Wehringhausen/Altenhagen. . Das Rattenproblem in Hagen wird größer. Drei Fragen tun sich auf: Wer trägt Schuld daran? Wer muss die Plage beseitigen? Und wer trägt die Kosten?
- Zwei Millionen Ratten gibt es in ganz Hagen
- Plage durch wilden Müll wird größer
- Stadt wendet sich an Vermieter von Problemhäusern
Die Anwohner verschiedener Wohnviertel sind angewidert. Das Rattenproblem in Hagen sei so groß wie nie zuvor. Neben dem Ekel und der Verärgerung schwelt auf einem Nebenplatz noch ein ganz anderer Konflikt: und zwar zwischen Bürgern und der Verwaltung.
Frank Plaßmann und Heiko Schröder gehen in die Offensive. Plaßmann lebt in der Friedensstraße. Von seinem Fenster aus blickt er auf die Boeler Straße, wo vor einem Wohnhaus jeden Tag Lebensmittelreste, alte Möbel und sonstiger Müll einfach auf die Straße gekippt wird. Dutzende Ratten fallen darüber her. Es seien oft Zuwanderer-Familien, die in einem angrenzenden Haus leben würden und ihren Müll schlichtweg aus dem Fenster schmeißen würden.
Zehn Nager auf einen Hagener
Seit über 30 Jahren ist Robert Zydek als Schädlingsbekämpfer in Hagen im Einsatz. „Man kann auf jeden Fall sagen“, so Zydek, „dass die Schadnager-Population stetig größer wird“. Das Verhältnis zwischen Menschen und Ratten in Hagen liege bei 1 zu 10. Legt man die aktuelle Einwohnerzahl zugrunde, leben knapp zwei Millionen Ratten in Hagen.
Ratten, so Zydek, seien Kulturfolger. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel wegen stark landschaftsverändernder Entwicklungen dem Menschen in seine Kulturlandschaft folgen. „Sie sind ein direkter Nahrungskonkurrent zu uns Menschen. Der wilde Müll sei ein Teil der Rattenproblematik. Ratten finden darin Nahrung, aber auch Beschäftigung. „Ratten spielen sehr gern“, sagt Zydek. Styropor-Reste, alte Möbel, Stoffe – was auch immer auf die Straße oder in den Hinterhof gekippt wird, ist ein Lockmittel für Ratten. Zydek: „Wenn man die Hygiene in einem Haus im Griff hat, gibt es auch nur selten ein Rattenproblem.“ Aus seiner Sicht komme heute das Problem dazu, dass Abfalltonnen aus Kunststoff bestehen, während sie früher mal aus Eisen waren. An den oberen und unteren Rändern seien bei diesen weichen Materialien immer Beißspuren zu finden.
Viele Betroffene würden zunächst selbst versuchen, das Rattenproblem zu bekämpfen. Das Problem: Im freien Handel seien fast nur noch Präparate der sogenannten ersten Wirkstoffgeneration erhältlich, gegen die viele Schadnager aber bereits Resistenzen entwickelt hätten. Heißt: Sie überleben den Biss in die Köder. Der richtige Weg sei trotz der Kosten nur mit einem Schädlingsbekämpfer zu gehen, der im Rahmen einer Befallsermittlung Größe und Wege der Ratten ermittelt und letztlich entsprechend wirksame Präparate zum Einsatz bringt.
Der Wehringhauser Heiko Schröder hat längst andere Schritte eingeleitet. Er hat sämtliche Behörden angeschrieben, sich an das Gesundheitsministerium in Düsseldorf gewendet und Umweltamtsleiter Ralf-Rainer Braun bei der Staatsanwaltschaft angezeigt sowie in Arnsberg eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Braun eingelegt. Schröder lässt es nicht auf sich sitzen, dass Kosten auf ihn umgelegt werden, die seinem Vermieter für die Schädlingsbekämpfung entstanden sind. Schröder lebt in einem Haus an der Franklinstraße. „Unser Haus ist aber nicht für das Rattenproblem im Viertel verantwortlich. Trotzdem hält die Stadt meinen Vermieter an, die Ratten zu beseitigen. Ein Beweis wäre das Mindeste, was ich verlange“.
Bürgerinformationsveranstaltung gefordert
Weil Umweltamtsleiter Braun nicht mit ihm, sondern nur mit dem Vermieter sprechen wollte, legte Schröder Beschwerde ein. „Ich werde doch wohl die Verwaltung auf ihre Fehler hinweisen dürfen, auch wenn ich nicht der Vermieter bin.“ Wenn der Zuwandererstrom nach Hagen stärker werde, müsse sich die Stadt auch stärker um die Folgen kümmern. Hauptsächlich seien jene Mitbürger schließlich für die Vermüllungsproblematik verantwortlich.
Schröder fordert eine Bürgerinformationsveranstaltung. Viel zu viele Leute im Viertel würden ohne Fachwissen mit Gift herumhantieren. Außerdem müsse die Stadt ihre Flächen in den Wohngebieten von Ratten befreien. Spielplätze, Parks und so weiter.
Umweltamtsleiter Braun verteidigt die Herangehensweise seines Ressorts. „Ganz klar: Wir wenden uns als Stadt an die Vermieter, wenn wir einen Rattenbefall feststellen. Wie sollen wir dieses Thema sonst angehen? Wir kontrollieren regelmäßig in Parks, auf Spielplätzen und auf unseren eigenen Flächen. Wir haben in Wehringhausen zwei Wochen lang eine große Reinigungsaktion durchgeführt. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir als Verwaltung zu wenig tun würden. Wenn das Problem plötzlich auf den Bürger zurückfällt, dann kommt oft der Schrei nach der öffentlichen Hand.“