Hagen. . Die Vereine am Hengsteysee plagen Existenzängste. Die Wasserpest droht sich rasanter auszubreiten als in den Vorjahren. Nur Ausbaggern hilft.

  • Angesichts der grassierenden Wasserpest rennen den Vereinen am Hengsteysee die Mitglieder davon
  • Die Pflanze Elodea wuchert so heftig, dass ab Frühsommer für Segler kein Durchkommen mehr ist
  • Die Freizeitnutzer fordern, nicht bloß zu mähen, sondern den See auch auszubaggern

Sie stehen auf dem Steg und blicken hinaus auf den glatten See. Ein paar Schwäne ziehen vorbei. Der Hengsteysee im Hagener Norden – hier ist er ein Idyll. Denn noch ist an der Oberfläche nichts zu sehen, von jener Pflanze, die sich unter dem Namen „Wasserpest“ bald flächendeckend ausbreiten wird. Wenn Klaus Bovensmann, Doris Orth, Ingo Meckel und Paul Funke ihren Blick auf die Zukunft der Vereine richten, die hier am Hengsteysee paddeln und segeln wollen, dann sehen sie schwarz. Tiefschwarz.

„Interessengemeinschaft Hengsteysee“ heißt der Zusammenschluss all jener, die den See für Freizeit und Sport nutzen wollen. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) engagiert sich mit zwei Ortsgruppen, zahlreiche Sportvereine bringen sich ein und auch die Personenschifffahrt Hengsteysee hat ein gesteigertes Interesse daran, dass den ganzen Sommer über Bootsverkehr auf dem See zwischen Hagen, Dortmund und Herdecke möglich ist.

Mitgliederzahlen schrumpfen rasant

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Daran allerdings Zweifeln viele. Und das hat erhebliche Folgen: „In den letzten Jahren hat sich bei uns im Verein die Zahl der Mitglieder halbiert“, sagt Klaus Bovensmann, der die Segelgemeinschaft Hengsteysee e.V. vertritt. Düsterste Perspektiven ausgerechnet im Jahr des 50-Jährigen Bestehens des Vereins: „Aber wer will schon in einem Segelverein mitmachen, in dem man nicht segeln kann?“

Das Problem: Die Mitgliedsbeiträge sinken, die Fixkosten allerdings – darunter auch die Miete, die der Ruhrverband für das Vereinsgelände verlangt – bleiben konstant. „Wir haben Angst um unsere Existenz“, sagt Ingo Meckel. Weil die Finanzen den Seglern aus dem Ruder zu laufen drohen und weil auch der Nachwuchs einen Bogen um den Verein zu machen droht.

Motorboot birgt Segler

In der Karwoche bieten die Segler Schnupperkurse an. Wenn es gut läuft, dann werden sie dieses Angebot noch durchziehen können. Im Anschluss aber weht ein rauer Wind: „Schon im letzten Jahr mussten wir immer wieder mit dem Motorboot raus, um Segler, die sich festgefahren hatten, zurück zum Steg zu schleppen“, sagt Paul Funke. „Das macht keinen Spaß.“

Dass es den Hengsteysee noch ärger trifft als den benachbarten Harkortsee (an dem Vereine und die Segelschule ähnliche Zustände beklagen) hat einen tieferen Grund: Der See ist zu flach. „Es gibt Bereiche, da haben wir nur noch zwischen 35 und 60 Zentimeter Wassertiefe“, sagt Doris Orth. „Im Sommer haben wir uns mal einen Spaß daraus gemacht und uns mit Stühlen und einem Tisch mitten in den See gesetzt“, sagt Paul Funke, „das war kein Problem.“

Doch dieser Spaß hat einen ernsten Hintergrund. Denn im Flachen Wasser wiederum bekommt Elodea besonders viel Licht und wächst entsprechend. „Durch die niedrige Fließgeschwindigkeit setzen sich die Sedimente, die die Ruhr mit sich führt, besser als an anderen Stellen ab“, sagt Klaus Bovensmann. Folge: Der Pegel sinkt. „Da hilft nur ausbaggern. Das war zuletzt zwischen 1989 und 1991 der Fall, davor im Jahr 1955. Die 30 Jahre sind also fast rum. Es wird dringend Zeit.“

Ein Teufelskreis

Ohne Eingriffe von außen kommt der See aus dem Wasserpest-Schlick-Teufelskreis nicht heraus. Das Mähen der Pflanze unter Wasser könnte immer wieder vorübergehend Abhilfe schaffen. „Entsprechende Spezialboote hat der Ruhrverband auf dem Kemnader See und auf dem Baldeney See in Einsatz“, sagt Klaus Bovensmann. „In Essen bezahlt die Stadt sogar ein Zweites.

Immerhin: Ein Boot hat der Ruhrverband auch der Interessengemeinschaft angeboten. „Allerdings ein Modell, das im Gegensatz zu den anderen Booten die Elodea nur abschneidet und nicht auch aus dem Wasser holt“, sagt Klaus Bovensmann, „da schwimmt das ganze Zeug weiter im See. Das nützt uns gar nichts.“

>>HINTERGRUND: SCHWIERIGES JAHR DROHT

Dass die Wasserpest in diesem Jahr ein noch extremeres Ausmaß als zuletzt gewinnen könnte, fürchtet der Ruhrverband. „Aktuell ist die Wasserpflanze schon sehr weit“, sagt Wasserbau-Ingenieur Thomas Brinkmann, „sie ist fast an der Oberfläche zu sehen und wächst zusammenhängend in vielen Bereichen. Da sie wohl weiter austreibt, fällt meine Prognose pessimistisch aus.“ Das achte „Trockenjahr“ hintereinander habe dazu geführt, dass Spüleffekte ausgeblieben seien. Brinkmann spricht deshalb von „einem schwierigen Jahr für den Wassersport“.

Brinkmann verweist darauf, dass der Ruhrverband den Vereinen unbürokratisch das Mähboot zu Verfügung stelle. Mit der Interessengemeinschaft Hengsteysee und mit Vereinen und Anliegern des Harkortsees werde man sich in Kürze ein zweites Mal treffen und die Elodea-Problematik erneut erörtern. Brinkmann unterstreicht: „Wir bemühen uns nach Kräften. Doch auch das Land und die Anrainerkommunen sind gefordert.“