Hagen. . Immer häufiger müssen sich Fliesenleger in Hagen der Billig-Konkurrenz erwehren. Markus Feist fordert die Wiedereinführung der Meisterpflicht.

  • Im Jahr 2004 kippt das Wirtschaftsministerium auf Druck der EU die Meisterpflicht.
  • Zunehmende Billig-Konkurrenz macht etablierten Hagener Betrieben zu schaffen.
  • Zahl der Betriebe ist im letzten Jahrzehnt drastisch gestiegen.

Als Markus Feist (43) 2002 seine Meisterprüfung zum Fliesenleger ablegte, war die Welt des Handwerks in Deutschland noch weitgehend intakt. Nur wer den Meistertitel führte, durfte sich mit einem eigenen Betrieb selbstständig machen. Doch zwei Jahre später kippte der damalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement auf Druck der Europäischen Union die Meisterpflicht – unter anderem bei den Fliesenlegern.

Markus Feist war bitter enttäuscht, fühlte er sich doch von der Politik im Stich gelassen: „Um mich selbstständig zu machen, hatte ich ein Jahr lang die Meisterschule in Bielefeld besucht und dafür 10 000 Euro bezahlt“, berichtet er: „Und auf einmal konnte andere mit 20 Euro zum Gewerbeamt gehen und einen eigenen Betrieb gründen.“

Lehrbauhof in Hagen musste schließen

Markus Feist bei der Sanierung einer Dachterrasse: Er fordert die Wiedereinführung der Meisterpflicht.
Markus Feist bei der Sanierung einer Dachterrasse: Er fordert die Wiedereinführung der Meisterpflicht.

Seitdem ist bei den Fliesenlegern nichts mehr wie es früher war. Allein im Bereich der Handwerkskammer Dortmund, die seit der Schließung des Hagener Lehrbauhofes auch für die Firmen in Hagen zuständig ist, ist die Zahl der Fliesenleger-Betriebe von 1139 im Jahr 2006 auf 1588 im Jahr 2016 gestiegen.

„Immer mehr Ein-Mann-Betriebe buhlen um Aufträge“, beschreibt Friedhelm Kreft, Bezirksvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, die Situation: „Qualität und Ausbildung bleiben aber oft auf der Strecke.“

Plötzlicher Einbruch

Eine Feststellung, die Markus Feist ohne Umschweife unterschreiben würde. Nachdem er den Meistertitel in der Tasche hatte, habe er seinen eigenen Betrieb gegründet und sich recht schnell am Markt etablieren können.

Doch als die Meisterpflicht fiel, sei die Zahl der Aufträge eingebrochen, denn gegen die nun aus dem Boden schießende Konkurrenz habe er preislich nicht konkurrieren können: „Zu schaffen gemacht haben mir nicht einmal so sehr die Ein-Mann-Betriebe hier in Hagen, sondern die Kolonnen aus anderen EU-Staaten, die hierherkommen und wieder nach Hause fahren, wenn sie ihre Aufgabe erledigt haben.“

Meister sehen sich als Garant für ein hohes Niveau

Dass sich Feist, der inzwischen zwei Gesellen beschäftigt, einen Azubi ausbildet und Obermeister der Fliesenleger-Innung in Hagen ist, mit seiner Firma gegen die Billig-Konkurrenz aus Osteuropa behaupten konnte, führt er auf das Qualitätsniveau zurück, das Meisterbetriebe wie seiner dem Kunden garantieren. In einer Stadt wie Hagen spreche es sich herum, wenn man gute Arbeit abliefere – und ebenso, wenn das nicht der Fall sei. „Auch Fliesenleger ohne Meisterbrief dürfen ihr Geschäft heutzutage Fachbetrieb nennen. Ich finde, die Verbraucher werden dadurch in die Irre geführt.“

Hinzu kommt, dass die Handwerksmeister die tragende Säule der Berufsausbildung sind. Zwar darf jeder selbstständige Fliesenleger einen Lehrling einstellen, doch muss er dazu einen Ausbilder-Eignungsschein beantragen, was nicht häufig der Fall ist. Infolgedessen musste nicht nur der Lehrbauhof in Hagen geschlossen werden, sondern die Zahl der Fliesenleger-Azubis ging drastisch zurück. Waren es in vor 17 Jahren noch 28, sind es derzeit nur fünf.

Abschaffung in weiteren Branchen ist geplant

Doch um die Zugangsvoraussetzungen europaweit anzugleichen, plant die EU-Kommission, die Meisterpflicht auch in anderen Bauberufen abzuschaffen. Das würde Qualität und Ausbildung einen weiteren Schlag versetzen und auch den Fachkräftemangel in der gesamten Baubranche verschärfen, befürchtet Gewerkschafter Kreft: „Meisterbetriebe in der Stadt wären besonders betroffen.“ Deshalb fordert die IG Bau eine drastische Kehrtwende und den Erhalt der Meisterpflicht im Handwerk: „Bei den Fliesenlegern muss sie dringend eingeführt werden.“

Ein Ansinnen, dem sich Markus Feist nur anschließen kann. Schließlich könne niemand etwas dagegen haben, wenn alle Fliesenleger das gleiche Qualitätsniveau aufwiesen und der Wettbewerb zu gleichen Bedingungen wieder hergestellt werde: „Die Rückkehr zur Meisterpflicht würde unserer Branche nur gut tun.“

>>HINTERGRUND: DRUCK DER EU

  • Um einen eigenen Betrieb zu gründen, musste jeder Handwerker bis 2004 grundsätzlich einen Meisterbrief vorweisen.
  • Auf Druck der Europäischen Union wurde diese Vorschrift dann für einige Handwerke, u.a. die Fliesenlegerbranche, gestrichen.
  • Um Lehrlinge auszubilden, ist weiterhin die Meisterprüfung Voraussetzung.