Hagen. . Der Herrenschnitt für 5 Euro – dagegen wehren sich zwei Friseur-Meister aus Hagen. Sie wollen die unfaire Billig-Konkurrenz nicht länger dulden.
- In Haspe sprießen rund um den Kreisel und an der Voerder Straße die Salons wie Pilze aus dem Boden.
- Etablierte Friseure erheben schwere Vorwürfe gegen die ungeliebte Konkurrenz.
- Friseure fordern die Handwerkskammer und die Stadt zum Handeln auf und drohen mit Klage.
Es kam der Tag, an dem das Fass überlief. Es war der 10. März, als sich Friseurmeister Stephan Schneider hinsetzte und alle Fraktionen im Rat der Stadt anschrieb. Es war in jener Zeit, als klar wurde, dass der nächst Billig-Salon nur ein paar Meter entfernt von seiner Niederlassung an der Voerder Straße eröffnen würde.
Die Handwerkskammer hatte die nächste Ausnahme-Genehmigung erteilt für einen Mann, der wohl angegeben hatte, in der Türkei schon mal Haare geschnitten zu haben. Kein Nachweis einer Gesellenprüfung, kein Meisterbrief, dafür der Herrenschnitt für 5 Euro. Schneider schrieb an sieben Ratsfraktionen. Geantwortet hat nur die AfD.
Kunden wollen im häufiger über den Preis verhandeln
„Das, was sich hier am Hasper Kreisel und an der Voerder Straße tut, ist Wahnsinn“, sagt Stephan Schneider, der neben dem Salon in Haspe noch ein Geschäft in Sprockhövel und eines in Wuppertal unterhält. „Hier gibt es 16 Salons, von denen fünf anständig arbeiten. Täglich stehen Kunden bei uns im Laden, erklären, dass die Konkurrenz wesentlich günstiger sei und wollen mit meinen Mitarbeiterinnen über den Preis verhandeln. So geht das nicht weiter.“
Unterstützung erhält Schneider von der Obermeisterin der Innung. Bärbel Nolzen schneidet in ihrem Salon in Westerbauer mit zwei Mitarbeiterinnen Kunden die Haare. Die Salon-Dichte ist ein paar Kilometer vom Hasper Zentrum nicht mehr ganz so groß, die Probleme trotzdem ähnlich.
Meister fliegen noch während der Probezeit raus
„Es gibt zwei Methoden, die die schwarzen Schafe der Branche anwenden“, erklärt die Obermeisterin, „wenn man aus einem EU-Land kommt, gilt die Meisterpflicht. In der Regel werden Meister eingestellt und innerhalb der Probezeit wieder entlassen. Für Menschen, die aus Nicht-EU-Ländern kommen, reicht ein simpler Nachweis aus dem Herkunftsland, dass sie als Friseur gearbeitet haben. Kontrolliert wird im Anschluss niemand mehr.“
In den Fokus der Kritik rücken die zuständige Handwerkskammer in Dortmund, die viel zu viele Ausnahmegenehmigungen erteile, und die Stadt Hagen, die in den Augen von Schneider und Nolzen die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Salons nicht kontrolliere. „Selbst, wenn man Salons anzeigt, die keinen Meister beschäftigen, unternimmt niemand etwas“, sagt Schneider, „das wissen auch die Betreiber. In Sprockhövel ist so etwas undenkbar.“
Rechnung kann nicht aufgehen
Dabei macht Schneider eine ganz einfache Rechnung auf. „Wenn ich für einen Herrenschnitt nur 5 Euro zahlen muss, schafft selbst eine schnelle Friseurin nur 20 Euro Umsatz pro Stunde, wenn sie permanent ausgelastet ist“, sagt der Friseur-Meister, der zwölf Menschen Arbeit gibt, „davon bleiben nach Abzug der Mehrwertsteuer noch 16,20 Euro übrig. Wenn man bedenkt, dass bei Mindestlohn von 8,41 Euro inklusive Nebenkosten pro Stunde und Mitarbeiter 14,80 Euro anfallen, bleibt ein Gewinn von 1,40 Euro pro Stunde vor Steuer. Davon muss man dann noch Miete zahlen. Da sieht man sofort: Das kann nicht aufgehen.“
Stattdessen werde getrickst: Gehälter unterhalb des Mindestlohns, Schwarzzahlungen direkt auf die Hand und dazu der eingesparte Meisterlohn in Höhe von rund 30 000 Euro pro Jahr. „Ich weiß von Hartz-IV-Beziehern, die vom Staat kassieren, nebenher arbeiten, 175 Euro offiziell hinzuverdienen, den Rest bar erhalten und noch Trinkgelder einsacken“, sagt Stephan Schneider.
Stadtverwaltung hat zu wenig Personal für Kontrollen
Immerhin: Die AfD hat eine Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt. Die Antwort: Es gäbe 146 Friseurbetriebe in Hagen. Sechs Friseure seien „im Reisegewerbe“ tätig, zwei würden lediglich stylen, aber nicht schneiden. 142 Betriebe seien bei der Kammer eingetragen.
Kontrollen (zum Beispiel zur Bekämpfung der Schwarzarbeit) erfolgten lediglich nach Anzeigen. „Umfangreiche, nicht anlassbezogene Kontrollen sind personell nur begrenzt möglich.“ Aus Sicht der Verwaltung lasse sich nicht bestätigen, das Salons tendenziell über Scheinbeschäftigung betrieben würden.
Etablierte Friseure glauben nicht an das Zahlenwerk
Schon die Zahlen glaubt die Obermeisterin nicht. „Wir gehen von 240 Salons aus. Ich glaube, dass nicht einmal die Hälfte einen Meister beschäftigt“, so Obermeisterin Bärbel Nolzen. „Reisegewerbe sind in anderen Bundesländern verboten. Und dass in einem Salon nur gestylt wird, ist ein Witz.“
Stephan Schneider will die Untätigkeit von Stadt und Kammer nicht mehr länger hinnehmen. „Es kann doch nicht sein, dass mit dem Verweis auf zu wenig Personal nicht kontrolliert wird“, so der Geschäftsmann, „ich halte mich an die Regeln und bin am Ende der Dumme.“ Schneider ist sogar entschlossen, gegen die Stadt vor Gericht ziehen.
>>HINTERGRUND: GEFAHR FÜR KUNDEN
- Die Innung geht davon aus, dass in vielen Salons mit nicht zugelassenen Präparaten gearbeitet werde, die zum Teil günstig im Ausland beschafft werden. Diese könnten die Gesundheit beeinträchtigen.
- Hinzu käme, dass in Salons Mitarbeiter Haare schneiden würden, die lediglich einen Schnell-Kursus belegt hätten.
- Jede Woche, so Obermeisterin Bärbel Nolzen, gingen bei ihr zwischen 10 und 20 Beschwerden ein.