Hagen. . Einer der größten Arbeitgeber in Hagen, die C.D.-Wälzholz-Gruppe , will in den kommenden Jahren mehr als 100 Millionen Euro investieren. Das sagt Firmen-Chef Hans-Toni Junius im Interview.

  • C.D. Wälzholz will 100 Millionen Euro investieren
  • Ob dies in Hagen erfolgt, ist noch unklar
  • Firmenchef Hans-Toni Junius im Interview

Sein Familienunternehmen gehört zu den größten Arbeitgebern in Hagen. Und Hans-Toni Junius, Vorsitzender der Geschäftsführung und persönlich haftender Gesellschafter von C.D. Wälzholz, engagiert sich auch in Vereinen, Verbänden sowie der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer. Im Gespräch mit der WESTFALENPOST kündigt er Millionen-Investitionen an. Der 60-Jährige macht aber auch klar, dass diese nicht zwangsläufig in Hagen stattfinden werden.

Wälzholz hat die Kaltbandsparte von Wickeder Westfalenstahl gekauft. Warum?

Dr. Hans-Toni Junius: Für uns war dies eine sehr wichtige strategische Entscheidung. Unsere Kunden kommen hauptsächlich aus dem Bereich Automotive. Das bedeutet, es geht um spezielle Stahlbänder, die wir für Anwendungen im Getriebe, in Motoren, Sicherheitselementen, Sitzen oder sonstigen Ausstattungen in Fahrzeugen herstellen. 60 bis 65 Prozent unseres Absatzes gehen in diesen Bereich, der auch gut läuft. Wir bereiten uns aber auch darauf vor, dass der Bereich der Elektromobilität weiter wächst. Und für die Herstellung der speziellen Materialqualitäten für Elektroantriebe sind einige der Anlagen, die wir nun erworben haben, besonders gut geeignet.

Jährlich 650 000 Tonnen kaltgewalzte Stahlbänder

Hans-Toni Junius (60), ist seit 2005 Vorsitzender der Geschäftsführung und seit 2012 persönlich haftender Gesellschafter der C.D. Wälzholz KG. Er ist studierter Diplom-Wirtschaftsingenieur, arbeitet zunächst in anderen Betrieben der Stahlindustrie, bevor er berufsbegleitend 1987 zum Doktor der Ingenieurwissenschaften promovierte. 1990 trat Junius in die Geschäftsleitung des Familienunternehmens ein. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Seine Wurzeln hat Wälzholz in der Nahmer in Hohenlimburg, wo Caspar Diederich Wälzholz 1829 eine Grobdrathrolle kaufte. Heute gilt Wälzholz als technologisch führend bei kaltgewalzten Stahlbändern. Weltweit werden jährlich etwa 650 000 Tonnen gefertigt mit rund 2000 Mitarbeitern.

Aber sind Sie in diesem Bereich nicht schon aktiv gewesen?

Dr. Junius: Ja, bei Wälzholz produzieren wir seit vielen Jahren Elektrobänder für die Motorenherstellung. Insbesondere auch für elektrische Fahrantriebe im Automobil, und übrigens auch in E-Bikes. Für diese Anwendung haben wir unser Material auch schon vor dem Kauf auf den Wickeder Anlagen bearbeiten lassen. Daran ist sicherlich erkennbar, warum wir uns für den Kauf des Wickeder Kaltbandbereiches entschieden haben. Im Bereich der E- Autos und Hybrid-Fahrzeuge haben wir die richtige Ausrichtung und die Anlagen sind nun die ideale Ergänzung für unseren Maschinenpark. Die Maschinen aus Wickede sind bestens eingerichtet, die neuen Mitarbeiter sehr kompetent. Wir sind mit dem Erwerb sehr zufrieden.

Welche Auswirkungen hat der Zukauf bislang auf die Arbeitsplätze in Hagen gehabt?

Dr. Junius: Keine. Wir haben in Hagen unverändert 920 Beschäftigte, inklusive der Auszubildenden. In Wickede haben wir 120 Mitarbeiter übernommen, zusätzlich begleiten einige unserer Hagener Experten die Integration des neuen Standortes vor Ort. Übrigens: In Deutschland hat Wälzholz rund 1470 Beschäftigte, weltweit sind es etwas mehr als 2000.

Wenn man die Nachrichten verfolgt, dann hört man immer wieder von den Schwierigkeiten der Stahlindustrie. Trifft Ihr Unternehmen dies auch?

