Hagen. . Die Hagener Bürger müssen sich auf die nächste schmerzliche Sparrunde einrichten. Die Vorschläge reichen vom Abschalten aller Brunnenanlagen bis hin zur Sportstättennutzungsgebühr.

  • Bürgern steht nächste schmerzliche Sparrunde bevor
  • Deckungslücke im Resthaushalt von 8,6 Mio.
  • Stadt will Steuererhöhungen dennoch vermeiden

Egal ob Kommunalaufsicht und Land NRW sich auf eine Verschiebung des Haushaltsausgleichs vom Jahr 2016 auf das Jahr 2017 einlassen – die Hagener Bürger müssen sich auf die nächste schmerzliche Sparrunde einrichten. Die Vorschläge reichen vom Abschalten aller Brunnenanlagen bis hin zu der bereits schon einmal abgelehnten Idee, eine Sportstättennutzungsgebühr einzuführen.

Obwohl die Gewerbesteuereinnahmen satter sprudeln als erwartet und die Kostenerstattungen für Flüchtlinge inzwischen befriedigend fließen, obwohl der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer höher ausfällt als kalkuliert und obwohl das Zinsniveau sich weiterhin auf niedrigstem Niveau bewegt – für Kämmerer Christoph Gerbersmann ist der im Rahmen des NRW-Stärkungspaktgesetzes für das Jahr 2016 geforderte Haushaltsausgleich so kaum hinzubekommen. Wegbrechende Enervie-Dividende, steigende Sozialkosten, ausbleibende Konsolidierungseffekte, aber auch höhere Umlagen für den Landschaftsverband bringen das filigrane Zahlenkonstrukt wieder einmal ins Taumeln.

Drehen an der Steuerschraube

Selbst wenn es gelänge, die 4,2-Millionen-Euro-Lücke im Rahmen des Haushaltssanierungsplanes für das Jahr 2016 durch weitere Einschnitte in das Hagener Leben zu schließen, bliebe eine Deckungslücke im Resthaushalt von 8,6 Millionen Euro. Das böse Wort „Grundsteuererhöhung“ möchte der Kämmerer gar nicht erst in den Mund nehmen. Weitere 120 Prozentpunkte müsste Hagen diese ungeliebte Stellschraube weiterdrehen, um die fehlenden Millionen zu liefern. Mit 870 Prozentpunkten würde sich Hagen damit zurück ins Spitzenfeld der notleidenden NRW-Kommunen katapultieren. „Das sollte man auf jeden Fall vermeiden“, spricht Gerbersmann auch im Namen von OB Erik O. Schulz und verweist auf den ebenfalls nicht unerheblichen Gewerbesteuersatz. „Wir haben diese beiden Instrumente 2013 ganz bewusst schon frühzeitig genutzt, um die Ernsthaftigkeit unseres Sparwillens zu unterstreichen.“

Höhere Geschwisterbeiträge für Kita-Kinder tauchen wieder auf

Im Rahmen eines Haushalt-Workshops hat der Kämmerer der Politik bereits einen Katalog mit möglichen Kürzungsvorschlägen präsentiert. Darin enthalten ist reichlich Altbekanntes, das vom Rat bereits in vergangenen Runden abgelehnt wurde. Die Kämmerei hat aber auch zahlreiche neue Ideen geboren. Hier ein Überblick über die auf dem Tisch liegenden Sparprojekte und ihrer jährlichen Effekte:

Alt-Vorschläge:

Seltenere Reinigung in öffentlichen Gebäuden (300.000 Euro);

Sportstättennutzungsgebühr bzw. Energie- & Bewirtschaftungsumlage (100.000 Euro);

Einführung einer Kostenbeteiligung der Schwimmvereine (80.000 Euro);

Zuschussstreichung Schwangerenkonfliktberatungsstellen (26.000 Euro ab 2017);

Zuschussstreichung Freiwilligenzentrale (17.500 Euro);

Zuschusskürzung Seniorenbegegnungsstätten (64.800 Euro);

Zuschussstreichung Beratungsstelle Opfer für Menschenhandel (12,300 Euro);

neue Beitragsordnungen (Geschwisterkindregelung) beim Offenen Ganztag, Kita und Tagespflege (mehr als 450.000 Euro);

Sachkostenkürzungen bei den Ratsfraktionen (4100 Euro);

Bäderschließungen/Lennebad und Freibäder (250.000 in 2016, ab 2018 750.000 Euro).

