Hagen. Der Hagener Nahverkehr steht vor einer radikalen Wende. Gutachter bringen sogar eine Straßenbahn ins Spiel. Die war 1976 abgeschafft worden.
Die Stadt Hagen steht vor einem radikalen Wandel des Öffentlichen Personennahverkehr, der einer Rückbesinnung auf alte Zeiten gleichkommen könnte. Gutachter des Büros Stadt-Verkehr aus Hilden stellten den staunenden Fachpolitikern jetzt ein Konzept vor, in denen in zwei Szenarien auch die Einführung einer Straßenbahn nicht ausgeschlossen ist. Ähnliche Ansätze waren bereits um die Jahrtausendwende diskutiert worden.
Fehlende Hierarchie im Liniennetz und damit einhergehend fehlende Erkennbarkeit zentraler Linien, eine mit teilweise weniger als 15 km/h viel zu geringe Durchschnittsgeschwindigkeit, Überlastungen zu den Hauptverkehrzeiten und ein mangelndes Angebot in den Abendstunden – das sind die Kritikpunkte der Gutachter Jean-Marc Stuhm und David Stumm am Hagener Busnetz.
Neuzuschnitte der Linien werden empfohlen
Aber Lob gibt es auch: für die hohe Netzabdeckung und Erschließung, für eine mit 19 Prozent hohen Anteil an den Wegen, die insgesamt mit dem ÖPNV zurückgelegt werden und für die Anbindung des Busnetzes an neun Bahnhöfe im Stadtgebiet.
Gleichwohl: „Kurzfristig empfehlen wir, über Linienverlängerungen und Neuzuschnitte nachzudenken“, sagt David Stumm, „die Hauptverkehrachsen müssen gestärkt werden. Busse sollten hier ganztägig im Zehn-Minuten-Takt fahren. Es braucht eine klare Verbindung aus der Innenstadt nach Hohenlimburg.“ Auch Verbesserungen im Nachtverkehr werden von den Experten angeregt.
Neben diesen kurzfristigen Maßnahmen beschreiben die Gutachter fünf Szenarien, die ab 2022 greifen können und die alle der Anspruch eint, den Anteil am ÖPNV auf 26 Prozent zu steigern:
Taktverdichtung im bestehenden Netz
Variante eins sieht die Taktverdichtung im bestehenden System vor. Die Anzahl der Busse müsste sich von 128 auf 221 erhöhen. Der Personalbedarf würde von 460 auf 750 Mitarbeiter steigen. Eine „deutliche Erhöhung des Zuschussbedarfs“ wäre die Folge.
Metrobusse mit Vorrang im Stadtverkehr
Das zweite Szenario stellt sogenannte Metrobusse in den Vordergrund. Dabei geht es auch darum, dass dem ÖPNV deutlicher Vorrang im Stadtverkehr eingeräumt wird. Für die Gutachter geht das einher mit einer Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit auf 26 km/h. Außerdem könnten Fahrzeuge gespart werden. Von 194 Bussen und 660 Mitarbeitern geht das Gutachten aus.
Bus-Rapid auf eigenen Spuren
Noch einen Schritt weiter geht das BRT-System (Bus Rapid Transit). Auf den Hauptverkehrsachsen verkehren dann Busse nur noch auf eigenen Spuren – mindesten im 15-, besser noch im Zehn-Minuten-Takt – die an Kreuzungen mit Vorrang fahren dürfen. Zum Einsatz kommen überlange Gelenkbusse mit bis zu 105 Sitzplätzen. Auch Batteriebusse mit Oberleitungen sind denkbar. 72 normale und 67 BRT-Busse wären erforderlich. „Gute Beispiele gibt es vor allem in Frankreich“, so Stumm. Der Personalbedarf wird mit 510 Mitarbeitern kalkuliert.
Mit Elektrobussen zur Straßenbahn
Die Abschaffung der Straßenbahn Mitte der 70er
wird von vielen Hagenern heute als großer Fehler gesehen. Auf eine Wiedereinführung setzt Szenario vier. Ergänzt werden könnte das Schienennetz durch Elektrobusse als Zubringer. Das gesamte Netz würde im 15-Minuten-Takt befahren, die Betriebsleistung „deutlich“ erhöht. 71 Busse und 18 Straßenbahnen sind vorgesehen. Das Personal würde auf 380 Mitarbeiter senken.
Regional-Stadtbahn über die Grenzen hinaus
Eng an das Konzept
„Regionalstadtbahn Hagen“ aus 1997
knüpft Variante fünf an. Die Straßenbahnen fahren (auch auf bestehenden Bahntrassen) über die Stadtgrenzen hinaus bis Wetter, Lüdenscheid, Ennepetal und Iserlohn. Hagen werde, so die Gutachter, als Oberzentrum aufgewertet. 65 Busse und 23 Bahnen wären erforderlich. Der Personalbedarf läge bei 460 Mitarbeitern.