Dr. Junius: Wälzholz als Kaltwalzer verzeichnet eine gute Beschäftigungslage. Das liegt zum einen an einer aktuell recht stabilen konjunkturellen Lage, zum anderen aber auch an unserer Ausrichtung auf hochwertige und innovative Produkte.

Aber das trifft nicht für die gesamte Stahlindustrie zu . . .

Dr. Junius: Nein, da haben Sie Recht, die Stahlindustrie, also die Stahl erzeugende Industrie, macht uns generell Sorgen. Wichtige Investitionen, die technisch notwendig gewesen wären, haben in der europäischen Stahlindustrie nicht stattgefunden. Die Überkapazitäten in China haben zu verstärkten Importen nach Europa, damit zu Preisdruck und Ergebniseinbrüchen geführt. Es gibt nun einen gewaltigen Investitionsstau. Was uns betrifft: Der Markt im Kaltwalz-Bereich ist gut aufgestellt, aber wir sind auf eine zuverlässige und auch innovative europäische Stahlindustrie angewiesen. In diesem Zusammenhang ist auch die Mittelbandstraße in Hohenlimburg von Bedeutung, die eine wichtige und spezialisierte Rohmaterialbasis darstellt.

Auch technisch versiert: Hans-Toni Junius erklärt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beim Firmenbesuch in Hagen die Maschinen.
Auch technisch versiert: Hans-Toni Junius erklärt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft beim Firmenbesuch in Hagen die Maschinen. © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann

Kommen wir zurück auf den Zukauf der Wickeder Kaltbandsparte. Wollen Sie dauerhaft auch an dem Standort Wickede festhalten?

Dr. Junius: Es ist nicht unser Plan, auf Dauer am Standort Wickede festzuhalten. Die Produktion soll irgendwann an einem Standort konzentriert werden. Allerdings haben wir überhaupt keine Eile, und werden das in Ruhe überlegen. Zum 1. Juli wird in Wickede unser bestehendes ERP-System eingeführt, so dass dann alle im gleichen IT-System arbeiten werden. Wir haben die Räumlichkeiten in Wickede zudem langfristig angemietet, können aber nach Bedarf auch Flächen abgeben. Insofern sind wir sehr flexibel.

Wenn Sie Produktionsabläufe zentralisieren wollen: Wird das denn auf jeden Fall am Stammsitz Hagen geschehen?

Dr. Junius: Das werden wir sehr genau prüfen. Es geht ja nicht nur um die Integration des Standortes Wickede. Wir werden insgesamt bei Wälzholz in den kommenden Jahren über 100 Millionen Euro investieren. Zum Beispiel werden wir die heute in Hohenlimburg ansässige Bandvergüterei neu bauen. Das sind äußerst wichtige Zukunfts-Entscheidungen für das Unternehmen, solche Anlagen stehen mehrere Jahrzehnte. Da muss ganz genau geschaut werden, wo die Investitionen getätigt werden.

Was spricht denn dagegen, diese Investitionen auf jeden Fall in Hagen zu tätigen?

Dr. Junius: Wir wollen ja in Hagen investieren. Ich bin Hagener. Allerdings ist die Gewerbesteuer hier sehr hoch, die Energiekosten sind ebenfalls teurer und die Verkehrswege zum Teil marode. Zu uns kommen täglich 150 Lkw, da ist eine optimale Infrastruktur sehr entscheidend. Generell haben wir in Hagen zudem das Problem, dass es nicht genug Gewerbeflächen gibt. Das betrifft unsere Werke allerdings nicht, wir haben ausreichend Reserveflächen.

Was spricht denn für den Standort Hagen?

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Dr. Junius: Ein großes Plus ist das gute Arbeitskräfte-Angebot. Wir haben sehr gute Ausbildungsbedingungen. Zudem gibt es mit der Fachhochschule und der Fernuniversität in Hagen auch eine gute Verbindung zur Wissenschaft. Ganz wichtig für mich ist zudem die Mentalität in der Bevölkerung. Die Menschen haben hier durch die lange Geschichte der Metall verarbeitenden Industrie einen guten Zugang zu unseren Produkten und Werkstoffen. Wir spüren hier eine große Verbundenheit zur Kaltwalzindustrie und eine hohe Loyalität auch Wälzholz gegenüber.

