Hagen. . Macke und Kirchner locken Publikum in die Museen. Doch das Osthaus Museum Hagen schickt seine Expressionisten auf Tournee

Kirchner, Macke, Kandinsky: Die Künstler der klassischen Moderne sorgen für lange Schlangen an den Museumskassen. Also sollte man sie auch zeigen. Das Hagener Osthaus-Museum besitzt herausragende Meisterwerke dieser Epoche. Doch die befinden sich seit Jahren auf Tournee. Hausherr Dr. Tayfun Belgin präsentiert dem Publikum stattdessen Fabian Seyd oder Ren Rong. Warum, das erläutert er im Gespräch über die Herausforderung, an kleinen Häusern große Kunst zu machen.

Das Osthaus Museum ist als erstes Museum für moderne Kunst überhaupt gegründet worden und damit das Mutterhaus der klassischen Moderne weltweit. Warum schicken Sie Ihre Schätze auf Reisen?

Dr. Tayfun Belgin: Mir ist es wichtig, dass unsere Werke Anerkennung auch im Ausland erhalten. Mit der Ausstellung im Leopold-Museum Wien ist ein absoluter Wunschtraum von mir in Erfüllung gegangen. Hagen hat Meisterwerke, die im Ausland sehr geschätzt werden.

Diese Meisterwerke sind in der Region aber gar nicht wirklich bekannt und in Hagen noch nie als Sammlung in einer Ausstellung gezeigt worden. Warum geben sie kein Heimspiel?

Belgin: Wenn die Bilder 2018 zurückkommen, wird die Sammlung auch ausgestellt. Nur haben wir kein Geld, um Ausstellungen zur klassischen Moderne zu machen. Unter einer halben Million Euro können Sie zum Beispiel keinen Kirchner zeigen. Jedes Bild kommt in einer Klimakiste mit Kurier, es gibt Leihgebühren, irre Versicherungsgebühren, das summiert sich ganz schnell.

Das ist doch ein Geben und Nehmen zwischen den einzelnen Museen, nach dem Motto: Ich leihe Dir meine Sachen aus, und die bringen dann etwas mit zurück. Warum ist es trotzdem so teuer?

Belgin: Wir haben ja Netzwerke. Über den Verbund der Ruhrkunst-Museen konnten wir zum Beispiel das Projekt „China 8“ realisieren. Und diese Internationalität ist mir wichtig. Die klassische Moderne auszustellen, wäre für mich immer eine Herzensangelegenheit. Es liegt nicht daran, dass wir keine Leihgaben kriegen, doch selbst wenn wir ein Werk ohne Leihgebühren erhalten, fallen immer noch Versicherungsgebühren und andere Kosten an. Das wird immer komplizierter, das können wir einfach nicht bezahlen. Hundertwasser konnten wir zum Beispiel nur machen, weil wir einen Investor gefunden haben, der die 300 000 Euro Kosten vorgestreckt hat und für zwei Drittel der Summe auch das Risiko übernommen hat.

Stattdessen mutet die Ausstellungspolitik des Osthaus oft so an, als wollten Sie die Funktion eines Kunstvereins oder einer Kunsthalle übernehmen?

Belgin: Die Museumslandschaft hat sich ja verändert. Es sind nicht mehr nur die Kunsthallen, die das Heißeste zeigen. Mein Ziel ist es, interessante Künstler zu entdecken und jungen Künstlern ein Forum zu geben, ihnen auch zum ersten Mal Museumsausstellungen zu ermöglichen. Dieses Entdecken finde ich spannend.

Also wollen Sie die Aufgabe ins 21. Jahrhundert übersetzen, die Karl Ernst Osthaus sich zum Beginn des 20. Jahrhunderts vorgenommen hat?

Belgin: Ja. Mein Interesse geht dabei eher in Richtung gegenständliche Kunst. Etwas Erzählendes oder Szenisches interessiert mich mehr als blaue oder rote Leinwände. Für mich ist ein erzählerisches Werk substanzieller, weil ich den Eindruck habe, dass in der abstrakten bzw. gegenständlichen Kunst nahezu alles gesagt ist. Das sind Themen, die kaum ein anderer macht. Außerdem ergänzt sich das gut mit der Arbeit des Schumacher-Museums, wo es um die abstrakte, informelle Kunst Emil Schumachers geht.

Kommt darüber der „Hausgott“ Christian Rohlfs nicht zu kurz?

Belgin: Im Gegenteil. Das Christian-Rohlfs-Archiv, das ist meine Initiative, das gab es vorher hier nicht. Rohlfs Neffe Paul Vogt hat uns nicht nur 400 Werke geschenkt, sondern auch die Rechte übertragen, das Werkverzeichnis weiterzuführen. Dr. Birgit Schulte ist die anerkannte Rohlfs-Expertin. Das Hagener Osthaus-Museum bestimmt heute über echt und unecht bei Rohlfs. Wichtig ist es festzuhalten, dass wir auch wissenschaftlich arbeiten.

Können Sie zu dieser wissenschaftliche Arbeit ein weiteres Beispiel nennen?

Belgin: Es wird einen 300-Seiten-Prachtband zu unserer Sammlung mit 100 Spitzenwerken geben. Daran arbeiten wir derzeit. Seit 1974 hat es keinen Katalog zur Sammlung mehr gegeben und in dieser prachtvollen Ausstattung überhaupt noch nie.

Immer mehr Museen verzichten nach Londoner Vorbild auf Eintritt und vervielfachen damit ihre Besucherzahlen. Ist das für Hagen eine Option?

Belgin: Wenn wir unsere großen Haushaltsprobleme nicht hätten, würde ich selbstverständlich auch keinen Eintritt für den Besuch der Sammlung nehmen wollen. Teure Ausstellungen bleiben davon ausgenommen. Wir in Hagen werden dagegen den Eintritt erhöhen müssen, von bisher sechs auf sieben Euro für beide Museen. Das ist unser Beitrag zur Haushaltskonsolidierung.