Hagen. . Mordanklage im Fall des erschossenen Immobilienkaufmanns Wolfgang S. steht. Hauptverhandlung soll im neuen Jahr beginnen. Angeklagte schweigen.
Die Mordanklage im Fall des vor elf Jahren in seiner Villa auf Emst erschossenen Immobilienkaufmanns Wolfgang S. (55) steht: Der ermittelnde Staatsanwalt Nils Warmbold, Dezernent für Kapitaldelikte in Hagen, geht nach der Festnahme der beiden Hauptverdächtigen im August dieses Jahres weiterhin davon aus, dass die mutmaßlichen Täter Thomas W. (51) und Milan B. (45) am Abend des 9. Novembers 2006 aus purer Habgier handelten. Der Tipp für den blutigen Überfall stammte vermutlich aus dem Rotlichtmilieu. Der Beginn der Hauptverhandlung in diesem spektakulären Fall dürfte seitens des Hagener Landgerichts frühestens für den Jahresanfang 2018 terminiert werden.
Der extrovertierte Selfmademan, der zuletzt sein Vermögen vor allem durch clevere Immobiliengeschäfte vermehrte und sich zudem auf dem Parkett des Kunsthandels bewegte, saß an dem Mordabend in seinem Haus an der Bergruthe allein in der Sauna. Als seine Lebensgefährtin mit dem Auto vorfuhr, sprangen zwei Gestalten aus der Dunkelheit auf die 52-Jährige zu, malträtierten sie brutal mit Schlägen und Tritten und zwangen die Frau, die Haustür zu öffnen.
Schmuck und Uhren erbeutet
Dort trafen die bewaffneten Gangster auf Wolfgang S. Schnell eskalierte die Situation, bis letztlich die tödlichen Schüssen aus einem Revolver fielen. Ungerührt drang das Ganoven-Duo an dem Sterbenden vorbei bis ins Schlafzimmer im Obergeschoss vor, räumte dort den Safe aus und konnte vor allem mit Schmuck und wertvollen Uhren im Gesamtwert von etwa 600 000 Euro in die November-Nacht entkommen. Bargeld auf dem Nachttisch, wertvolle Bilder an den Wänden, Nobelkarossen in den Garagen und auch ein zweiter Safe im Untergeschoss blieben unbeachtet.
Große Teile der Beute bleiben verschwunden
Es folgte eine der aufwändigsten Ermittlungen einer Sonderkommission der Hagener Kriminalpolizei in der Nachkriegsgeschichte: Akribisch wurden Spuren in dem Luxusobjekt gesichert, das gesamte Tatortumfeld mit Hundertschaften der Bereitschaftspolizei durchkämmt, zig Zeugen im privaten und geschäftlichen Umfeld befragt und auch das gesamte Rotlichtmilieu des Ruhrgebietes, in dem das 55-jährige Opfer sich immer wieder bewegte, durchkämmt. Doch eine wirklich heiße Spur blieb über ein Jahrzehnt aus, zumal Stücke aus der Beute nirgendwo auftauchten. Dennoch zeigte sich die Kripo stets optimistisch, eines Tages die Mörder von Wolfgang S. fassen zu können: „Unsere Netze sind ausgelegt – die Zeit arbeitet für uns“, sollte der seinerzeit ermittelnde Hauptkommissar Ralf Neumann am Ende Recht behalten.
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Im August dieses Jahres schnappten die Handschellen am Dortmunder Flughafen bei dem Bosnier Milan B. (45) zu, als dieser aus seiner Heimat nach Deutschland zurückkehrte. Sein Komplize Thomas W. (51) saß zu diesem Zeitpunkt bereits hinter Gittern, nachdem er 2014 zusammen mit seinem Bruder nach einem ähnlich brutalen Muster ein älteres Ehepaar in Rottach-Egern ausgeraubt hatte. Anhand der inzwischen deutlich verbesserten Spurenanalytik hatten die DNA-Identifizierungsmuster die Polizei in Kooperation mit dem rechtsmedi-zinischen Institut der Uni München zu den bereits einschlägig bekannten Gewaltverbrechern geführt, die sich aus ihrer gemeinsamen Jugendzeit in Lünen kennen. Seit ihrer Festnahme hüllen sich die beiden Männer in Schweigen. „Keiner hat sich bis heute zur Sache eingelassen“, gibt Staatsanwalt Warmbold jedoch die Hoffnung nicht auf, dass einer der Beteiligten sich spätestens während der Verhandlung doch zur Tat äußert.
Fluchtweg weiterhin unklar
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Aktuell geht die Anklage davon aus, dass die beiden Beschuldigten aus der Dortmunder Rotlicht-Szene einen Tipp bekamen, dass bei dem Hagener Millionär, der sich auch lange Jahre im Umfeld des Hagener Milieu-Königs Jürgen Medenbach bewegte, lukrative Beute zu holen sei. „Das Opfer war im Rotlicht kein Unbekannter und ist dort auch nicht sonderlich subtil aufgetreten“, weiß Warmbold. „Wir gehen davon aus, dass über dieses Milieu die Täter Kenntnis bekommen haben von seinem Wohlstand – das ist für uns das Plausibelste.“ Diese These wird auch durch Rufnummernabgleiche im Rahmen der Telefonauswertungen gestützt.
Ungeklärt erscheint weiterhin, welchen Fluchtweg die Mörder von Wolfgang S. nahmen. Teilnehmer des St.-Martin-Laternenumzuges, der sich an dem Abend durch Emst schlängelte, wollen zwar vor der Tat zwei Gestalten vor der Nobel-Villa gesehen haben. Doch nach dem Verbrechen verliert sich die Spur der Männer in der Emster Dunkelheit.