Ist es denn tatsächlich vorstellbar, dass das Ergebnis eines solchen Prozesses ist, dass Wälzholz nicht mehr in Hagen vertreten sein wird?

Dr. Junius: Ich kann mir das nicht vorstellen, dass wir nicht mehr in Hagen vertreten sein werden. Aber noch einmal: Wir müssen ganz genau prüfen, wo wir die großen Zukunftsinvestitionen tätigen.

Was kann die Stadt tun, um diese Prüf-Prozess zu unterstützen?

Dr. Junius: Wichtig ist zum Beispiel, dass Bauanträge und Genehmigungsverfahren schnell bearbeitet werden. Das hat aber in der Vergangenheit auch schon gut funktioniert – wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Fachleuten in der Verwaltung. Aufgrund der aktuellen Gegebenheiten kann die Stadt ja zu vielen der Standortfaktoren und Kostentreiber selbst gar nicht entscheiden.

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Sie haben auch die hohen Energiekosten als belastenden Faktor für den Standort benannt. Aber ist das Problem nicht gelöst, seit die Insellage Hagens aufgelöst ist? Sprich: Seit das Netz der Enervie nicht mehr nur an einem Punkt Zugang zu dem überregional Höchstspannungsnetz hat und somit die durch die Energiewende unrentabel gewordenen Enervie-Kraftwerke nicht mehr durch sehr hohe Netzentgelte, die insbesondere die Industrie-Kunden zahlen mussten, mit finanziert werden.

Dr. Junius: In der Tat ist das Problem nicht mehr so massiv, da es, auch durch die Intervention von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, entschärft werden konnte. Aber die Netzentgelte, die nach unserer Einschätzung weiter deutlich steigen werden, erlangen zunehmend Bedeutung. Wir haben im Jahr 2015, also in dem Jahr, in dem die massiv erhöhten Netzentgelte galten, rund 500.000 Euro mehr zahlen müssen. Die Belastung ist zwar durch die Auflösung der Insellage gesunken, aber 200.000 Euro dieser Mehrkosten bleiben weiter bestehen. Wälzholz dürfte nach Stora Enso und Hoesch Hohenlimburg der größte industrielle Verbraucher in Hagen sein. Da haben Energiefragen immer eine Schlüsselrolle.

Verlassen wir einmal den Standort Hagen. Wie will sich Wälzholz international weiter aufstellen?

Dr. Junius: Es ist natürlich weiterhin Teil unserer Firmenstrategie, dass wir uns international gut aufstellen. Das Wälzholz-Werk in Brasilien, das bereits seit mehr als vierzig Jahren besteht, läuft seit Langem sehr erfolgreich, muss aktuell aber die wirtschaftlich sehr schwierige Situation im Land meistern. Wir sind auch sehr zufrieden mit unserem Standort in den USA, und wir fassen sehr gut Fuß mit unserem neuen Kaltwalzwerk in China. Damit sind wir in den wichtigsten Regionen gut vertreten.

Wälzholz schreibt sich neuerdings mit „ae“, nicht mehr mit „ä“. Ist das ein erstes Zeichen, dass die Hagener Wurzeln schwächer werden und sie eher die Standorte in den Ländern stärken, in denen man ein „ä“ nicht kennt?

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Dr. Junius: Nein, das hat ganz allein damit zu tun, dass wir auf den Weltmärkten vertreten sind und dort ein „ae“ in der Kommunikation besser geschrieben und gelesen werden kann als ein „ä“. Der neue Firmen-Schriftzug drückt Modernität und Internationalität aus und soll in China und Brasilien genauso verstanden werden wie in Plettenberg oder Hagen. Aber ganz klar ist: Wir wollen ein Familien-Unternehmen bleiben, wir wollen eine solide Finanzpolitik betreiben und aus eigener Kraft Investitionen stemmen. Also: Der neue Firmen-Schriftzug ist keine Zäsur, sondern eine Weiterentwicklung.

Im Laufe des Jahres wird SIHK-Präsident Harald Rutenbeck sein Amt niederlegen. Spreche ich mit dem neuen Präsidenten der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer?

Dr. Junius: Nein, definitiv nicht. Ich habe zwar auch die entsprechenden Personalspekulationen vernommen. Aber ich werde das Amt nicht übernehmen. Ich werde mich aber natürlich weiter in der SIHK engagieren. Zudem bin ich ja noch Vorsitzender des Mittelstandsausschusses beim BDI und BDA.