Neu-Vorschläge

Geschäftsprozessoptimierungen im IT-Bereich (bis 2021 bis zu 500.000 Euro);

Kürzungen im Repräsentationsbudget (7250 Euro);

Erhöhung Parkgebühren für Lehrer (10.000 Euro ab 2017);

Reduzierung der Schiedsamtsbezirke (5200 Euro ab 2017);

Abrechnung der bereitgestellten Brandwachen beim Theater (45.000 Euro);

Hilfen zur Erziehung und ambulante Hilfen als Kommune selbst anbieten und nicht mehr unter der Regie freier Träger (120.000 Euro);

Gebührenerhöhung Musikschule (20.000 Euro in 2016/17);

Zuschussstreichung bei Beratung für Essstörungen (52.300 Euro);

Reduzierung der EU-Binnenmigration durch konsequentere Kon­trollen durch Ordnungsbehörden und Jobcenter (500.000 Euro);

systematische Kontrollen bei Sozialleistungsempfängern bei den Kosten der Unterkunft (560.000 Euro);

Kürzungen bei Repräsentationen und Städtepartnerschaften (12.500 Euro);

Kürzungen bei den Pauschalen für die Politik (21.400 Euro);

Reduzierung der Ratsmitglieder, Bezirksvertretungen, BV-Mitglieder und Fraktionszuwendungen (ca. 260.000 Euro ab 2021);

Zinseinnahmen für das gewährte 30-Millionen-Euro Enervie-Darlehen (626.000 Euro in den Jahren 2016 bis 2019);

reduzierte Fortbildungskosten (5300 Euro);

verbesserte Stromkonditionen für Gebäude, Straßenbeleuchtung, Ampeln etc. (eine Million Euro ab 2017);

Ersparnis durch energetische Maßnahmen (100.000 Euro ab 2017);

Aussetzen der Sportförderung in den Jahren 2016 und 2017 (jeweils 120.000 Euro);

Gründung eines Betriebs gewerblicher Art für den Sportstättenunterhalt (250.000 Euro ab 2017);

Abschalten sämtlicher Brunnenanlagen (350.000 Euro).

Daher setzt der Finanzdezernent gegenüber der Kommunalaufsicht in Arnsberg sowie dem Düsseldorfer Innenministerium diesmal darauf, eine Sonderfallregelung in Anspruch zu nehmen. Schließlich gehört Hagen zu jenen Kommunen, die 2013 durch die Neuberechnung der Stärkungspaktmittel einen jährlichen Verlust von 3,9 Millionen Euro gegenüber der ursprünglichen Finanzplanung zu verkraften hatten und denen somit bis 2021 etwa 22,8 Millionen Euro fehlen. Städten wie Oberhausen und Wuppertal, denen Ähnliches widerfuhr, gewährte das Land daraufhin einen Verschiebung des Haushaltsausgleichs auf 2017. Und genau auf diese Karte, die Hagen parallel 19,1 Millionen Euro zusätzliche Stärkungspaktmittel beschert, setzt Gerbersmann. Im Januar wird er im Rahmen eines ersten Arbeitsgesprächs versuchen, dieses neue Konsolidierungsdrehbuch mit der Bezirksregierung abzustimmen. Das entbindet die Politik jedoch nicht von der schmerzlichen Pflicht, für 2016 ein Sparpaket in Höhe von 4,2 Mio. Euro sowie für das Jahr 2017 von weiteren 3,5 Mio. Euro zu liefern.