Hagen. . Judith und Malte Wessel haben nicht lange darüber diskutiert, ob sie heiraten sollten oder nicht. Sie haben es einfach getan, es war für sie ganz selbstverständlich.

  • Für Judith und Malte Wessel war es selbstverständlich zu heiraten
  • Paar lernte sich während der Arbeit in der Stadthalle kennen
  • Nach Standesamt mit Freunden und Familie in Hotel gefeiert

Was die beiden erzählen, klingt so selbstverständlich, so vollkommen logisch, dass man als Zuhörer meint, es gebe keinen anderen Weg zu leben. Doch irgendwann gerät man doch ins Grübeln. Die Ehe als selbstverständliches Lebensmodell – okay. Doch auch bei so jungen Menschen?

Judith Wessel ist 23, Malte Wessel 34. Die beiden sind seit gut zweieinhalb Jahren zusammen, haben vor gut fünf Monaten – am 10. Februar – geheiratet. Ohne großes Abwägen des Für und Wider, ohne romantischen Heiratsantrag – weil die ­Sache für beide eh klar war. So einfach ist das . . . Wobei wohl kein ­Zuhörer, der Judith und Malte ­Wessels Gschichte lauscht, den Eindruck hat, das Paar hätte unüberlegt, aus einer Laune heraus oder gar oberflächlich gehandelt.

Aber der Reihe nach . . .

„Wir haben uns bei der Arbeit kennengelernt“, blickt Judith Wessel zurück. Malte arbeitete damals wie heute in der Stadthalle als Veranstaltungstechniker, und Judith jobbte – bevor sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester begann – in der Stadthalle, „ich hab’ auf zahlreichen Partys, ­Festen und Veranstaltungen gekellnert“. Man lief sich ­immer wieder über den Weg, anfangs zufällig, irgendwann von ihr oder von ihm gesteuert. Die beiden lernten sich näher kennen, merkten, dass da mehr war.

Anfangs keine einfache Zeit

„Doch wir waren beide noch in ­festen Beziehungen“, erinnert sich Malte Wessel an die für beide nicht einfache Zeit. Nach dem ersten Abend bei Malte blieb Judith, „ich war fast nur noch bei ihm“. Malte trennte sich von seiner damaligen Fernbeziehung, Judith zog komplett zu ihm.

Malte und Judith sitzen mir händchenhaltend gegenüber, was bei den beiden nicht zuckersüß, sondern vielmehr total selbstverständlich wirkt. Das Pärchen lächelt sich an, lächelt mich an. Und dann kommen die beiden auf einen im Grunde ganz normalen Tag – etwa zwei Jahre nach ihrem Kennenlernen – zu sprechen. „Ja, die Autofahrt vor zwei Jahren . . .“

Gespräch im Auto

Irgendwie sprach Judith damals im Auto das Thema Hochzeit an, ganz allgemein, eher hypothetisch. Doch im Laufe der Fahrt wurde es immer konkreter. Kirchliche Trauung ja oder nein? Wie sollen die Ringe aussehen?

Die beiden stiegen immer tiefer ins Thema ein. „Wo soll gefeiert werden? Wen möchten wir einladen? Als das Paar aus dem Auto stieg, war das Thema vomTisch. Erstmal. . .

Am nächsten Tag bekam Malte von Judith eine SMS. Den Inhalt der Kurznachricht hat er auch Monate später nicht vergessen: „Ich wollte dich ­gestern mit all den Fragen nicht überrollen.“

Malte fand Judiths Fast-Entschuldigung und ihre Zurückhaltung sympathisch, doch auch überflüssig, denn: „Es war für uns beide so selbstverständlich, dass wir heiraten. Wir haben den Zeitpunkt, den anderen zu fragen, ob auch er will, nur einfach verpasst. Aber das war egal.“

Verlobungsringe ausgesucht

Gleich am nächsten Tag haben Malte und Judith Wessel ein paar Juweliere in Hagen abgeklappert und sich Verlobungsringe ausgesucht. „Wir haben nicht gefeiert. Wir haben uns die Ringe einfach angesteckt und uns riesig gefreut.“

Das war im September 2015, die Hochzeit sollte 2017 – wenn Judith ihre Ausbildung fertig hat – stattfinden.

