Wehringhausen. . Das Kino Babylon versprüht mit jedem Detail seiner Ausstattung, seiner Idee und seinen Filmen zwanzig Jahre nach seiner Gründung immer noch einen aufregend unaufgeregten Charme.

  • Kino Babylon zeigt Perlen der Filmkunst
  • 64 Plätze und das Bier für 2,50 Euro
  • Manchmal kommen keine Zuschauer

Alex Thiele und Jürgen Breuer sind da ganz ehrlich. Es gibt nämlich Abende, da würde es vielleicht mehr Besucher anlocken, wenn einfach die Tagesschau über die Leinwand flackern würde als ein Liebesmelodram aus Peru oder Thailand in Originalsprache und mit deutschem Untertitel. Die beiden Herren und jährlich rund 9000 Menschen, die diese kleine Perle der Kino-Vielfalt in Wehringhausen schätzen, wissen aber auch, dass solche Tage eine echte Ausnahme sind.

Denn das Kino Babylon versprüht mit jedem Detail seiner Ausstattung, seiner Idee und seinen Filmen zwanzig Jahre nach seiner Gründung immer noch einen aufregend unaufgeregten Charme. Nix da, Hollywood-Monokultur. Lokales Programmkino mit 64 Plätzen, Bier für 2,50 Euro und Macher, die wirklich jeden Film mit Bedacht auswählen.

Der Streifen neulich war so ein Rohrkrepierer. Eine Dokumentation über eine Bronze-Gießerei in Italien. Es kam: niemand. Das Kino Babylon blieb leer. „So einen Abend gibt es mal“, sagt Alex Thiele, Mitarbeiter des Kulturzentrums Pelmke, zu dessen Portfolio das Programmkino gehört. Aber Thiele erlebt auch ganz andere Abende. Solche, an denen einige Filmfreunde keinen Platz mehr finden, weil die kleine Kino-Tribüne pickepackevoll ist. So wie es wohl auch am heutigen Samstag sein wird, wenn der Projektor den Film „Das brandneue Testament“ auf die Leinwand rattert. Das Werk handelt – so weit, so normal – von Gott. Der allerdings ist ein Bürger mit Frau und Kind und lebt in Brüssel. Als die Tochter sich in seinen Computer hackt und bemerkt, wer ihr Vater eigentlich ist, nimmt das cineastische Unheil seinen Lauf. Fortsetzung: heute Abend 19 Uhr im Kino Babylon.

Viele kennen das Babylon nicht

Es ist immer noch so, dass viele Menschen in Hagen das heimelige Kino in der Pelmke mit den Ledersitzen aus dem alten „Lux“ an der Elberfelder Straße und dem Verkaufstresen aus dem alten „Roxy“ in Haspe gar nicht kennen. Entweder, so mutmaßt Thiele, weil sie es wirklich nicht kennen oder weil es bei manchen auch immer noch eine Art Abneigung gegen die Pelmke an sich geben könnte. Dabei hat sie sich – wie Thiele es selbst sagt – von der „Punker-Bude“ zu einem mehr als respektablen Zentrum entwickelt, in dem neben dem schnuckeligen Programmkino und Konzertabenden auch regelmäßige Themen-Partys für jüngere Hagener stattfinden, bei denen es ab 22, 23 Uhr wegen des großen Andrangs quasi unmöglich ist, noch hineinzukommen.

„Wir sind hier kein Hobby-Keller-Kino mehr“, sagt Jürgen Breuer, was sich allein daran zeigt, dass die technische Ausstattung die gleiche ist wie im Hagener Cinestar. Nur dass hier eben Arthouse-Werke, also künstlerisch anspruchsvolles Autorenkino präsentiert wird. Man muss keinen Doktortitel oder einen Abschluss in höherer Filmwissenschaft haben, damit einem das gefällt. Aber man sollte Freude und Leidenschaft für das Wesentliche aufbringen können: für die Liebe zur Filmkunst und das Setzen starker Themen.

9000 Menschen sind es jährlich, die genau das spüren und sich auf den Weg ins kleine Babylon machen. Das wird den Geschäftsführern von Cinestar, Multiplex, UCI und Co. keine schlotternden Knie bereiten – und das soll es auch nicht. Und dennoch ist das Babylon, einst gab es fast 20 Kinos in der Stadt, neben dem Cinestar die zweite Kino-Kraft in Hagen.

35 Vorführtermine im Monat

Das Kino Babylon ist Teil des Kulturzentrums Pelmke in der Pelmkestraße in Wehringhausen.

Es wurde 1996 als reines Programmkino gegründet und ist sich seither in seiner Ausrichtung treu geblieben.

Rund 35 Termine gibt es im Monat. Einmal im Jahr sichtet Alex Thiele bei der AG Kino in Leipzig die in Frage kommenden Werke für das Kino Babylon.

Vornehmend weiblich und über 45 – so könnte man den oder die durchschnittliche Babylon-Besucherin am besten beschreiben. Es dürfen – so viel Werbung darf erlaubt sein – gerne auch noch viele Jüngere mal ins klassische Programmkino hineinschnuppern. Kostentechnisch wäre das im Rahmen fürs Azubi-Portemonnaie. Pepsi oder Popcorn – der große Marktführer möge das entschuldigen – für fünf oder zehn Euro ist hier nicht. Jugendliche kommen für 4,50, Erwachsene für 6 Euro rein. Vielleicht heute Abend in „Das brandneue Testament“? Das Babylon hält das dem siebten Star-Wars-Streifen entgegen.