Hagen. Der Kontrolldruck von Stadt und Polizei auf die EU-Zuwanderer bleibt hoch. Seit 2015 wurden in Hagen etwa 6400 Menschen kontrolliert.

  • Stadt und Polizei nehmen in Hagen systematisch EU-Zuwanderer aus Osteuropa unter die Lupe
  • Bei insgesamt 29 Kontrollaktionen seit 2015 wurden insgesamt 6400 Menschen überprüft
  • Das konsequente Vorgehen der Behörden stößt auch bei den Betroffenen auf Verständnis

. Der Kontrolldruck auf Zuwanderer aus Südosteuropa war in den vergangenen 17 Monaten groß. Insgesamt 29 Schwerpunktkontrollen der Stadt gab es - zum großen Teil gemeinsam mit der Polizei. Viele offensichtlich gar nicht in Hagen lebende Menschen wurden abgemeldet und Sozialleistungen gestrichen. Stadt und Polizei sprechen von einem Erfolg. Selbst bei rumänischen Zuwanderern werden die Kontrollen begrüßt. Eine Bestandsaufnahme.

Fakten und Bilanz der Kontrollen

29 Kontrollaktionen sind von August 2015 bis Dezember 2016 durch die Ausländerbehörde der Stadt, das Ordnungsamt, das Jobcenter und teils auch den Zoll durchgeführt worden. In neun Fällen war zudem die Hagener Polizei dabei, einmal auch unterstützt durch rumänische Polizisten.

232 Anschriften sind bei diesen Kontrollen teils mehrfach unter die Lupe genommen worden. Rund 6400 Menschen wurden überprüft – an den unterschiedlichen Terminen auch teils mehrfach.

737 Fälle sind dokumentiert, in denen Menschen, die dort angeblich wohnten, abgemeldet wurden und die Einstellung von Sozialleistungs-Zahlungen veranlasst wurde, weil es sich offensichtlich um Scheinwohnsitze handelte.

352 Mal wurden Menschen angetroffen, die dort nicht gemeldet waren. Deren Pässe wurden eingezogen und kontrolliert.

80 und mehr Anschriften wertet die Polizei nach einer der WP vorliegenden Analyse als „Problemhäuser mit südosteuropäischen Bewohnern“. Gut 70 davon befinden sich im Bezirk Mitte (unter anderem Mittelstadt, Altenhagen und Wehringhausen ). Allein 28 Straßen und Plätze haben Polizei und Stadt hier im Visier, in Eilpe sind es sechs, in Eppenhausen und Vorhalle je eine.

710 Identitäten wurden allein bei der jüngsten Kontrollaktionen am 15. Dezember in der Innenstadt und in Wehringhausen überprüft. Eine Mammutaufgabe für Polizei und Stadt.

65 Ruhestörungen und Belästigungen sind der Polizei im Jahr 2016 allein an Bodelschwingh- und Wilhelmsplatz gemeldet worden. Teilweise trafen die Beamten auf Ansammlungen von bis zu 150 Südosteuropäern auf den Plätzen. Es sei „ein nicht unerheblicher Lärmpegel verursacht“ worden. Müll und Schrott sei in fast jeder Straße entdeckt worden.

Bei den Kontrollen wurden auch Fälle von Schwarzarbeit, von Verstößen gegen die Schulpflicht oder von illegal abgezapftem Strom festgestellt. Diebesgut wurde beschlagnahmt (einmal unter anderem 16 original verpackt i-Phones) und auch laufende Haftbefehle konnten bei den Kontrollen vollstreckt werden.

Seitdem die Hausbesitzer auf ihre Mieter in Sachen Müll einwirken, sind solche illegalen Entsorgungen von Sperrmüll am Straßenrand seltener geworden.
Seitdem die Hausbesitzer auf ihre Mieter in Sachen Müll einwirken, sind solche illegalen Entsorgungen von Sperrmüll am Straßenrand seltener geworden. © Michael Kleinrensing

Nach Ansicht von Stadtsprecher Michael Kaub haben die Kontrollen bereits Wirkung gezeigt: „Wir wissen, dass auch Hausbesitzer nun mehr auf ihre Mieter einwirken - etwa bei der korrekten Müllentsorgung.“ Die Reaktion der Bürger sei positiv. Das bestätigt auch die Analyse der Polizei. Regelmäßig würden Beamte von Wehringhauser Bürgern angesprochen, die sich positiv über die Kontrollaktionen äußerten. Ganz klar ist aber auch das Fazit der Beamten: „Diese Bereiche bedürfen weiterer regelmäßiger Kontrollen.“

Die rumänische Familie

Aber wie empfinden betroffene südosteuropäische Zuwanderer-Familien diese Kontrollen? Es mag ein Zufallstreffer bei der Recherche an der Eugen-Richter-Straße sein, aber die Familie Lactus äußert Verständnis für die Behörden. Dort in Wehringhausen wohnen viele Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien – oftmals in eher heruntergekommenen Häusern.

Die Familie Lactus bittet die Reporter sofort hinein in die schlichte, aber ordentliche Wohnung. „Wir haben kein Problem damit, dass die Stadt die Kontrollen macht“, sagt Bianca Lactus (29). „Das ist wichtig, das ist eine gute Sache. Die waren bei uns auch immer sehr freundlich.“

Pässe von Besuchern eingezogen

Sie und ihre Familie sind schon selbst mehrfach kontrolliert worden. „Einmal waren Freunde von uns hier. Dann kam das Ordnungsamt“, erinnert sie sich. Da seien deren Pässen zur Kontrolle eingezogen worden. „Ich habe aber gesagt, das ist in Ordnung“, sagt Bianca Lactus. „Am nächsten Tage konnten sie sie wieder holen.“

Sie spricht gut Deutsch („Habe ich aus dem Fernseher und von meinen Kindern gelernt“). Seit vier Jahren sind sie und ihre Familie in Deutschland, nachdem sie länger in Spanien und zuletzt wieder neun Jahre in Rumänien gelebt hatten.

Drei Teile der Familie wohnen in dem Mehrfamilienhaus. Unten Vater Jioan (53) mit der kranken Mutter, Bianca Lactus mit ihrem Mann – der als selbstständiger Schrotthändler arbeitet – und den vier Kindern in einer Wohnung. Die Schwester mit Mann und ebenfalls vier Kindern in einer weiteren.

Müllberge stören auch die Bewohner

Vater Jioan sagt, dass auch ihn der viele Müll gestört habe. Deshalb sei er zu den anderen rumänischen Familien in der Eugen-Richter-Straße gegangen, habe versucht, für Ordnung zu sorgen: „Ich habe gesagt: Wir sind jetzt in Deutschland. Vergesst, was in Rumänien war.“

Er sieht seine Zukunft in Deutschland, in Hagen. Genau wie Tochter Bianca. „Ich will mit meiner Familie auf jeden Fall hier bleiben.“ Vor allem wegen ihrer Tochter Rebecca. Auf die Zwölfjährige ist sie stolz. „Sie ist die Beste in der Klasse.“ Binnen vier Jahren hat sie perfekt Deutsch gelernt, die Emil-Schumacher-Grundschule besucht. Jetzt geht sie auf die Ernst-Eversbusch-Hauptschule in Haspe mit der Option zur Realschule zu wechseln.

Ihrem Opa, Jioan Lactus, ist es wichtig, auch das zu betonen. Er wisse natürlich, dass es auch weiter Probleme gebe, aber er wirbt für ein differenziertes Bild: „Es sind nicht immer die Rumänen.“