Dann allerdings die traurige Nachricht, dass eine nahe Angehörige schwer erkrankt ist. „Daraufhin haben wir einen schnellen Termin gesucht“, sagt Malte mit ernster Stimme. Der 10. Februar 2016 wurde ausgewählt – und alle, die dem Paar wichtig sind, waren dabei.

„Wenn man dauerhaft zusammen bleiben will und auch gemeinsam Kinder haben möchte, gehört heiraten einfach dazu“, sagt Judith.

Ihre Aussage wirkt nicht naiv, sondern abgeklärt. Natürlich könne eine Heirat auch in rechtlicher Hinsicht helfen, Probleme zu vermeiden (zum Beispiel, wenn der Partner im Krankenhaus liegt und es ums Besuchsrecht geht), doch das sei bei ihrer Entscheidung nicht das Hauptargument gewesen. „Die Hochzeit war für uns ein natürlicher nächster Schritt.“

Die kirchliche Trauung

„Wenn es für Judith wichtig gewesen wäre, ­hätten wir auch kirchlich geheiratet“, sagt Malte ­Wessel. Judith nickt bestätigend: „Ja, aber da weder Malte noch mir eine kirchliche Trauung wichtig war, haben wir es beim Standesamt belassen.“ Etwa die Hälfte ihres Freundeskreises, der in den letzten Jahren geheiratet hätte, sei zum Ja-Sagen auch in die Kirche gegangen, „einige Paare haben sich für eine ganz klassische Zeremonie entschieden, andere für eine moderne Trauung“, erzählen die 23-Jährige und ihr 34-jähriger Ehemann.

Bewusstes Ja-Sagen vor Gott

Auch Pfarrer Dieter Aufenanger aus der katholischen Sankt-Elisabeth-Gemeinde weiß, dass sich jene, die sich auch kirchlich trauen lassen, heute bewusster für das Ja-Sagen vor Gott entscheiden, „eine kirchliche Trauung wird heutzutage nicht mal eben mitgenommen“. Gospel-Chöre und Gitarrenspieler würden oftmals die Zeremonie untermalen, „oder eben die klassische Orgelumrahmung“. Ein Trend? Aufenanger überlegt nur kurz: „Die Brautleute werden immer älter, bringen immer häufiger eigene Kinder mit in die Ehe. Und die Hochzeitsplanungen setzen eher ein. Ich habe heute schon Anfragen für den Sommer 2017.“

Es darf auch teuer sein

Auch Kollege Jürgen Schäfer, Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Haspe, beobachtet einen Wandel beim Stil der kirchlichen Trauungen: „Es wird mehr Wert auf Dekoration gelegt. Die Erwartungen an den Tag sind immens groß. Alles muss prächtig ausfallen. Und es darf auch teuer sein.“

Ein Unterschied zu früher? „Vor 20 Jahren wurde alles mit der Videokamera gefilmt. Heute engagieren die ­meisten Brautleute einen professionellen Hochzeitsfotografen.“

Was die beiden zusammenschweißt? Gilt bei ihnen der Spruch „Gleich und gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“?

Die beiden schmunzeln: „Wir ­haben schon ähnliche Interessen und Einstellungen. Und wir teilen ein gemeinsames Hobby.“ Die Rede ist von den Besuchen mittelalterlicher Feste. „Anfangs war es nur Maltes Hobby, jetzt ist es auch meins“, strahlt Judith.

In einigen Dingen und Ansichten würden sie sich aber auch unterscheiden, „darüber diskutieren wir dann“. Und vom Typ her seien sie auch ziemlich unterschiedlich gestrickt, „ich bin eifersüchtig, Malte kaum. Malte ist ex­trovertiert, offen, oftmals ein richtiger ,Spring ins Feld’, ich bin eher zurückhaltend“, charakterisiert Judith ihren Mann und sich selbst.

Nach dem knapp einstündigen Gespräch brennt mir noch immer eine Frage unter den Nägeln. Träumt denn nicht jede Frau von einem romantischen Heiratsantrag? Judith schüttelt den Kopf, lacht: „Echt – mir hat nichts gefehlt.“

Viel wichtiger sei ihnen gewesen, dass ihre „Hoppla-Hopp“-­Hochzeit trotzdem für alle wunderschön gewesen sei. „Wir haben nach dem Standesamt mit ­Familie und Freunden in einem Hotel gefeiert und dort dann auch übernachtet. Alles war schön, gelungen und gediegen.“