Hagen. . Er rechnete schon vor, dass Rapper Kollegah bis zu 60 000 Euro Vorschuss zahlen würde, wenn er frei kommt. Doch Nuhsan C. bleibt lange in Haft.
Nuhsan C. (24), bekannt als Gangster-Rapper „Jigzaw“, und seine zahlreichen Anhänger im Gerichtssaal wähnten sich bereits in Siegeslaune: Alles schien gut zu laufen. Soeben hatten Staatsanwalt Nils Warmbold und Verteidiger Dr. Christof Miseré (Köln) vor dem Schöffengericht unisono Freispruch gefordert, das Gericht hatte sich ins Beratungszimmer verzogen.
Der schwere Anklagevorf, Nuhsan C. habe im vergangenen Juli am Wilhelmsplatz mit einer Machete auf den jungen Polen Patryk B. (25) eingestochen und diesen schwer verletzt, schien sich nach der Beweisaufnahme selbst für den Ankläger nicht bestätigt zu haben. Er beantragte deshalb sogar eine Entschädigung für den Gangster-Rapper wegen zu Unrecht erlittener Untersuchungshaft.
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Lange Pause, doch dann die Urteilsverkündung mit Knalleffekt: Nuhsan C. muss für drei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis.
Unruhe bricht aus, laute Zwischenrufe von Seiten der Fans schallen durch den Gerichtssaal, Justizwachtmeister greifen energisch ein und weisen die Störer aus dem Raum. Für Nuhsan C. scheint eine Welt zusammenzubrechen. Er trommelt apathisch mit seiner Faust auf die Anklagebank, wirkt völlig fassungslos. In diesem Augenblick ist der greifbar nahe Traum von Freiheit und der großen Rapper-Karriere erstmal geplatzt.
Sein umstrittener Förderer und Unterstützer, der prominente Rapper Kollegah, hatte am Abend zuvor noch einen wichtigen Musikpreis, den „Echo“ abgeräumt. In dessen Firma, dem Braunschweiger Musikverlag „Alpha Music Empire“, war der Angeklagte jüngst unter Vertrag genommen worden.
„Kollegah ist der erfolgreichste Künstler aus Deutschland“, hatte Nuhsan C. kurz vor seiner Verurteilung noch voller Stolz geschwärmt, „50 000 bis 60 000 Euro Vorschuss, bin ich sicher, werden sie mir geben“, zeigte er sich überzeugt, „auch Untergrundkünstler machen viel Geld.“
Diese Luftschlösser sind nun abrupt eingestürzt – die große Gangster-Rapper-Karriere und der Traum vom großen Reichtum für dreieinhalb Jahre in weiter Ferne.gerückt.
Der 24-Jährige mit armenischen Wurzeln wurde wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Das Gericht glaubte ihm nicht, dass er sich lediglich gegen einen Messerangriff verteidigt und in Notwehr gehandelt hatte.
Denn: Völlig überraschend war der Geschädigte Patryk B. aus Polen angereist. Er hatte im Internet einen Vorbericht dieser Zeitung gelesen und dadurch erfahren, dass der Angeklagte behaupten würde, er sei zuerst durch ein Messer angegriffen worden: „Das stimmt nicht. Ich habe nie eine Waffe. Aber der hat mich fast umgebracht. Eine große Ader im Arm wurde durchtrennt. Das musste ich hier sagen, deshalb bin ich hier“, erklärte Patryk B., der sich nach Deutschland getraut hatte, obwohl er wusste, dass ein Haftbefehl wegen Raubes gegen ihn vorlag.
Erpressung noch nicht verhandelt
„Das ist sehr ehrenvoll, dass Sie als Zeuge hier erschienen sind“, sagte Richter Manfred Kleeschulte noch – und dann reichte der Staatsanwalt ein knallrotes Formular über den Tisch: Den Haftbefehl in anderer Sache. Noch im Gerichtssaal wurde der Zeuge festgenommen und in Haft abgeführt.
Die weitere Anklage (räuberische Erpressung in zwei Fällen), die dem Gangster-Rapper vorwarf, einen jungen Mann gezwungen zu haben, erst 500 und dann 900 Euro bei der Arbeiterwohlfahrt in Haspe zu stehlen, wurde abgetrennt und soll zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden. Hier erschien der Zeuge, der mutmaßliche AWO-Dieb, nicht. Gegen ihn wurden 150 Euro Ordnungsgeld verhängt.
Noch während Richter Manfred Kleeschulte das Urteil begründete, erhob sich Verteidiger Dr. Miseré von seinem Platz und verließ wütend den Raum. Sein Schützling blieb fassungslos zurück.
>> HINTERGRUND: Viereinhalb Jahre Haft
Nach der Machetenangriff am Wilhelmsplatz war Nuhsan C. vier Monate lang untergetaucht. Er wurde mit Haftbefehl gesucht. Aus dem Untergrund produzierte er Jigzaw-Rapper-Videos, in denen er die Verfolgungsbehörden und Ermittler verhöhnte.