberste Wirtschaftsförderer sein. Es muss eine Atmosphäre entstehen, dass sich Unternehmen ansiedeln und es ein Klima gibt, das Lust auf Selbstständigkeit macht.

So einträchtig wie hier auf diesem Bild war das Miteinander zwischen Arbeitsagentur, Jobcenter und Stadt in den vergangenen drei Jahren nicht immer  ( vl.): Marcus Weichert Geschäftsführerin Jobcenter Hagen Andrea Gebhardt, Reinhard Goldbach, Fachbereichsleiter Fachbereich Jugend und Soziale und OB Erik O. Schulz bei der  Eröffnung der Jugendberufsagentur .
So einträchtig wie hier auf diesem Bild war das Miteinander zwischen Arbeitsagentur, Jobcenter und Stadt in den vergangenen drei Jahren nicht immer ( vl.): Marcus Weichert Geschäftsführerin Jobcenter Hagen Andrea Gebhardt, Reinhard Goldbach, Fachbereichsleiter Fachbereich Jugend und Soziale und OB Erik O. Schulz bei der Eröffnung der Jugendberufsagentur . © Michael Kleinrensing

Glauben Sie, dass Sie in Ihrer Hagener Zeit erfolgreich waren?

Als ich im April 2015 begonnen habe, lag die Arbeitslosenquote bei 10,9 Prozent, zwischenzeitlich ist sie auf 11,7 Prozent gestiegen. Jetzt liegt sie im Mai bei wahrscheinlich 9,4 Prozent. Bei der Jugendarbeitslosigkeit liegt Hagen nur noch knapp über dem NRW-Schnitt.

Ist das wirklich ein Verdienst des Arbeitsagenturchefs? Oder ist das nicht viel mehr der guten Konjunktur geschuldet?

Die war sicherlich sehr hilfreich. Aber ich kann mich erinnern, dass auch namhafte Unternehmen binnen kurzer Zeit Hagen verlassen haben. Dass wir trotzdem eine positive Entwicklung haben, liegt sicherlich auch an der Arbeit der Arbeitsagentur. Wir haben einen gemeinsamen Arbeitgeberservice von Agentur und Jobcenter geschaffen, gleiches gilt für den Integration-Point für Flüchtlinge und Zuwanderer sowie die Jugendberufsagentur. Unsere Kunden haben hier jetzt klarere Strukturen, werden nicht von einem Ansprechpartner zum anderen geschickt. Das wirkt.

Wo sind Sie gescheitert?

Gescheitert würde ich nicht sagen. Aber die Anfangszeit mit dem Streit mit der Stadt um die Besetzung der Geschäftsführung im Jobcenter hat Zeit gekostet. Die Diskussion war nötig, aber am Ende nicht effektiv. Und es hat in meiner Hagener Zeit keine größeren Unternehmensansiedlungen mit vielen Arbeitsplätzen gegeben.

Wenn Sie jetzt gehen, wird Ihnen nicht jeder eine Träne hinterher weinen...

Nein, sicherlich auch nicht auf der Chefetage in der Stadtverwaltung. Aber das gehört zum Job dazu. Wenn man auf gewisse Umstände in einer Stadt trifft, da muss man schon mal nerven. Es muss eine Aufbruchstimmung her in der Stadt. Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit von Oberbürgermeister Erik O. Schulz. Er kennt sich bestens in Hagen aus. Die Frage ist, ob jemand, der so tief verwurzelt ist, wirklich einen Sanierungskurs fahren oder gar revolutionär neue Ideen haben kann.

Sagen Sie Hagen jetzt endgültig ade?

Ich habe Hagen lieben gelernt, das ist mein Ernst. Auch, weil es mich an meinen Heimatbezirk in Berlin erinnert. Und vielleicht verschlägt es mich auch noch mal nach Hagen – aber nicht als Arbeitsagentur-Chef.