Hagen. . Der ermordete Hagener Immobilienkaufmann Wolfgang S. liebte protzige Auftritte im Rotlichtmilieu. Vor Gericht erzählen jetzt die Prostituierten.

Der Schwurgerichts-Vorsitzende, Richter Marcus Teich, wollte der Zeugin, die auf dem Gerichtsflur wartete, eine möglicherweise peinliche Frage ersparen: „Sind Sie von Beruf Prostituierte?“

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Deshalb unterbrach er kurz den Mordprozess. Um sich vorab persönlich zu vergewissern, ob die Frau, deren Adresse man lediglich aufgrund ihres Namens im Dortmunder Melderegister ausfindig gemacht hatte, auch tatsächlich „die Richtige“ sei.

Auftritt in kniehohen Lederstiefeln

Keine Minute später stöckelte Carmen (52) mit kniehohen Lederstiefeln und einem Mantel mit rosafarbenem Kunstfell in den Gerichtssaal. Die Frage des Richters, was sie beruflich mache, beantworte sie erstmal mit „gar nichts mehr“.

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Im Schwurgerichts-Verfahren gegen Milan B. (46) aus Bosnien-Herzegowina und Thomas W. (51) aus Lünen, denen vorgeworfen wird, Immobilienkaufmann Wolfgang S. (55) ermordet zu haben, wird derzeit das intime Privatleben des Opfers ausgeleuchtet: Hatte der Emster Kontakte ins Rotlicht-Milieu? Und kam aus dieser zwielichtigen Szene womöglich sogar der gezielte Tipp, den Millionär auszurauben?

Vernehmung unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Dazu wurde – zum Teil – die Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen. Gerichtssprecher David Theile: „Vernommen wurden bereits eine Prostituierte, die bestätigt hat, dass der Getötete bei ihr Kunde war.“ Im Zeugenstand saß auch ein Dortmunder Bordell-Betreiber: „Dieser kannte das Opfer ebenfalls, er kannte aber auch die beiden Angeklagten“, weiß Theile.

„Ich kenne keinen von den beiden Angeklagten“, ist sich hingegen Zeugin Carmen mit dem rosafarbenem Kunstfell sicher. Sie verdiente ihr Geld im Puff: „Mein Künstlername war Mona. 30 Jahre lang habe ich in der Dortmunder Linienstraße gearbeitet.“ Ob sie den Getöteten kannte? „Na klar, der ist ein Stammkunde gewesen. Er kam einmal die Woche.“

Generöser Kunde

Unter welchem Namen? Auf diese Frage reagiert „Mona“ vollkommen verständnislos: „Namen? Namen sind bei uns Schall und Rauch! Der hat immer sehr viel Geld dagelassen. Mehr hat mich auch nicht interessiert.“

Offenbar kursierte seinerzeit in Rotlichtstraße das Gerücht, der Hagener sei ein wohlhabender Dentist. „Der war immer so furchtbar protzig: tolle Autos, tolle Uhren. Und er hat großen Wert darauf gelegt, dass wir das alle sahen.“

Richter Teich hakt nach: „Wir? Er war also nicht nur bei Ihnen Kunde?“ Carmen alias Mona: „Der war Stammgast in der ganzen Straße, hatte in jedem Haus eine.“

Unkooperative Polizei-Kollegen

Von unglaublichen Schwierigkeiten und bürokratischen Hindernissen während der umfangreichen Ermittlungstätigkeiten wusste Harald Neumann (61), der damalige Chef der Mordkommission, im Zeugenstand zu berichten: Eine wertvolle Uhr von Wolfgang S., die bei dem Raubüberfall erbeutet worden war, tauchte bei dem Schweizer Uhrenhersteller wieder auf – sie war dort zur Reparatur eingeschickt worden.

Die Spuren zum Ankäufer und Verkäufer führten ins benachbarte Ausland. Doch die niederländische und die belgische Polizei zeigten sich völlig unkooperativ: „Es hat Jahre gedauert“, so Neumann, „bis die dann irgendwann ermittelt haben. Ich bin zwischendurch in Pension gegangen.“

>>HINTERGRUND: PROZESS VOR DEM FINALE

  • Das Verbrechen geschah am 9. November 2006 – der Mordprozess könnte jetzt zeitnah enden: Die Beweisaufnahme ist so gut wie abgeschlossen.
  • Wichtigstes Indiz dürften Spuren sein. Gerichtssprecher Theile: „Die DNA von beiden Angeklagten befand sich auf der Kleidung der überfallenen Lebensgefährtin und der Leiche.“