Wehringhausen. . Messerattacke auf Wilhelmsplatz: Nuhsan C. sollte wegen Vorstrafen Deutschland verlassen, doch plötzlich wurde der 23-Jährige Asylbewerber.

  • Mutmaßlicher Messerstecher vom Wilhelmsplatz hätte längst abgeschoben werden sollen
  • Nuhsan C. ist zwar in Hagen geboren, sollte aber wegen vieler Vorstrafen Deutschland verlassen
  • Kurz vor der Ausreisepflicht stellt er Asylantrag. Seit der Messerattacke auf der Flucht

Polizei und Staatsanwalt suchen jetzt öffentlich nach dem Messerstecher vom Wilhelmsplatz: Nuhsan C. (23) wird verdächtigt, am vergangenen Donnerstag einen 25-Jährigen vor vielen Zeugen auf dem belebten Platz niedergestochen und schwer verletzt zu haben.

Zu dem Zeitpunkt hätte Nuhsan C. aber eigentlich gar nicht mehr in Deutschland sein sollen. Er ist zwar in Hagen geboren, hat aber einen türkischen Pass und sollte aufgrund von Straftaten zum 31. März 2017 ausgewiesen werden. Doch dann stellte er einen Asylantrag, der ihm bis zu einer Entscheidung einen weiteren Aufenthalt in Deutschland sichert.

Ermittler mahnen zur Vorsicht

 Nuhsan C. ist in Hagen geboren, sollte aber wegen seiner Vorstrafen Deutschland verlassen. Jetzt such die Polizei nach ihm. F
 Nuhsan C. ist in Hagen geboren, sollte aber wegen seiner Vorstrafen Deutschland verlassen. Jetzt such die Polizei nach ihm. F © Polizei

Jetzt ist der 23-Jährige, der sich im Internet auf Youtube und Facebook als Rapper präsentiert, auf der Flucht. Und die Polizei warnt: Er könnte noch immer bewaffnet sein, Zeugen sollen ihn nicht ansprechen, sondern sofort die Einsatzkräfte unter 110 rufen.

Wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen? Nach Recherchen der WESTFALENPOST ergibt sich dieses Bild:

1993 wird Nuhsan C. in Hagen geboren. Die Eltern stammen aus der Türkei, gehören offensichtlich einer armenischen Minderheit an und werden hier geduldet. Nuhsan C. gerät aber schon früh auf die schiefe Bahn. Ab den zwölftem Lebensjahr wird er immer wieder straffällig: Gewerbsmäßiger Diebstahl und Körperverletzungsdelikte gehören dazu, knapp 30 Einträge im Strafregister gibt es. Zu viereinhalb Jahren Jugendhaft wird er schließlich verurteilt.

Ausreiseverfügung wegen hoher Strafe

Die hohe Strafe ist auch der Grund, warum Nuhsan C. bereits im Jahr 2014 seine erste Ausreiseverfügung bekommt. Weil er noch im Jugendgefängnis sitzt, bleibt sie aber wirkungslos. Als der 23-Jährige entlassen wird, stellt ihm die Ausländerbehörde der Stadt Hagen im März 2016 erneut eine Ausreiseverfügung zu. Auch die greift nicht: Der Vater von Nuhsan C. stirbt in Hagen, er argumentiert, dass er sich um Beisetzung und Formalitäten kümmern muss.

Die Ausländerbehörde gestattet dies. „Die Kollegen hatten auch den Eindruck, dass er sich in der Haft gebessert hatte. Er hat auf sie einen gepflegten Eindruck gemacht“, so Stadtsprecher Karsten-Thilo Raab. Nichtsdestotrotz soll ein Jahr später die Ausreiseverfügung greifen. Zum 31. März soll er Deutschland verlassen. Doch wieder wird daraus nichts: Zwei Tage vor dem Termin stellt Nuhsan C. in Dortmund einen Asylantrag. Mit seinen armenischen Wurzeln sei er in der Türkei staatlicher Verfolgung ausgesetzt.

Er ist jetzt in dem Asylverfahren, wird der Stadt Bramsche in Niedersache zugewiesen – und darf nun nicht einfach abgeschoben werden. Am 5. Mai meldet er sich zudem in Osnabrück an. Die Stadt Hagen ist nicht mehr zuständig.

In Videos schimpft er auf die Polizei

Die Polizei sucht nach der Messerattacke nach der Tatwaffe - bislang erfolglos.
Die Polizei sucht nach der Messerattacke nach der Tatwaffe - bislang erfolglos. © Kai-Uwe Hagemann

Das hält Nuhsan C. aber offensichtlich nicht davon ab, weiter in Hagen und auch sonst in der Republik unterwegs zu sein: Auf Facebook veröffentlicht er zwar Bilder aus der Asylbewerberunterkunft in Niedersachsen. Offensichtlich ist er aber auch in Berlin und Hagen unterwegs. Er präsentiert sich weiter als Rapper. In semi-professionell produzierten Videos schimpft er im Sprechgesang regelmäßig in Macho-Manier auf die Polizei.

Was er am Donnerstag, 13. Juli, genau in Hagen will, ist noch unklar. Gegen 19.30 Uhr soll er aber mit einem 25-Jährigen Polen vor dem Wettbüro auf dem Wilhelmsplatz in Streit geraten sein. Mit einem machetenartigen Messer – die Ermittler haben es noch nicht gefunden, Zeugen haben die Szene aber gefilmt – verletzt er den Polen so schwer, dass dieser erheblich Blut verliert und noch in der Nacht operiert werden muss.

Bekannter fordert: „Echte Männer stellen sich“

Nuhsan C. flüchtet in Richtung Augustastraße. Der Pole hat aber wohl kein Interesse daran, dass die Polizei den Fall klärt. Er randaliert, entlässt sich trotz der Operation schon am nächsten Morgen selbst aus dem Krankenhaus und schweigt. Doch weil der Platz so belebt ist, gibt es Hinweise auf Nuhsan C. Ein Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung folgt. Bekannte – auch das ist auf seiner Facebook-Seite nachzulesen – fordern ihn auf, sich zu stellen: „Echte Männer stellen sich ihrer Verantwortung und rennen nicht weg.“

>> HINTERGRUND: Stamp reagiert auf Hagener Fall

  • Das Asylverfahren von Nuhsan C. läuft laut Ausländerzentralregister noch. Zum genauen Stand konnte das NRW-Integrationsministerium gestern nichts sagen.
  • Schon nach geltender Rechtslage werde ein Asylantrag heute aber als offensichtlich unbegründet abgelehnt, wenn er nur gestellt werde, um eine drohende Ausweisung abzuwenden, obwohl vorher genug Zeit gewesen sei, Asyl zu beantragen.
Joachim Stamp
Joachim Stamp © Rolf Vennenbernd, dpa
Auch der neue Inte­grationsminister Joachim Stamp (FDP) bezieht auf WESTFALENPOST-Anfrage Stellung zu dem Hagener Thema: „Diejenigen, die gut integriert und eine Bereicherung für Arbeitsmarkt und Gesellschaft sind, sollen eine Bleibeperspektive und einen vernünftigen Rechtsstatus erhalten. Diejenigen, die straffällig werden, müssen viel zügiger abgeschoben werden.“ NRW wolle das Aufenthaltsrecht modernisieren.