Hagen/Lennetal. . Der Ausbildungsmarkt hat ein Problem. Hoch interessante, aber wenig beachtete Ausbildungsplätze müssen viel stärker ins Bewusstsein von Azubis gerückt werden.
- Arbeitsminister Schmeltzer besucht Unternehmen Wälzholz
- Viele Berufe sind Auszubildenden gar nicht bekannt
- Umdenken in heimischer Wirtschaft und bei Bewerbern erforderlich
- Arbeitsminister Schmeltzer besucht Unternehmen Wälzholz
- Viele Berufe sind Auszubildenden gar nicht bekannt
- Umdenken in heimischer Wirtschaft und bei Bewerbern erforderlich
Fangen wir mal mit einem Satz an, der eigentlich voller Belanglosigkeit ist und dennoch schmerzhaft genau die Situation auf dem Hagener Ausbildungsmarkt beschreibt: Die Zeiten ändern sich. Ein Termin im Lennetal erklärt die Lage vorzüglich und zeigt gleichzeitig Chancen auf. Ein Appell an die heimische Wirtschaft, die Bundesagentur für Arbeit und auch an die, die eine Ausbildungsstelle suchen.
Das Problem
Ja, ja, eine reine PR-Aktion. Ein Minister kommt, zieht Malocher-Klamotten an und lässt sich ausgiebig von der Presse dabei fotografieren. Nein, nicht ganz. Denn NRW-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer hatte bei seinem Praktikum bei C.D. Wälzholz fernab von der Medienwirksamkeit seines Besuches eine ernsthafte und wichtige Botschaft im Gepäck: Hoch interessante, aber wenig beachtete Ausbildungsplätze müssen viel stärker ins Bewusstsein von Azubis gerückt werden. Bei Wälzholz, einem weltweit führenden Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie machte er sich bei seiner Mitarbeit gestern ein Bild von einem Beruf, der von der Problematik betroffen ist: dem Verfahrensmechaniker.
Die Suche
„Viele Auszubildende kennen manche Berufsfelder einfach nicht“, beschreibt Regina Böhm von der Bundesagentur für Arbeit die Suche nach Ausbildungsstellen oft als zu oberflächlich. Zum Beispiel im Falle des Industriekaufmanns. Böhm: „Die weiteren Spezialisierungen aber, wie der Verfahrensmechaniker, bieten gute Entwicklungschancen und überhaupt die Möglichkeit, eine Stelle zu bekommen.“150 junge Menschen suchen laut Bundesagentur für Arbeit in Hagen noch nach einer Azubi-Stelle, 30 Stellen sind noch zu kriegen.
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Die Ansichten
„Die Zeiten ändern sich“, haben wir diesen Text eingeleitet. Findet NRW-Arbeitsminister Schmeltzer auch: „Lebensläufe sehen heute ganz anders aus als bei der Generation unserer Eltern. Weiterbildung, Fortbildung, Ausbildung mit Abitur, Weiterentwicklungen innerhalb eines Betriebes. Und auch die Suche nach Ausbildungsstellen bringt neue Anforderungen an die Suchenden mit sich.“ 328 Berufe gebe es im dualen Ausbildungssystem. Die meisten seien aber gänzlich unbekannt.
Die Akteure
Wer kann etwas verändern? Schmeltzers Appell richtet sich an alle Akteure des Systems. An Gymnasiallehrer, die Abiturienten neben einem Studium auch eine Ausbildung schmackhaft machen mögen. An die Bewerber, die tiefer, spezifischer und im Rahmen mehrerer Praktika suchen mögen. An Unternehmen, die sich mit ihren Inhalten nach außen öffnen müssen und ihre Möglichkeiten damit zu den potenziellen Bewerbern bringen müssen.
Arbeitsminister diskutiert in Hagen über Wirtschaft4.0
Was bedeutet die Digitalisierung der Wirtschaft für einen Standort wie Hagen, der noch immer vom Stahl geprägt ist? Das war Mittwochabend die Kernfrage einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde des SPD-Unterbezirks Hagen – moderiert vom Landtagsabgeordneten Wolfgang Jörg. Mit dabei: NRW-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer, CD-Wälzholz-Chef Hans-Toni Junius, Hagens IG-Metall-Chef Jens Mütze und SIHK-Hauptgeschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick.
Nostalgie war nicht angesagt. Dass Hagen nicht wieder Stahlstandort alter Prägung mit flüssigem Stahl werden wird, das war allen Beteiligten klar. Wohl aber könne die Volmestadt ein bedeutender Bestandteil in der Wertschöpfungskette bleiben. Hans-Toni Junius, dessen Unternehmen CD Wälzholz führend in der Kaltwalzsparte ist, machte deutlich, welche Chance die Digitalisierung bietet: Dank modernster Technologie könne heute eine viel höhere und gleichbleibende Qualität geliefert werden. Das sei entscheidend, um auf dem Weltmarkt zu bestehen. Bei der Massenproduktion könne man mit den chinesischen Preisen nicht mithalten. Die Digitalisierung sei auch eine Chance für kleinere Unternehmen, die im Verbund mit größeren qualitativ hochwertige Aufträge erfüllen könnten. Auch für die Beschäftigten eine frohe Botschaft: „Die gut ausgebildeten Industrie-Facharbeiter mit den blauen Kragen verdienen bei uns mehr als die im Büro mit den weißen Hemdkragen.“
Eine Ball, den Minister Schmeltzer gern aufgriff. Wie schon jüngst bei der Ausbildungsmesse ergriff er Partei für die duale Ausbildung, die er genauso hoch einschätzt wie das Studium: „Das muss aber auch gesellschaftlich anerkannt werden.“ Die Digitalisierung dürfe man nicht als Teufelszeug ablehnen: „Sie ist eine historische Chance.“
IG-Metall-Chef Jens Mütze betonte, dass es auch in der Hagener Gesellschaft eine Akzeptanz für Industriebetriebe und deren Bedürfnisse geben müsse: „Zum Beispiel die Deutschen Edelstahlwerke würde man heute sicherlich nicht mehr dort bauen, wo sie jetzt stehen. Aber sie müssen sich hier auch weiter entwickeln können.“
Insofern war Schmeltzer bei Wälzholz an der richtigen Adresse. Nicht nur, weil es dort interessante Berufe zu finden gibt, sondern weil der Betrieb zu jenen gehört, die gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer, der Bundesagentur für Arbeit, den Schulen und mit der hauseigenen Auszubildenden-Akquise vorbildliche Arbeit leisten. 80 Auszubildende gibt es bei Wälzholz aktuell. Jedem von ihnen ist ein Vertragsjahr nach der Ausbildung mindestens garantiert.
Der Standort
Für die Hagener Stadtgesellschaft sei es extrem wichtig, dass Jugendliche in den spezialisierten Bereichen der Industrie Ausbildungsstellen besetzen, sagt Wolfgang Jörg, SPD-Landtagsabgeordneter. „Nur so können wir den industriellen Standort auch in Zukunft erhalten.“
Das Umdenken
Jana Lück ist Auszubildende bei Wälzholz. Sie wird Verfahrensmechanikerin. Ihr Statement gestern machte deutlich, dass es in vielen Betrieben auch ein Umdenken geben muss: „Viele industrielle Betriebe, bei denen ich mich beworben habe, haben mir erklärt, dass sie prinzipiell keine Frauen einstellen würden. Das habe ich nicht für möglich gehalten.“